Viele europäische Städte haben inzwischen einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr eingeführt, mit Tallin sogar die erste Hauptstadt. Die Nutzung ist massiv gestiegen, aber erstaunlicherweise bei fallenden Kosten.
Łukasz Ługowski
In den 30 Jahren neoliberaler Herrschaft, die mit der Wirtschaftskrise von 2008 ihren Gipfelpunkt erreicht hat, sind die öffentlichen Dienstleistungen, besonders im Bildungs- und Gesundheitswesen, in ganz Europa zunehmend kostenpflichtig geworden. Dies trifft jedoch nicht für alle Bereiche zu, wie die Renaissance des kostenlosen Öffentlichen Personenverkehrs gerade in Osteuropa seit einigen Jahren zeigt. Während in den belgischen bzw. französischen Städten Hasselt und Colomiers – einstige Paradepferde für den Erfolg eines Bürgertickets in Westeuropa – Fahrscheine im Zuge des neoliberalen Rollback wieder kostenpflichtig geworden sind, wetteifern im Osten die Lokalpolitiker zahlreicher Städte als Verfechter des kostenlosen ÖPNV gegeneinander. Unter den über 100 Städten weltweit mit einem Bürgerticket nehmen Polen und Estland die Vorreiterrolle ein.
Als 2012 die unabhängige Gewerkschaft „Sierpień 80“ („August 80“) ihre Kampagne für einen kostenlosen ÖPNV als Reaktion auf die immer häufigeren und dreisteren Preiserhöhungen im ganzen Land aufnahm, gab es in lediglich zwei Städten ein Bürgerticket. Mittlerweile sind es 44 Verbände, angefangen von dem niederschlesischen Kurort Świeradów-Zdrój, der zwar nur 5000 Einwohner hat, aber in der Hochsaison von Touristen überlaufen wird, und einen kostenlosen Verkehrsverbund mit der tschechischen Nachbarstadt Nové Město pod Smrkem unterhält, bis hin zum Landkreis Lubin, der 106 000 Einwohner zählt. Daneben planen etliche weitere Städte, ein solches Bürgerticket einzuführen, darunter möglicherweise auch Tschenstochau mit über 230 000 Einwohnern, die dann die drittgrößte Stadt in Europa mit einem kostenlosen ÖPNV wäre.
Anfangs hielten die Stadtverwaltungen den Nulltarif noch überwiegend für eine Schnapsidee und die Medien sahen uns als Paradiesvögel, sofern sie uns überhaupt beachteten. Inzwischen jedoch hat Polen eine Spitzenrolle inne und man kommt nicht umhin, nach den vielfältigen Gründen dafür zu suchen.
Mancherorts – wie gegenwärtig in Konin – sind Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Brücken dafür ausschlaggebend, wobei oftmals das Bürgerticket auch nach Ende der Baumaßnahmen beibehalten wird. Andernorts sind es die Bürger*innen selbst, die einen Bürgerhaushalt verabschieden. In vielen Städten ließ sich die Verwaltung auch von der o. g. Kampagne von „Sierpień 80“ inspirieren, wie etwa im Landkreis Lubin. Mitunter spielen auch budgetäre Gründe eine Rolle, so in Ząbki, wo der Nulltarif auf diejenigen begrenzt ist, die in der Stadt steuerlich veranlagt werden. Die politische Couleur der jeweiligen Verwaltung spielt dabei keine Rolle: Sowohl mehr oder weniger linke als auch dezidiert rechte Lokalpolitiker haben dies umgesetzt. Einige von ihnen hatten den Nulltarif in ihrem Wahlprogramm 2014 und ihn dann nach erfolgreicher Wahl zumeist auch umgesetzt. Was zudem in Polen wie auch in anderen Ländern des vormaligen Ostblocks eine Rolle spielte, war, dass die Tarifbefreiung für bestimmte Teile der Bevölkerung oftmals beibehalten worden war und damit einfach auf die Restbevölkerung ausgeweitet werden konnte.
In Niederschlesien, wo es das Bürgerticket bereits im Landkreis Lubin, in der benachbarten Kreisstadt Polkowice und einigen ihrer Gemeinden sowie in einzelnen Gemeinden im Kreis Legnica gibt, wird inzwischen sogar diskutiert, einen kostenlosen regionalen Verkehrsverbund zu schaffen – eine gar nicht so unrealistische Perspektive.
Das bekannteste Beispiel für den kostenlosen ÖPNV in Polen ist die oberschlesische Stadt Żory, die damals als mithin erste Stadt auf unsere Kampagne positiv reagierte. Im Gefolge wurde die Frage fast überall im Lande diskutiert, sowohl in den Verwaltungen als auch in den Medien und auf der Straße. Ein typisches Argument auf der Straße gegen die damaligen Preiserhöhungen in Oberschlesien lautete: „Jetzt verteuern sie auch noch die Fahrkarten und trotzdem werden die Stadtsäckel bald wieder klamm sein. Dann können sie doch gleich die Preise senken oder den Nulltarif einführen.“
Zahlreiche andere jedoch, ob Anhänger der neoliberalen Parteien oder Beamte im öffentlichen Verkehrswesen, schlugen eine andere Tonart an, etwa: „Ich bin dagegen, da sich dann die Obdachlosen in den Bussen breitmachen und diese verpesten“. Ein groteskes Argument, das nichts mit dem Nulltarif zu tun hat, sondern auf ein anderes dringliches soziales Problem verweist, nämlich die Wohnungsnot.
Inzwischen jedoch hört man kaum mehr Befürworter von Preiserhöhungen im ÖPNV. Stattdessen werden die Preise gesenkt und allerorten plädiert man für kostenlose Schülertickets. Damit ist Polen seit einigen Jahren zum weltweiten Vorreiter des Nulltarifs im ÖPNV geworden. Daneben sind in etlichen Städten kostenlose Zeitkarten für bestimmte Bevölkerungsgruppen eingeführt worden, etwa für Schüler*innen, Arbeitslose oder Autofahrer (etwa in Zakopane), oder in den Innenstädten (z. B. in Kielce) oder bspw. an den Wochenenden für jedermann oder auf ausgewählten Streckenverbindungen. Geplant sind auch Freikarten für Touristen während der Wintersaison im schlesischen Wintersportort Szczyrk.
Der überwiegende Tenor ist mittlerweile, dass die Idee gut ist, aber schwer umzusetzen, da die Mittel dafür fehlen. In Wahrheit jedoch sind die Mittel dafür überall vorhanden, bloß müssen die Prioritäten im Budget entsprechend gesetzt werden.
Tatsache ist, dass sich bspw. in Żory der kostenlose ÖPNV als Einsparung herausgestellt hat gegenüber der kostenpflichtigen Vergangenheit. Denn die Investitionen amortisieren sich vielfältig: weniger Verkehrsunfälle, sauberere Luft, weniger Lärm, schnelleres Eintreffen von Hilfsfahrzeugen (wegen freier Straßen), kein Verwaltungs- und Kontrollaufwand für Fahrscheine, mehr Mobilität und somit Aktivität und Prävention für ältere Menschen etc.
In fast allen Städten hat seit der Einführung des Nulltarifs im Nahverkehr die Zahl der Passagiere sichtlich zugenommen, während der Autoverkehr zurückgegangen ist. In Lubin ist die Zahl der Nutzer auf Anhieb um 50 % gestiegen und hat sich nach einem Jahr sogar verdoppelt. In Żory hat sich die Zahl gar verdreifacht. Auch die zuvor katastrophale Parkplatznot hat sich in den betreffenden Städten entspannt. Überall stößt die Maßnahme auf breite Zustimmung, bei den bisherigen Nutzern sowieso, aber auch bei ehemaligen Autofahrern und unter den Wissenschaftlern. Umso mehr überrascht es, dass sich manche Funktionäre im öffentlichen Verkehrswesen – nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa – weiterhin stur stellen und gegen das Bürgerticket polemisieren.
Die Vorteile liegen aber nicht nur in der gewachsenen Mobilität und der entspannten Parkplatzsituation. Der wichtigste und zugleich oft vernachlässigte Aspekt liegt darin, dass der ÖPNV nunmehr auch den ärmsten Menschen sowohl unter den Jungen und den Lohnabhängigen als auch besonders unter den Alten zur Verfügung steht.
Nirgends auf der Welt finanziert sich der öffentliche Verkehr allein über die Fahrscheine, sondern er muss stets subventioniert werden. In nahezu ganz Polen erfolgt dies zu mehr als 50 % über Steuermittel. Dies bedeutet, dass Schwarzfahrer, die wie Kriminelle behandelt und von der Polizei abgeführt werden, wenn sie nicht sofort das Bußgeld bezahlen, ihre Fahrt im Grunde schon bezahlt haben, nämlich über ihre Steuern. Und mittellose Schwarzfahrer werden nur deshalb wie Kriminelle behandelt, weil sie arm sind. Die Gesetze schützen nun mal die Automobilkonzerne und die Autofahrer und nicht die Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel. Falschparker haben immer zwei Wochen Zeit, ihr Bußgeld zu begleichen. Schwarzfahrer hingegen müssen das vergleichsweise deutlich höhere Bußgeld umgehend zahlen oder bekommen den Gerichtsvollzieher an den Hals.
Tallin 2012: Abstimmung über Nulltarif (Wikimedia) |
Seit der Einführung des Nulltarifs werden auch die Gerichte in Lubin spürbar entlastet. Dadurch spart der Landkreis etwa eine Million Złoty im Jahr, was wiederum der Finanzierung der jährlichen Gesamtkosten im ÖPNV von ca. 14 Millionen Złoty zugutekommt. Zum Vergleich lagen die Einnahmen durch den Fahrscheinverkauf früher bei jährlich 5 Millionen Złoty.
Sowohl in Lubin als auch in Żory fällt auf, dass alte Menschen, die bisher zu Hause dümpelten, seither wieder am öffentlichen Leben teilnehmen, in die Stadt fahren und dort Dinge erledigen, etwa einkaufen, die sie früher mangels Fahrgeld aufgeschoben hatten. Diese Tendenz wird von den Geschäftsleuten im Zentrum der Stadt bestätigt: Die Umsätze der Kinos, Geschäfte und Kneipen sind gestiegen, was wiederum Steuergelder in den Stadtsäckel spült. Oder sie suchen mal wieder ihre alten Laubenkolonien auf [eine Reminiszenz an die einstmals starke Arbeiterbewegung].
Vom 9. bis 12. Mai 2018 fand in der estnischen Hauptstadt Tallinn eine internationale Konferenz über den Nulltarif im Öffentlichen Verkehr statt. Bürgermeister, Staatspräsidenten und Aktivist*innen der ganzen Welt haben dort ihre Erfahrungen ausgetauscht, die sie mit dem Bürgerticket gemacht haben und welche Konsequenzen sich daraus ergeben haben. Als Initiatoren dieses Prozesses in Polen haben die Gewerkschafter*innen der unabhängigen Gewerkschaft „Sierpień 80“ an dieser Konferenz teilgenommen.
Gemeinsam mit Estland ist Polen ein Vorbild auf diesem Gebiet, dem sich andere Länder in Westeuropa hoffentlich bald anschließen. Was dennoch paradox in unserem Lande ist, ist die Schere, die diesbezüglich zwischen Stadt und Land klafft: Immer mehr Stadtverwaltungen führen den Nulltarif ein, während die ländlichen Regionen oftmals vom öffentlichen Verkehr komplett abgeschnitten sind. Insofern herrscht in Polen eine extreme Ungleichheit: einerseits Nulltarif für die Städter*innen, andererseits fehlende Anbindung an den Öffentlichen Transport für die Landbevölkerung, die dadurch zum Autofahren verdammt ist, wenn sie sich fortbewegen will.
Estland scheint noch einen Schritt weiter gehen zu wollen. Nachdem Tallinn als erste europäische Hauptstadt den Nulltarif für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt eingeführt hat, sollen nunmehr die Busse im gesamten Land kostenlos benutzt werden dürfen. Damit wäre es weltweite das erste Land, in dem der öffentliche Nahverkehr vom Dorf auf dem Land bis hin zur Hauptstadt ein Bürgerrecht und keine Ware mehr ist.
In einem Interview am Rande der o. g. Konferenz erklärte Allan Alaküla aus Tallinn: „Der Wirtschaftsminister und der Infrastrukturminister haben versprochen, dass für alle Bürger*innen ab dem 1. Juli 2018 der Nulltarif eingeführt wird.“ [Tatsächlich ist seit diesem Stichtag das Busfahren in 11 von 15 Regionen des Landes gratis. AdÜ] Bis dato gilt dies nur für Tallinn und die dort steuerpflichtigen Bewohner*innen. Seit diese Regelung am 1. Januar 2013 eingeführt worden ist, ist die Zahl der Nutzer nach oben gegangen, während der Autoverkehr abgenommen hat.
Wenn sie auf das Thema Nulltarif in Tallinn zu sprechen kamen, argumentierten viele Neoliberale, dass der öffentliche Fuhrpark dort ja veraltet und heruntergekommen sei. Dabei hat das Eine mit dem Anderen gar nichts zu tun, denn alt waren die Busse auch schon, als die Fahrscheine noch kostenpflichtig waren. Es ging denen ausschließlich darum, das Bürgerticket zu diskreditieren, und mittlerweile sind sie auch verstummt. Denn in der Welthauptstadt des kostenlosen Nahverkehrs – so die Eigenwerbung – sind die Straßenbahnen nahezu komplett erneuert worden und teilweise auch die Busse und Oberleitungsbusse, die teils aus Polen importiert wurden. Auch die Züge, die ja im Raum Tallinn ebenfalls kostenlos benutzt werden können, sind zwischenzeitlich durch neue ersetzt worden, mit dem erstaunlichen Resultat, dass sich die Zahl der Passagiere verachtfacht hat. Zugleich ist das Streckennetz in Tallinn ausgebaut worden und reicht jetzt auch in Stadtviertel und Vororte, die zuvor nicht angeschlossen waren. Modernisierung und Nulltarif schließen einander also nicht aus, sondern das Gegenteil ist wahr, wenn man sich die Städte betrachtet, wo das Bürgerticket gilt.
Tallinn ist nicht nur zum Vorreiter dieser Entwicklung geworden, sondern rührt auch seit Jahren die Propagandatrommel dafür. Ein Effekt davon ist, dass die Stadt von sich reden macht, was auch nebenbei den Tourismus befördert. Man kommt nicht umhin, der Stadt und auch dem gesamten Land für diese Vorreiterrolle zu gratulieren, die wegweisend für alle Länder ist.
In der nordfranzösischen Großstadt Dunkerque (200 000 Einwohner) ist der öffentliche Nahverkehr seit dem 1. September 2018 kostenlos, nachdem die Maßnahme zuvor in einem Pilotprojekt drei Jahre lang an den Wochenenden getestet worden war. Die Ergebnisse davon waren mehr als überzeugend. [Wurden 2015 noch zwei Drittel aller Fahrten im Nahbereich mit dem Auto zurückgelegt und nur 5 % mit dem Bus (mit dem Fahrrad gar bloß 1 %), so hat sich der Autoverkehr drastisch reduziert. Durch 17 Linien ist die ganze Stadt eingebunden, fünf davon verkehren gar im Zehnminutentakt und sind in weniger als 300 Meter Entfernung für 80 % der Einwohner erreichbar. In der Folge ist die Mobilität besonders der älteren Bewohner gestiegen. Wie bei den oben geschilderten Erfahrungen in Polen ist auch hier die Teilnahme am öffentlichen Leben gewachsen.
Die Umsetzung dieses Projekts finanziert sich quasi von selbst. Während früher nur 10 % der Unterhalts- und Betriebskosten durch den Fahrscheinverkauf abgedeckt worden waren, wird dieser Betrag von 4,5 Millionen Euro im Jahr durch den entfallenen Verwaltungs- und Kontrollaufwand kompensiert – eine Erfahrung, die in ähnlicher Größenordnung auch für andere Städte (Aubagne oder Niort) gilt, die auf den Nulltarif umgestellt haben. Dunkerque ist damit zur größten Stadt Europas geworden, in der der Nulltarif eingeführt worden ist. Anfang September fand dort auch eine Messe statt, zu der die Stadtverwaltung Vertreter aller Städte Frankreichs und Europas eingeladen hatte (zudem die Fachwelt und alle Interessierten), in denen der Nulltarif umgesetzt worden ist, mit dem Ziel, die jeweiligen Erfahrungen auszutauschen. AdÜ].
In der baden-württembergischen Universitätsstadt Tübingen (90 000 Einwohner) wurde Anfang des Jahres der Nulltarif in den städtischen Bussen am Samstag eingeführt, [da ein zentrales Parkhaus in der Innenstadt über 20 Monate hinweg saniert werden muss]. Die Stadtverwaltung hat daneben [als bundesweit einzige Kommune] ein Konzept erstellt, wie diese Maßnahme auf die übrigen Zeiten ausgedehnt werden könnte. [Dafür müssten Fahrgeldeinnahmen von rund 9 Millionen Euro pro Jahr ersetzt und zusätzliche Kosten von etwa 6 Millionen Euro gestemmt werden, In Tübingen würden derzeit schon etwa 20 Millionen Fahrgäste pro Jahr im ÖPNV transportiert, was durch die Einführung des Nulltarifs um ein Drittel gesteigert werden kann. Momentan profitieren nur sehr wenige Einwohner davon, weil die meisten bereits über Zeitkarten verfügen. AdÜ].
Die kleine (23 500 Einwohner) schwedische Industriestadt Avesta hat bereits 2012 den öffentlichen Nahverkehr unentgeltlich gemacht. Während bis dahin die Einwohnerzahl geschrumpft war, ist sie seither um 2000 gewachsen – eine gewichtige Trendumkehr. Wie in den oben zitierten Beispielen hat auch hier die Zahl der Nutzer zugenommen, und zwar um ganze 400%. Zugleich ist der Autoverkehr rückläufig und die Zahl der Fußgänger wächst. Das interessanteste Phänomen jedoch ist die Kostenentwicklung. Früher mussten 23,6 Millionen Kronen aus dem Stadtsäckel zugeschossen werden und dieser Betrag hätte sich sogar auf 31,8 Millionen erhöht, wenn ausschließlich Kinder und Schüler*innen ein kostenloses Ticket erhalten hätten. Durch die Entscheidung für einen Nulltarif für alle liegt der Zuschuss heute mit 23,7 Millionen Kronen nur 0,4 % über dem Stand von vor sechs (!) Jahren.
Die kleine Stadt Lugoj (38 000) war die erste in Rumänien, die 2013 den kostenlosen ÖPNV eingeführt hat. Seither ziehen andere Städte im Lande nach und die Zahl wächst beständig und sei es auch, dass der Nulltarif nur eingeschränkt gilt. Bei den Kommunalwahlen 2016 in der 2,5 Millionen zählenden Hauptstadt Bukarest siegte die Kandidatin Gabriela Firea. Ihr zentraler Wahlkampfslogan war die Einführung des Nulltarifs im ÖPNV. [Seither ist dieses Projekt in dieser im Verkehrschaos erstickenden Stadt über die geplante Einführung von Schulbussen allerdings nicht hinausgekommen. AdÜ]. Auch in anderen Städten wie Vilnius (Litauen), Bratislava (Slowakei) oder Sofia (Bulgarien) gibt es starke Bewegungen für einen kostenlosen Nahverkehr, die auch Eingang in die offizielle Politik finden.
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Auch außerhalb Europas finden sich Beispiele dafür, dass die Idee des kostenlosen ÖPNV angesichts der drohenden Klimakatastrophe Schule macht. In der im Feinstaub erstickenden chinesischen Metropole Chengdu dürfen die Bewohner zu den Hauptverkehrszeiten die öffentlichen Verkehrsmittel gratis nutzen. In Brasilien ist der Nulltarif bereits in 12 Städten gültig, darunter Maricá, das immerhin 153 000 Einwohner zählt. Entscheidend dazu beigetragen hat die im ganzen Land aktive Protestbewegung gegen die zunehmend höheren Fahrpreise im ÖPNV und für einen kostenlosen Nahverkehr.
In Zeiten, in denen öffentliche Dienstleistungen zunehmend zu Waren degradiert und privatisiert werden, ist dies eine ermutigende Tendenz.
Łukasz Ługowski ist Mitglied der unabhängigen Gewerkschaft „Sierpień 80“ („August 80“) und einer der Initiatoren der Bewegung für den Nulltarif. |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 6/2018 (November/Dezember 2018). | Startseite | Impressum | Datenschutz