Nach dem Misstrauensantrag [1] gegen die rot-grüne Regierung fordert „Socialistisk Politik“ dazu auf, den Kampf gegen die geplante Freigabe der Mieten fortzusetzen.
„Es gibt keinen Vorschlag für Marktmieten und außerdem werden sie nur im Neubau eingeführt.“ Der Versuch der sozialdemokratisch-grünen Regierung, sich aus der von ihr selbst beauftragten Untersuchung [2] herauszureden, erregt Spott - und Wut. Die Untersuchung zur freien Mietpreisbildung in der Neuproduktion öffnet die Schleusen für Marktmieten im gesamten Bestand, woran kein Zweifel besteht, sowohl bei der Centerpartiet, die sich darüber freut, als auch beim Mieter*innenbund (Hyresgästföreningen) und bei den eigenen Leuten der Sozialdemokratie, die sich gegen künftige Mietschocks wenden. Das Verbot kollektiver Mietverhandlungen im Neubau durch die Untersuchung ist auch ein Todesstoß für eine der wichtigsten Volksbewegungen Schwedens, die Mieter*innenbewegung.
Nein zu Marktmieten Foto: Socialisterna |
Marktmieten und Klassenpolitik sind plötzlich zu einem großen Thema in der politischen Debatte geworden, da die Vänsterpartiet (Linkspartei) ihr Versprechen gehalten hat, ihre Unterstützung für die Regierung zurückzuziehen, wenn sie die Gesetzesinitiative vorantreibt. Sie ist nun einem Hasssturm von sozialdemokratischer und liberaler Seite ausgesetzt, weil sie „verantwortungslos“ sei und eine Regierungskrise auslöse. Das ist grundfalsch. Die Verantwortung liegt ganz bei der Regierung Löfven und den Januar-Parteien [3], die mit der Vorbereitung des rechten Entwurfs direkt gegen die eigenen Wähler vorgehen. Auch die Sozialdemokrat*innen widersetzten sich der Politik, gegen die sie selbst zur Wahl gingen. [4] Die Regierung stürzt sich selbst, wenn sie die Loyalität mit den Bürgerlichen höher stellt als die mit den Mieter*innen - großen Teilen der schwedischen Arbeiter*innenklasse.
In der Parlamentskrise kreuzen sich nun Angebote und Vorschläge. Viele fürchten zu Recht eine Rechtsregierung mit Unterstützung den (rechtspopulistischen) Sverigedemokraterna. Andere warnen vor langwierigen Regierungsverhandlungen inmitten einer schwierigen Zeit.
Sollten Nachwahlen [5] ausgeschrieben werden, bräuchte die Linke jedoch nichts zu befürchten, im Gegenteil. Die Linkspartei könnte dann zur Wahl auf einer radikalen Plattform für soziale Gleichheit gegen Marktmieten antreten - aber auch zur Verteidigung von Gewerkschaftsrechten, Gemeinwohl gegen Profitgier und einer Klimasanierung Schwedens. Das würde den Wahlkampf zu einer Klassenwahl zwischen Gerechtigkeit und sozialer Gleichheit auf der einen Seite und den Interessen der Reichen und Rassismus auf der anderen machen. Alle – Parteien, Politiker*innen und Wähler*innen – wären gezwungen, die Frage zu beantworten: Auf welcher Seite stehst Du? Mieter*innen oder Grundeigentümer*innen? Beschäftigte oder Unternehmer*innen? Arbeit oder Kapital?
Gerade jetzt stehen Verhandlungen und Ränkespiele im Reichstag im Mittelpunkt der Medien. Das Risiko besteht darin, dass der Fokus von den Sachthemen auf allgemeinere Fragen wie „Was ist das Beste für Schweden“ und „Regierungsfähigkeit“ verlagert wird.
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Daher ist dies das Wichtigste, was die verschiedenen Volksbewegungen tun können. Nicht zuletzt, wenn es darum geht, die sozialdemokratische Basis und Wähler*innen für die brennenden Themen der Arbeiterklasse zu gewinnen – ohne sie zum Austritt aus ihrer Partei aufzufordern. Gewerkschaften, die den Beschäftigungsschutz verteidigen wollen, Mieter*innen, die gegen Marktmieten sind, Umweltorganisationen, Wohlfahrtsschützer*innen, alle, die sich auf unterschiedliche Weise für die Lebensbedingungen von Arbeiter*innen und Geringverdienenden einsetzen, werden eine entscheidende Rolle bei der Abwehr der Rechten sowohl im Alltag als auch bei zukünftigen Wahlen spielen. Die Unterstützung dieser Bewegungen ist daher genauso wichtig wie Wahlkämpfe und andere Parteiarbeit.
Was den Angriff auf die soziale Gleichheit jetzt stoppen kann, ist, dass die landesweit protestierende Bewegung gegen Marktmieten so stark wird, dass es der sozialdemokratischen Führung und den Bürgerlichen unmöglich wird, den Systemwechsel durchzusetzen. Dies bannt zugleich die Gefahr, dass dem Widerstand durch Kompromisse der Leitungen hinter verschlossenen Türen der Rücken gebrochen wird.
Sozialist*innen, Arbeiter*innenbewegung, Aktivist*innen und Mieter*innen im ganzen Land werden das nicht zulassen.
Socialistisk Politik, 18. Juni 2021 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 4/2021 (Juli/August 2021) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz