Einleitung zum Resolutionsentwurf „Die Pandemie als Teil der multiplen Krise verstehen“
Der Resolutionsentwurf der OG Main-Wiesbaden trägt den Titel „Die Pandemie als Teil der multiplen Krise verstehen“ und er endet mit den Worten „Ökosozialismus oder Barbarei“.
Worauf die OG Mainz-Wiesbaden hinauswill, ist die Feststellung, dass die Systemkrise des Kapitalismus an eine Epochenschwelle herangeführt hat, die nur noch eine Alternative übriglässt: die Entscheidung, mit dem Kapitalismus in „Barbarei“ zu versinken, oder aber politisch den Übergang zum Ökosozialismus anzubahnen.
Abgesehen einmal von dem offensichtlichen Sachverhalt, dass wir formulatorisch an Rosa Luxemburg anknüpfen, gehen wir einen Schritt tiefer zu der von Marx vorgearbeiteten These zurück, dass der Mensch als Teil der Naturgeschichte dieselbe in einer Katastrophe enden lassen kann, wenn er seine Verhältnisse nicht rational ordnet und die kapitalistische Produktionsweise als systematische Entfremdung von seiner Produktion, seinen Produkten, seiner Gattung und der Natur nicht überwindet.
Marx hat einmal gesagt, dass eine „Epoche der sozialen Revolution“ dann eintritt, wenn die Produktionsverhältnisse zu Fesseln der Entwicklung der Produktivkräfte würden. Die kapitalistische Produktionsweise hat diesen Widerspruch auf die Spitze getrieben. Zu ihren Zwecken richtet sie die Entwicklung der Produktivkräfte gegen den Menschen und die Natur. Der Kapitalismus zieht somit die Entwicklung der Produktivkräfte in seine „Fäulnis“ (Lenin) hinein.
Die Epochenschwelle, vor die uns der Kapitalismus geführt hat, ist das Ergebnis der „Fäulnis“ des Kapitalismus, dem es nicht gelingt, die materiellen und menschlichen Produktivkräfte widerspruchsfrei und fruchtbar miteinander in Verbindung zu bringen.
Dies ist der Kern der Krise des Kapitalismus. Dieser Sachverhalt tritt uns jetzt in deutlicher und dramatischer Form vor Augen.
Wenn wir von der jetzigen multiplen Krise des Kapitalismus sprechen, dann vergessen wir nicht, dass ihr als ihr Kern der antagonistische Widerspruch zwischen den kapitalistischen Produktionsverhältnissen und den Produktivkräften zugrunde liegt. Ökonomische Krise, ökologische Krise und die durch Pandemie sich zeigende Gesundheitskrise ergeben ein Ganzes, das daraus resultiert, dass die kapitalistische Produktionsweise durch den genannten antagonistischen Widerspruch geprägt ist.
Als „automatisches Subjekt“ führt das Kapital zu zyklischen ökonomischen Krisen, lässt die Belange von Mensch und Natur außen vor, bedingt also die ökologische Krise und die sich anbahnende Klimakatastrophe und ist auch der Grund für die Pandemien, die zukünftig wahrscheinlich vermehrt auftreten werden.
Das Horrible der Situation, in die der Kapitalismus hineingeführt hat, wird deutlich, wenn man sich klarmacht, dass alle Probleme mit der Corona-Pandemie geradezu Peanuts sein werden, wenn – bedingt durch die klimatischen Veränderungen – z. B. das Wasser über die Deiche läuft und die norddeutsche Tiefebene absäuft.
Das Problem ist die kapitalistische Produktionsweise und wie der Übergang zum Sozialismus – Ökosozialismus – in die Wege geleitet werden kann. Zu diesem Zweck sollten wir – statt uns strategisch allzu sehr auf die Pandemie zu verengen – in der Tradition Trotzkis die Entwicklung eines Übergangsprogramms in den Blick nehmen. Gerade die jetzige Situation macht deutlich, wie wichtig und unumgänglich das ist.
Es geht darum, die berechtigten Interessen der arbeitenden Bevölkerung aufzugreifen und zu radikalisieren, um sie gegen den Kapitalismus ins Feld zu führen. Es geht zum Beispiel darum, das Bedürfnis nach Gesundheit in die Forderung nach Vergesellschaftung des gesamten Gesundheitswesens einschließlich der Pharma- und Bioindustrie umzusetzen. Es geht darum, zu diesem Zweck die Selbstorganisation der Beschäftigten zu stärken und zu unterstützen, damit sie in der Lage sind, alle Bereiche des Gesundheitswesens ihrer Kontrolle zu unterstellen. Es geht u.a. darum, das Bedürfnis nach Bildung, nach den eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten als Selbstzweck, zur Forderung nach der Vergesellschaftung des Bildungswesens fortzuführen, um es Schritt für Schritt aus dem Klammergriff der staatlichen Oderaufsicht herauszulösen usw. usf.
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Kurz und knapp: Es geht bei allen Forderungen des Übergangsprogramms darum, an den Lebensinteressen der arbeitenden Menschen anzusetzen, um sie zu radikalisieren und auf das letztliche Ziel hinzuführen: auf die – wie sich Lenin ausdrückt – „Zerschlagung“ des bürgerlichen Staates, um auf diese Weise zu einer Aufhebung des Staates überhaupt zu gelangen.
Der Weg eines Übergangsprogramms ist die Vergesellschaftung und nicht die Verstaatlichung. Und nur durch die Aktivität der Beschäftigten, ohne die es keine Vergesellschaftung geben kann, wird es möglich sein, die „Barbarei“ zu verhindern.
Deshalb endet unser Entwurf mit der Devise: Ökosozialismus oder Barbarei.
Wir plädieren für eine grundsätzliche Debatte, was unter der Systemkrise des Kapitalismus heute genau zu verstehen sei.
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 3/2021 (Mai/Juni 2021) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz