Korea

Verliebt in die Bombe?

Das Ende des Koreakriegs (1950–1953) wurde niemals durch einen Friedensvertrag besiegelt. Dieses Manko ist wieder einmal aktuell und der Schlagabtausch zwischen Washington und Pjöngjang hat weitreichende Folgen für die Region und die gesamte Welt, da die weitere Entwicklung der gegenwärtig instabilen Lage völlig offen ist.

Pierre Rousset

Die gegenwärtige Konfliktspirale war keineswegs unaufhaltsam über die beteiligten Mächte hereingebrochen. Vielmehr hätte es genügt, dass die USA ihr gegen Nordkorea gerichtetes gemeinsames Militärmanöver mit Südkorea ad acta gelegt hätten oder umgekehrt, dass Pjöngjang positiv auf die diversen Gesprächsangebote seitens des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in reagiert hätte, die dieser seit seiner Wahl im Juli 2017 vorgelegt hat.


Was treibt Kim Jong-un um …


In erster Linie will er den Fortbestand des Regimes angesichts der konzertierten Feindseligkeit der „internationalen Gemeinschaft“ sichern. Dafür möchte er die USA zwingen, einen völkerrechtlich anerkannten Friedensvertrag zu unterzeichnen, so wie nach dem Waffenstillstand von 1953 fällig gewesen wäre und der darüber hinaus Nordkorea als Atommacht anerkennt. Denn angesichts des Schicksals, das Saddam Hussein im Irak und Gaddafi in Libyen widerfahren ist, glaubt Kim, dass langfristig nur der Besitz eines Atomwaffenarsenals Nordkoreas Unabhängigkeit sichern kann, zumal der Beistand durch China von ungewisser Zukunft ist.

Pjöngjang lässt immer wieder verlauten, dass er sein Atomwaffenprogramm auf Eis legen könnte, sofern die USA ihrerseits auf weitere Feindseligkeiten verzichteten (ein Umstand, den die offiziellen Medien im Westen gerne verschweigen). So lautete auch die Position Nordkoreas bei den Friedensverhandlungen mit Südkorea 1990 und 2000. Inzwischen kann jedoch angesichts der nukleartechnischen Fortschritte bezweifelt werden, dass das nordkoreanische Regime tatsächlich dazu bereit wäre, zumindest ohne weitreichende Garantien im Gegenzug zu erhalten, wie bspw. die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone auf der gesamten koreanischen Halbinsel und den angrenzenden Regionen.

Kim Jong-un hat die atomare Aufrüstung zu seinem Markenzeichen gemacht und in zweierlei Hinsicht einen radikalen Bruch mit der Politik vollzogen, die vor ihm sein Vater und sein Großvater betrieben haben. Zum einen hat er das Atomwaffenprogramm drastisch forciert, indem er Raketen- und Bombentests und die Reichweite der Flugkörper hochgefahren sowie immer kleinere Sprengköpfe bauen und eine Wasserstoffbombe entwickeln lassen hat. Zum anderen hat er eine partielle marktwirtschaftliche Liberalisierung vornehmen lassen, um die nach wie vor hohen inneren sozialen Spannungen zu entschärfen.

Fachleute urteilen, dass seine Politik durchaus „logisch“ sei, nichtsdestotrotz hat sie sehr schwerwiegende Folgen: forcierter Rüstungswettlauf, wachsende Militarisierung in der Region (namentlich von Seiten Japans) und Konterkarierung der Öffnungspolitik, die Südkorea nach dem Sturz der revanchistischen Rechten begonnen hat. Dessen neuer Präsident Moon Jae-in entstammt einer politischen Tradition, die großen Wert auf die nationale Frage und die Wiedervereinigung des Landes legt und somit an einer Öffnung gegenüber Pjöngjang interessiert ist. Insofern dürften seine Gesprächsangebote kaum Täuschungsmanöver gewesen sein.

Kim Jong-un hingegen will nur mit den USA in Verhandlung treten und behandelt Moon Jae-in als nebensächlich. Der wiederum reagiert auf diese Umstände so, dass er nunmehr eine stärkere militärische Präsenz der USA und die Stationierung eines neuen Raketenabwehrsystems (Thaad) für unverzichtbar hält, was er noch vor seiner Wahl abgelehnt hatte.


… und was Donald Trump?


Der will zuallererst das, was auch die demokratischen und republikanischen Parteigrößen wollen, nämlich Nordkorea nicht anerkennen. Die anfänglichen diplomatischen Fortschritte unter Bill Clinton wurden von George Bush junior (der Pjöngjang in der „Achse des Bösen verortete) und gleichermaßen nachfolgend unter Barack Obama torpediert.

Diese Aggressionspolitik wird unter den obwaltenden Umständen noch weiter verschärft. Da sich die Halbinsel offiziell weiterhin im Krieg befindet, formal also kein Friede herrscht, dürfen die US-Militärbasen in Südkorea aufrechterhalten oder gar ausgebaut werden. Für Washington ist dies von besonderer strategischer Bedeutung, da China im Südchinesischen Meer seine Vorherrschaft ausbaut und die USA daher umso mehr ihre Präsenz im Nordpazifik stärken müssen.

Dabei zählt, dass die in Südkorea stationierten Abwehrraketen (Thaad) eine Reichweite besitzen, die einen Großteil des chinesischen Territoriums und nicht bloß Nordkorea umfasst, was natürlich in Peking für große Unruhe sorgt, da dessen Atomwaffenarsenal dadurch großenteils neutralisiert wird. Trump nimmt die Koreakrise natürlich zum Anlass, um aus anderen, übergeordneten, Gründen Peking unter Druck zu setzen, da die USA als etablierte Großmacht den Aufstieg Chinas als aufstrebende Macht auf der internationalen Bühne mit Argusaugen beäugt.

Außerdem wollen Trump und die US-Militärführung eine deutliche Aufstockung des „Verteidigungsetats“ durchsetzen, wofür ihnen – angesichts der eher fraglichen Zustimmung bei den Verhandlungen im Kongress – eine drohende kriegerische Auseinandersetzung zupasskäme. Hinzu kommt, dass Trump von seiner desaströsen Bilanz im Innern des Landes, die von Skandalen und wachsendem Popularitätsverlust geprägt ist, ablenken will. Da käme ein Zwischenfall, der eine unkontrollierbare Kettenreaktion auslösen könnte, durchaus recht, um sein Image als haltloser Schwätzer, der stets nur von Revanche und Untergangsvisionen schwadroniert, aufzubessern.

In der Summe ergibt dies eine sehr bedenkliche Gemengelage, die auch die engsten Verbündeten der USA beunruhigt, zumal auch die weitere Entwicklung in Nordkorea die Lage zusätzlich destabilisieren könnte. Bisher haben die internationalen Wirtschaftssanktionen ihr Ziel nicht erreicht, da das Regime sie – wenn auch zu erheblichen finanziellen Kosten – umgehen konnte und dafür auf den Nationalismus in der Bevölkerung bauen kann, die nicht vergessen hat, wie die US-Bombardements in den 50er Jahren das Land in Schutt und Asche gelegt haben. Insofern hält sich das Regime noch fest im Sattel und säubert gnadenlos die Führungsetage aus, sobald sich dort eine mögliche Alternative zu Kim Jong-un auftut. Offen ist allerdings, was passiert, wenn sich erste Risse im Partei- und Staatsapparat zeigen.


Das nukleare Wettrüsten


Zweifellos tragen die USA die historische Verantwortung an der gegenwärtigen Krise. Allerdings ist auch das nordkoreanische Regime inzwischen zu einem treibenden Faktor bei der Militarisierung im Nordpazifik – und darüber hinaus – geworden. Daher könnte jede, auch „versehentliche“ militärische Konfrontation in dieser Region zu einem atomaren Schlagabtausch führen.

      
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Das nukleare Wettrüsten nimmt immer breitere Formen an. Die USA, Frankreich etc. sind bestrebt, den Einsatz sogenannter „taktischer“ Bomben politisch salonfähig zu machen. Durch die Installierung von – noch weitgehend ungeprüften – Raketenabwehrsystemen seitens der USA sieht sich Russland gedrängt, sein Arsenal auf hohem Niveau aufrechtzuerhalten. China glaubt gar, nachrüsten zu müssen, da die dort verfügbaren Sprengköpfe zwar in der Vergangenheit ausreichend gewesen sein mochten, inzwischen aber modernisiert und ausgebaut werden müssen. Hinzu kommt, dass Peking im Gegensatz zu Moskau bisher noch nicht über eine Flotte strategischer Unterseeboote verfügt, um sein Arsenal in den Weltmeeren zu installieren.

Der Atomwaffensperrvertrag ist reine Makulatur geworden und das Fehlen einer real bedeutsamen Antikriegsbewegung, die für atomare Abrüstung und gegen die kriegstreiberische Regierungspolitik – ob in Frankreich oder anderswo – eintritt, erweist sich unter diesen Umständen als fatal.

Übersetzung MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 6/2017 (November/Dezember 2017). | Startseite | Impressum | Datenschutz