Die Linkspartei ist Siegerin der Regierungskrise. Aber die neuen Sozis zu werden, ist nicht der richtige Weg. Sie muss sich weiter trauen, für linke Politik einzustehen.
Redaktion „Internationalen“
Die Regierung ist gestürzt und wieder eingesetzt worden. Punkt 44 zur Freigabe der Mietbindung im Neubau wurde gestrichen und das Januarabkommen verschrottet. [1] Der Kampf gegen Marktmieten hat einen wichtigen Sieg errungen und damit auch die Linkspartei. Die so genannte Regierungskrise ist vorbei, auch wenn ein stürmischer politischer Herbst erwartet wird. Der Reichstag macht Urlaub, ebenso wie die politischen Kommentator*innen der großen Mediengiganten. Gleichzeitig legt die Mietenkommission einen weiteren Angriff gegen die Mieter*innen vor.
Nooshi Dadgostar Nach der Wahl des Ministerpräsidenten. |
Die Vorsitzende der Linkspartei, Nooshi Dadgostar, sagt im Interview mit Svenska Dagbladet (9.7.), dass sie kompromissbereit und Politik das Wichtigste sei. Sie beruft sich sogar auf Tage Erlander [2] als „(…) einen großen Impulsgeber (…) Ihm gelang es auch, sehr große Reformen umzusetzen, die das Fundament unseres Wohlfahrtsstaates sind“.
Aber was ist denn Politik? Geht es um Kompromissbereitschaft in Regierung und Reichstag? Ist es ein politisches Schachspiel, das von den gewöhnlichen Menschen und unserem Alltag losgelöst ist, wie es oft klingt, wenn wir den politischen Kommentator*innen zuhören? Waren es die Sozialdemokrat*innen und Tage Erlander, die unseren Sozialstaat geschaffen haben?
Oder waren es nicht umgekehrt die Volksbewegungen, der Druck von unten, die aus gemeinsamen Interessen heraus Forderungen stellten, die die Politik nach links drängten, diese Reformen zu schaffen und diesen in unserer Erinnerung so glänzenden Wohlfahrtsstaat? Wäre das Wahlrecht eingeführt worden ohne die Hungersnöte, die sich im Land ausbreiteten, ohne die russische und deutsche Revolution im Hintergrund, die die Rechte vor Schlimmerem erzittern ließ? Kamen die Sozialreformen der 1970er Jahre von den Sozialdemokraten oder war es umgekehrt, dass die linke Welle und die wilden Streiks unter Bergleuten und Putzfrauen die "Politik" nach links zwangen?
Als die Linkspartei den Kampf gegen die Marktmieten klar und konkret aufnahm, kamen in den letzten Wochen 4000 neue Mitglieder hinzu. Das Vertrauen in Nooshi Dagdgostar ist deutlich gewachsen. Die Zustimmung für die Linkspartei hat in Meinungsumfragen deutlich zugenommen, nicht zuletzt unter Arbeiter*innen. Das ist gut. Es ist gut, eine klare Linkspolitik für Sachfragen und Reformen gegen Marktexperimente und für mehr Wohlfahrt zu verfolgen. Weiter so.
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Es ist auch völlig richtig, darauf hinzuweisen, dass die Linkspartei Themen verfolgt, die eigentlich die Sozialdemokratie verfolgen sollte. Aber jeder Versuch, eine neue Sozialdemokratie zu werden, wo parlamentarische Regierungsfähigkeit und Reformen innerhalb des jetzigen Systems dominieren, droht zum Problem zu werden.
Anstatt die Politik durch Volksbewegungen und in den Betrieben nach links zu drängen, riskiert die Linkspartei als neue Sozialdemokratie, der alten Sozialdemokratie und der Zentrumspartei nach rechts zu folgen. Politik geschieht nicht allein und nicht einmal in erster Linie im Parlament. Politik findet auf Straßen und Plätzen, an Arbeitsplätzen, in Gewerkschaften und Bewegungen statt. Die Politik macht keine Pause, wenn der Reichstag schließt, sondern geht ständig weiter. Der Kampf gegen die Marktmieten ist nicht zu Ende, sondern hat gerade erst begonnen.
16. Juli 2021 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 4/2021 (Juli/August 2021) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz