Kuba

Zum Charakter der kubanischen Revolution

Ein Auszug aus „Revolution ohne Grenzen. Die Theorie der permanenten Revolution“ Frankfurt (isp-Verlag) 1987, S. 138–143

Michael Löwy

Worin lag die gesellschaftliche und politische Dynamik des kubanischen Kampfes, der ihn dazu führte, sich zu einer sozialistischen Revolution zu entwickeln? Man sollte sich daran erinnern, daß das Programm der M-26-7 während der Periode von 1953, wie es in Fidels Die Geschichte wird mich freisprechen (1954) niedergelegt ist, und die verschiedenen von der Sierra Maestra aus verkündeten Dokumente kaum radikaler waren als zum Beispiel die Plattform von Jacobo Arbenz in Guatemala im Jahre 1954. Was tatsächlich M-26-7 unterschied und ihr revolutionäres Potential andeutete, war ihre Kampfmethode, der ländliche Guerillakrieg nämlich, der von einem illegalen städtischen Widerstandsnetz unterstützt wurde. 1959 war es nach zwei Jahren revolutionärer Kriegsführung gelungen, die Hauptstützen des kubanischen Staates – vor allem seine Unterdrückungsorgane – zu zerstören. Man muß hervorheben, dass die Guerillakolonnen nur den ersten Akt der kubanischen Revolution ausmachten; ihre Errungenschaften waren jedoch entscheidend, denn sie bereiteten den Weg zu einem Prozeß ununterbrochener revolutionärer Mobilisierung und Umwandlung vor. Nicht nur bei Che, der persönlich Zeuge des Verrats der guatemaltekischen Armee gegenüber dem Volk im Jahre 1954 gewesen war, sondern auch bei Fidel setzt sich ganz und gar die Erkenntnis durch, daß es notwendig sei, den Unterdrückungsapparat des bürgerlichen Staates völlig wegzufegen. In der Sierra Maestra polemisierte Fidel gegen bürgerliche Oppositionsgruppen, die den Vorschlag machten, Teile der bewaffneten Kräfte Batista abspenstig zu machen und gegen ihn einzusetzen.  [1] Am Vorabend des Siegs vom Dezember 1958 wies er hartnäckig einen Annäherungsversuch zurück, man solle die Macht mit einigen dem Diktator feindlich gesinnten führenden Stabsoffizieren teilen; und als nach Batistas Flucht in die Dominikanische Republik eine Militärjunta die Macht mit dem Ziel übernahm, über Konzessionen mit der Rebellenarmee zu verhandeln, rief Fidel zum Generalstreik auf. Die politische Liquidierung des Zwangsapparats des bürgerlichen Staats, der bald die Auflösung weiterer politischer Einrichtungen des Batistaregimes folgten, war die konkrete materielle Vorbedingung für die sehr schnelle Entwicklung und Vertiefung der Revolution in den nächsten zwei Jahren. Ein sozialdemokratischer Historiker der kubanischen Revolution stellte erstaunt einige Jahre später fest: „Der Zug hatte keine Bremsen.“ [2] Tatsächlich waren die gutgeölten und stets erprobten Bremsen, die alle vorangegangenen revolutionären Prozesse des Volkes in Lateinamerika gestoppt hatten – die bewaffneten Kräfte – in Kuba im Januar 1959 vernichtet worden. In seiner ersten „marxistischen“ Rede (Dezember 1961) kam Fidel auf diese entscheidende Frage und ihre historische Bedeutung zurück: „Was haben Reaktion und Imperialismus stets getan? Was suchen sie bei jeder Krise zu erhalten? In der Geschichte Lateinamerikas gibt es viele Beispiele: Sie versuchen um jeden Preis den Militärapparat des Systems beizubehalten. Letzten Endes ist es dem Imperialismus oder den herrschenden Klassen ziemlich gleichgültig, wer Präsident, Parlamentsmitglied oder Senator ist … Wenn es wie am 1. Januar 1959 in Kuba eine krisenhafte Situation gibt, ist entscheidend, ob das Volk zu den Waffen greift oder ob der Militärapparat intakt bleibt, daß alle Waffen in seiner Hand sind und das Volk unbewaffnet ist … Das erste, was eine Revolution tun muß, ist die Zerstörung des Militärapparates des alten Regime und das Ergreifen der Waffen. Das ist natürlich nicht die einzig notwendige Vorbedingung für eine Revolution, aber sie ist unentbehrlich.“ [3]

Die eigentliche Bedeutung der Zerstörung der Staatsmaschine konnte in Kuba nicht sofort wahrgenommen werden, denn zwischen der legalen Macht einer Koalitionsregierung, die eine Reihe von gemäßigten bürgerlichen Anti-Batista-Notabeln (z.B. Präsident Urrutia, Minister Agramonte usw.) einschloß und der wirklichen Macht, die bei der unter einem radikalen „jakobinischen“ Kommando stehenden Rebellenarmee lag, existierte sechs oder sieben Monate lang eine Art von „Doppelherrschaft“. Diese Situation war, wie Fidel später erkläre, weniger Resultat einer diplomatischen List seitens der Guerillaführung als ihrer damaligen politischen Illusionen. Diese unsichere Koalition und die zweideutigen Machtverhältnisse brachen jedoch schnell zusammen, als die „wirkliche Macht“ begann, den gemäßigten Ministern die ersten revolutionär-demokratischen Reformen aufzudrängen. Eine der ersten wichtigen Maßnahmen des neuen Regime, nachdem Fidel den proamerikanischen Ersten Minister José Miro Cardona im Februar 1959 ausgewechselt hatte, bestand im Aufbau einer „Behörde zur Rückgewinnung unterschlagenen Eigentums“, die mit der Enteignung des Besitzes von Batista, seiner Freunde und seiner Mitarbeiter beauftragt war. Das weitere kann man mit der Konfiszierung des Eigentums der „Verräter“ durch die Jugoslawen 1945 vergleichen: Die Kubaner nationalisierten schnellstens 2000 Firmen und transferierten mehr als 500 Millionen Dollar in den Staatssektor. Da die kubanische Bourgeoisie Komplize bei der Ausplünderung des Landes gewesen war, schwebte die Rückgewinnungsbehörde wie ein Damoklesschwert über ihnen. Ihre Befürchtungen wuchsen noch mehr am 6. März, als die Regierung eine drastische Senkung der Pachten um 30 bis 50 Prozent anordnete. Wie J. P. Morray schrieb: „Das war ein Schock für die Wohlhabenden, von denen viele ihr Geld in Grundbesitz angelegt hatten. Für sie lief das auf eine Enteignung ohne Entschädigung hinaus – ein schlechtes Zeichen.“ [4] Die Bourgeoisie reagierte darauf durch einen Wirtschaftsboykott, indem sie keine Investitionen mehr machte, Arbeiter entließ und sich in steigendem Maße nach Miami davonmachte, wobei sie mit so viel Geld und Wertgegenständen wie möglich heimlich ausrückte. Diese Flucht der kubanischen Mittelklassen setzt sich durch die Mitte der 60er Jahre hindurch fort und veranlaßte die Regierung, wie wir sehen werden, „Interventoren“ zu ernennen, die die Leitung der verlassenen oder paralysierten Unternehmen übernehmen.

An diesem entscheidenden Wendepunkt um März-April 1959 gingen die Führer der Revolutionen im allgemeinen pragmatisch ohne klar definierte sozialistische Perspektive vor. Die wichtigste Ausnahme war Che Guevara, der marxistische Erfahrungen hatte und bereits unterstrich, daß es eine „ständige Entwicklung der Revolution“ geben müsse, bis das „diktatorische Gesellschaftssystem und seine ökonomischen Grundlagen“ beseitigt wären. [5] Das revolutionäre Dekret, das schließlich die trügerische Einheit von Regierung und M-26-7 zerfallen und die bürgerlichen und die sozialistischen Strömungen in ihrer Gegensätzlichkeit hervortreten ließ´, war die kühne Agrarreform. Diese endgültige Maßnahme „ließen die schlimmsten Befürchtungen der Großgrundbesitzer wahr werden“. „Die Enteignung ihres Bodenbesitzes über 30 Caballerias (9,99 Hektar) wurde als ‚schlimmer als Kommunismus‘ verurteilt, denn das Programm der Partido Socialista Popular [d. i. die kubanische KP] von 1956 sah vor, daß Zuckerplantagen jeder Größe, wie groß sie auch immer waren, von der Enteignung ausgeschlossen waren, wenn sie gut bewirtschaftet wurden … Die für diese Enteignungen versprochenen Entschädigung wurde von den Großgrundbesitzern voll Verachtung angesehen: Bonds der revolutionären Regierung, rückzahlbar in 20 Jahren bei 4,5 Prozent Zinsen. Welcher Geldanleger würde dann bereit sein, sie auch nur zu einem Bruchteil ihres Nominalwerts zu erwerben?“ [6] Weiterhin war die Agrarreform gleichzeitig ein schwerer Schlag gegen den Imperialismus, denn 40 Prozent der besten Zuckerböden gehörten amerikanischen Gesellschaften, einschließlich der berüchtigten United Fruit. Gegen heftigen Widerstand landwirtschaftlicher Betriebe und Großgrundbesitzer begannen die ehemaligen Guerillaführer, die das Kommando der INRA (Nationalinstitut für Agrarreform) übernommen hatten, die Reform in einer viel kämpferischeren Weise durchzuführen, wobei sie sich auf die Mobilisierung der Bauern und Plantagenarbeiter stützten. Wie ein feindseliger Beobachter bemerkte, untergrub dieser Aufstand der ländlichen Armen „das Vertrauen in das Gesetzt und gesetzliche Sicherheit.“ [7] Ihrerseits errichteten die Zuckerpflanzer, die städtische Bourgeoisie und die Yankee-Gesellschaften – die alle durch ihr gemeinsames Interesse an der Ausbeutung des flachen Landes verbunden waren – eine Einheitsfront gegen die Reform. Mit offener Unterstützung der Eisenhower-Administration schlossen sich der rechte Flügel der Regierung (Urrutia, Agramonte usw.) und der rechte Flügel der M-26-7 zusammen und griffen Castro wegen seiner „kommunistischen Sympathien“ an. Einige Monate später (im November 1959) wurde der letzte „Gemäßigte“ aus der Macht entfernt, als Felipe Pazos den Vorsitz der Nationalbank an Che übergab. Gleichzeitig wurde der Arbeitsminister ermächtigt, in allen Unternehmen zu intervenieren und ihre Kontrolle zu übernehmen, deren Leitung „nicht zufriedenstellend“ war. Damit „machte die Kontrolle des Staates und das Fehlen eines gesetzlichen Schutzes das normale Funktionieren des privaten Sektors und der Marktwirtschaft faktisch unmöglich.“ [8]

Als die Rebellenarmee im Januar 1959 in Havanna einrückte, gab es noch Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, und Fidels Besuch in den Vereinigten Staaten im April 1959 war Ausdruck einer gemäßigten und versöhnlichen Haltung. Aber das immer aggressivere Auftreten der amerikanischen Regierung, vor allem nach dem Beginn der Agrarreform, führte zu einer entscheidenden Kraftprobe. Die von den USA zuerst angewandte Waffe war Kubas Abhängigkeit von den amerikanischen Märkten, und am 16. Januar 1960 drohte Vizepräsident Nixon an, Kubas Zuckerquote wegen der angeblich „unzulänglichen Entschädigung amerikanischer Plantageninteressen zu senken. Elf Tage später bat Präsident Eisenhower den Kongreß, ihn zu ermächtigen, die Quote herabzusetzen, während Anfang Februar die UdSSR der Revolution durch das Versprechen, jährlich eine Million tonnen Zucker zu kaufen, zu Hilfe kam.

Die entscheidende antiimperialistische Wendung der Revolution wurde jedoch durch die Weigerung der kubanischen Tochtergesellschaften der amerikanischen Ölfirmen im Juni 1960 ausgelöst, das von der UdSSR zu einem billigeren Preise gekaufte Rohöl zu raffinieren. Die revolutionäre Regierung beantwortete die Herausforderung der Ölgesellschaften, indem sie die Raffinerien unter die Kontrolle von „Interventoren“ stellte. Dieser Schritt beschleunigte den unvermeidlichen Zusammenstoß zwischen der Revolution und der ganzen Macht des amerikanischen Imperialismus. Am 5. Juli 1960 stellte Washington die Einfuhr kubanischen Zuckers ein, am nächsten Tag ermächtigte die kubanische Regierung den Ministerpräsidenten, die Guthaben und den Lagerbestand des US-Kapitals zu enteignen. Die erste massive Nationalisierung fand einen Monat später statt, als die Versorgungsbetriebe, die Telefongesellschaft, die Ölraffinerien und die sechsunddreißig Zuckerfabriken vom kubanischen Volk wieder in Besitz genommen wurden. In einer Rede an den Ersten Lateinamerikanischen Jugendkongreß, wo er diese radikalen Maßnahmen ankündigte, erklärte Fidel auch, daß die Regierung zur Verteidigung der Revolution im Begriff war, eine Arbeiter- und Bauernmiliz zu organisieren. Dies war ein entscheidender und unwiderruflicher Schritt zum Aufbau eines neuen Staatsapparats mit einer radikalen Klassenzusammensetzung und politischen Rolle. Ironischerweise hatte die PSP gerade ein paar Tage bevor dem amerikanischen Imperialismus dieser Schlag versetzt wurde, ein Dokument mit dem Titel Trotzkismus: Agenten des Imperialismus“ veröffentlicht, in dem es hieß: „Die trotzkistischen Provokateure lügen, wenn sie behaupten, ‚das kubanische Volk eigne sich den Besitz der Imperialisten und ihrer nationalen Verbündeten an‘. Das sagen ja gerade AP, UPI und die anderen imperialistischen Sprachrohre jeden Tag. Aber es ist nicht wahr. Die revolutionäre Regierung hat sich die nordamerikanischen Besitztümer nicht angeeignet; nur dort, wo die kubanischen Gesetze – wie seitens der Ölgesellschaften – verletzt worden sind, hat sie eingegriffen, um die Produktion aufrechtzuerhalten und die Wirtschaftssabotage der Revolution zu verhindern.“ [9]

Die Konfrontation mit den Vereinigten Staaten verwandelte die Unsicherheit der kubanischen Bourgeoisie in Panik und die „Einbahn“flüge nach Florida wurden immer häufiger. Die Regierung ihrerseits „intervenierte“ zunehmend in stellgelegten oder aufgegebenen Betrieben, wobei ehemalige Guerillakader sich mit der breiten Masse der Arbeiter zusammentaten, um die Produktion wieder in Gang zu bringen. Diese de-facto-Nationalisierungen, zusammen mit der offiziellen Enteignung „unterschlagenen Eigentums“, gaben der Revolution in wachsendem Maße einen objektiv antikapitalistischen Charakter. Obwohl sozialistische Ziele bis dahin noch nicht ausdrücklich verkündet wurden, unterstrich Che die Unvereinbarkeit eines freien Unternehmertums mit der „revolutionären Entwicklung“ der Wirtschaft. [10] Am 2. September übermittelte die „Erklärung von Havanna“ die programmatische Botschaft der kubanischen Revolution den Völkern Lateinamerikas, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen verurteilt wurde. Obwohl noch breite Sektoren privaten Eigentums übrigblieben (de jure zumindest), hatte die Revolution zweifellos begonnen, den bürgerlich-demokratischen Rahmen zu sprengen.

      
Mehr dazu
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Janette Habel: Der Castrismus nach Castro, Inprekorr Nr. 424/425 (März/April 2007)
Antonio Moscato: Dynamik und Probleme der Revolution, Inprekorr Nr. 380/381 (Juli/August 2003)
Erklärung des Büros der IV. Internationale, Inprekorr Nr. 380/381 (Juli/August 2003)
Bericht an das Internationale Exekutivkomitee der IV.Internationale: Kuba heute, Inprekorr Nr. 234 (Januar/Februar 1991)
 

Ein weiteres Mal jedoch blieb die alte kubanische kommunistische Partei (PSP) weiter hinter dem Vormarsch der Revolution zurück: sie war Gefangene der unfruchtbaren und unanwendbaren Parolen ihrer „Etappen“-Perspektiven. Genau zu dem Zeitpunkt, als Che und Fidel einen antikapitalistischen Kurs einschlugen, berichtete Blas Roca dem Achten Plenum der PSP (August 1960), daß die Revolution „in ihrem demokratischen und antiimperialistischen Stadium“ sei und daß sie „innerhalb von festzulegenden Grenzen“ weiterhin „die Gewinne privater Unternehmen, ihr Funktionieren und ihr Wachstum garantieren“ müsse. Er suchte sich die steigende Zahl von Übernahmen durch die Regierung als Symptom eines gefährlichen „Linksradikalismus“ heraus: „Es hat dort Exzesse gegeben, da waren willkürliche Interventionen, die man hätte vermeiden können … Man sollte nicht um der Intervention willen intervenieren. Für eine Intervention muß ein ernsthafter Grund vorhanden sein … In ein Unternehmen oder einen Betrieb ohne hinreichenden Grund zu intervenieren hilft uns nicht, denn das irritiert und stachelt gegen die Revolution oder die revolutionären Einrichtungen einige Element auf, die sie unterstützen sollten und würden, Elemente der nationalen Bourgeoisie, die in diesem Stadium auf Seiten der Revolution bleiben sollten und könnten. …“ [11] Man könnte sich kaum ein schlagenderes Beispiel für den Widerspruch zwischen dem Dogma der Revolution in Etappen (und des Blocks der vier Klassen) und der wirklichen ununterbrochenen Entwicklung einer Revolution vorstellen. Zum Glück war die kubanische Revolution bereits eine zu mächtige Bewegung, um Gefangene im stalinistischen Prokrustesbett der PSP zu werden.

Einige Wochen nach dem Plenum der PSP, am 13. Oktober 1960, wurde der kubanischen Bourgeoisie – und der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt – der endgültige Schlag versetzt. Zwei revolutionäre Gesetze nationalisierten den gesamten Bankensektor und fast vierhundert Firmen, wovon die meisten in kubanischem Besitz und bereits unter Staats„intervention“ waren. Am darauffolgenden Tage wurde eine städtische Reform verabschiedet, die alle Behausungen in den Städten nationalisierte und ihre Mieter in Dauerbewohner umwandelte. Am 25. Oktober schließlich wurden die restlichen amerikanischen Gesellschaften – darunter der riesige Nicaro-Nickelbetrieb, Coca-Cola, Remington-Rand, General Electric usw. – nationalisiert. Mit den bereits enteigneten Unternehmen zusammen erreichte das Staatseigentum ungefähr 80 Prozent der industriellen Kapazität des Landes. [12] Die Bedeutung dieser Maßnahmen war unbestreitbar: Die demokratische Revolution war, im Verlauf einer ununterbrochenen fortschreitenden Steigerung, in eine sozialistische Revolution hinübergewachsen. Obwohl Fidel und die revolutionäre Führung öffentlich den sozialistischen Charakter erst im April 1961, am Vorabend der konterrevolutionären Invasion in der Playa Girón, bestätigte, hatte die Revolution bereits im Oktober 1960 den Kapitalismus abgeschafft.


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[1] Fidel Castro, „Carta à la ‚Junta de Liberacion’” (14. Dezember 1957), La Revolución Cubana, Havanna 1960, S. 134

[2] Boris Goldenberg, Kommunismus in Lateinamerika, Stuttgart 1971, S. 354

[3] Fidel Castro, « Discours du 2 Décembre 1961 », Trois discours sur la formation du parti uni de la révolution socialiste de Cuba, Paris 1962, S. 34–35

[4] P. Morray: The Second Revolution in Cuba, New York 1962, S. 24

[5] Ernest Che Guevara, A new Old Interview” (18.4.1959), Selected Works of Guevara, Boston 1970, S. 372.

[6] Morray, S. 53

[7] Goldenberg, S. 35

[8] Ebenda, S. 355. Sehr wenige Beobachter waren imstande, 1959 die ganze revolutionäre Dynamik des kubanischen Aufstands vorherzusehen. Eine interessante Vorwegnahme kann jedoch in dem Leitartikel gefunden werden, der im September 1959 in der Quatrième Internationale 17 (September-Oktober 1959), S. 29, 32 erschien.

[9] Zitiert von Silvio Frondizi, La revolución cubana, su significacion historica, Montevideo 1960, S. 151

[10] Guevara S. 239

[11] Blas Roca, Balance de la labor de partido, Havanna 1960, S. 87–88. Es ist interessant festzustellen, daß der Vertreter der KPCh, der bei dieser PSP-Konferenz anwesend war, ebenfalls die kubanische Revolution als eine „nationale und demokratische“ Umwandlung bezeichnete. (Vgl. Peking Review, III, 34, 23.8.1960, S. 18)

[12] Morray, S. 154–155