Der Kampf gegen den Krieg steht mehr denn je auf der Tagesordnung. Er ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und für ein Ende des Kapitalismus.
Galia Trépère
Mit einer erneuten Kehrtwende handelte Trump nunmehr mit der Ukraine und auf deren Rücken einen Vorschlag für einen 30-tägigen Waffenstillstand aus, auf den Putin jetzt reagieren muss. Der russische Diktator stimmte einer Unterbrechung der Kämpfe zu, die er zynischerweise von Geländegewinnen seiner Truppen in der seit August ukrainisch besetzten russischen Region Kursk abhängig machte. Zudem forderte er Sicherheitsgarantien für einen „dauerhaften Frieden“, insbesondere den Verzicht der Ukraine auf einen NATO-Beitritt. Im Februar hatte Trump Putin versichert, dass die Ukraine weder die Krim noch den Donbass zurückerhalten und niemals der NATO beitreten werde.
Nach drei Jahren Krieg, vermutlich einer Million Toten auf beiden Seiten und unermesslichem Leid und Zerstörung für die Bevölkerung hauptsächlich in der Ukraine, wären wir wieder beim status quo ante, bevor Putin im Februar 22 in die Ukraine einmarschierte. Damals reagierten der russische Kapitalismus und sein in Bedrängnis geratener Diktator in barbarischer Weise auf das explizite Vorhaben der NATO und der EU, die Ukraine aufnehmen zu wollen, und auf die Weigerung der USA, über das russische Ultimatum vom Dezember 2021 zu verhandeln.
Jetzt wollen die USA eine Pause in diesem Krieg einlegen, den sie selbst als Stellvertreterkrieg unter dem Blutzoll des ukrainischen Volkes gewollt haben, um die Ende der 1990er Jahre begonnene Offensive gegen Russland fortzuführen, indem sie das Land mit feindlichen NATO-Staaten einkreisen.
Es geht ihnen und Trump darum, ihre Interessen mithilfe der durch den Krieg neu geschaffenen Kräfteverhältnisse neu zu justieren, die Unterjochung und Ausplünderung der Ukraine durch westliche multinationale Konzerne statt durch russische Oligarchen zu forcieren und gleichzeitig die EU auf Linie zu bringen. Zugleich sollen neue Pläne auf den Weg gebracht werden, die ihren Einfluss- und Zugriffsbereich ausweiten und ihre Rivalen zurückdrängen sollen.
Seit der Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Russland Mitte Februar und der öffentlichen Demütigung Selenskis im Oval Office des Weißen Hauses durch Trump und seinen Vizepräsidenten Vance am 28. Februar hat sich Macron zum Vorkämpfer für die Interessen der Ukraine und der europäischen Staaten aufgeschwungen. Sie alle fühlen sich von Russland „bedroht“ und von den USA „vernachlässigt“ und waren von den Verhandlungen über die Ukraine ausgeschlossen worden. Während er innenpolitisch immer noch angeschlagen ist, versucht Macron auf der internationalen Bühne zu reüssieren als Verfechter der Freiheit der Ukraine und der Unabhängigkeit Europas und der vorgeblichen Interessen ihrer Völker, die in Wirklichkeit diejenigen der europäischen und französischen multinationalen Konzerne sind, die ihren Anteil an der Zerschlagung und dem Wiederaufbau der Ukraine in klingender Münze sehen wollen.
Der britische Premierminister Starmer und die meisten EU-Staats- und Regierungschefs schlugen in die gleiche Kerbe und erklärten die Kriegsertüchtigung zur nationalen Aufgabe. Von der Leyen und die Europäische Kommission schlugen vor, 800 Milliarden Euro für die europäische Verteidigung aufzubringen und die Militärausgaben der Staaten von der Schuldenbremse auszunehmen, die durch den europäischen Fiskalpakt theoretisch auf 3 % begrenzt ist. Der designierte deutsche Bundeskanzler Merz und seine sozialdemokratischen Koalitionsanwärter beschlossen, in den kommenden Jahren 500 Milliarden für militärische Zwecke bereitzustellen. Macron und seine Regierung haben ihrerseits erklärt, dass die im Militärplanungsgesetz vorgesehene Erhöhung des Rüstungshaushalts auf 67 Milliarden Euro im Jahr 2030 nach oben korrigiert werden soll, nämlich auf 3 oder 3,5 % des BIP, entsprechend 100 Mrd. Euro ab 2029.
Am vergangenen Dienstag versammelte Macron in Paris die Generalstabschefs von 34 NATO-Staaten – außer den USA – und EU-Staaten sowie von Australien, Neuseeland und Japan, um ein Sicherheitskonzept für die Ukraine zu „erstellen“, d. h. ihre Armee weiterhin zu finanzieren, auszurüsten und auszubilden und möglicherweise europäische Truppen dorthin zu entsenden. Initiativen gegen die „russische Bedrohung“, die von Trump und den USA unabhängig sein sollen, aber weder deren Interessen noch offenbar deren Pläne durchkreuzen sollen, wie das G7-Treffen in Kanada am Wochenende gezeigt hat, bei dem alle Teilnehmer ihre volle Solidarität gegen Russland bekundeten.
Die Rüstungsausgaben, die Beschaffung von Militärgütern und die Aufstockung der Streitkräfte werden sämtlich vom Staat finanziert und mehren die Profite der Rüstungsindustrie, während zugleich die Budgets für öffentliche Dienstleistungen und soziale Ausgaben, die ein Minimum an Absicherung für die Bevölkerung gewährleisten, entsprechend gekürzt werden. Dies wird dazu führen, dass viele Menschen obdachlos werden, auf die Ausgabe von Lebensmitteln angewiesen sind, sich nicht medizinisch versorgen und ihre Kinder nicht zur Schule oder zum Studium schicken können … Ein beispielloser sozialer Rückschritt.
Aber es wäre eine gefährliche Illusion und Realitätsblindheit gegenüber der Politik der herrschenden Klassen, zu glauben, dass der Krieg nur ein Vorwand wäre, um diese Sparmaßnahmen durchzusetzen. Macron, Merz und die anderen europäischen Führer wollen die Bevölkerung in Schock versetzen und darauf vorbereiten, die Opfer eines wirtschaftlichen und militärischen Krieges zu akzeptieren, damit sich ihre Staaten und ihre kapitalistischen Konzerne im globalen Wettbewerb behaupten können.
Angesichts der internationalen Krise diskutieren die europäischen Führer heute über die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, aber sie sind außerstande, ihre politische Einheit, einen europäischen Staat, zu begründen, da jede Bourgeoisie auf ihren eigenen Staat und ihre Grenzen besteht, um ihre nationalen Interessen und ihre Privilegien zu schützen. Die Schwergewichte der EU erdrücken die schwächeren Staaten, und Macron für Frankreich und Merz für Deutschland haben unterschiedliche internationale Ambitionen. Sie haben keine andere Wahl, als sich den amerikanischen Plänen zu unterwerfen, um dort ihren Platz und ihre Rolle auszuhandeln.
Aufgrund dieser politischen, wirtschaftlichen und militärischen Widersprüche stecken die europäischen Mächte in einer chronischen Krise, die einerseits die extreme Rechte für sich zu nutzen versucht, die aber zugleich wie schon 2011‒2015 soziale und politische Proteste heraufbeschwört, in denen die betroffene Bevölkerung für ihre eigenen Interessen und Vorstellungen eintreten wird. Diese Mobilisierungen und Kämpfe haben bereits begonnen und sind Schritte auf dem Weg zum Aufbau eines Europas der Werktätigen, einer Föderation der sozialistischen Vereinigten Staaten von Europa, die auf Zusammenarbeit und Solidarität beruht und die allein in der Lage ist, das unverbrüchliche Recht der Völker auf Selbstbestimmung bis hin zur Trennung zu garantieren. Denn die Ausgebeuteten haben keine Privilegien zu verteidigen und scheren sich nicht darum, wo die Grenzen verlaufen.
„An unseren Grenzen gibt es ein hochgerüstetes und aggressives Russland. Es greift zu terroristischen Aktionen und massiven Desinformationskampagnen in ganz Europa“, sagte Macron am 1. März. Wenn niemand den Kremlherrn aufhalte, werde er „mit Sicherheit nach Moldawien und vielleicht sogar nach Rumänien greifen.“
Damit findet eine Umkehr der Bedrohungslage statt, ungeachtet der Verbrechen Putins. Es geht nicht darum, die Verbrechen der russischen Oligarchen und ihres Diktators moralisch zu bewerten oder sie gegen die Verbrechen des zionistischen Staates, der USA und ihrer Unterstützer aufzuwiegen, die ihren völkermörderischen Krieg wieder aufgenommen haben und die Palästinenser:innen in Gaza aushungern. Diese Verbrechen sind die Verbrechen einer Klassengesellschaft, die nur ein Gesetz kennt, nämlich das des Stärkeren, auch wenn es um die Beziehungen zwischen den kapitalistischen Räubern geht, die sich die Reichtümer aneignen und aufteilen, die bei der Ausbeutung und Plünderung der Arbeiter:innen und Völker anfallen.
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Unser Blick muss sich gemeinsam mit dem Proletariat darauf richten, wie Kriege und Kapitalismus im Kampf überwunden werden können, um zu verstehen, dass wir der Lügenpropaganda des westlichen Lagers nicht nachgeben, sondern sie bekämpfen müssen, weil sie darauf abzielt, dass wir einen Krieg akzeptieren, der nicht der unsere ist und für den sie die Hauptverantwortlichen sind.
Wie kann man dieser Propaganda glauben, die Gefahr und Bedrohung durch Russland, den Iran und China herbeiphantasiert, während Trump dem gesamten Planeten mit einem Handelskrieg droht und mit der NATO eine militärische Offensive gegen alle Rivalen, einschließlich der Verbündeten in der EU, betreibt? Die USA besitzen weltweit 800 Militärbasen – davon 37 in Europa – und mehrere Hunderttausend Soldaten und haben ständig Kriege gegen die Völker geführt, um ihre Weltherrschaft zu sichern, die nun von ihren Rivalen in Frage gestellt wird. […]
Der Kampf gegen den Krieg steht mehr denn je auf der Tagesordnung, er ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, mit dem Kampf für ein Ende des Kapitalismus, er kann nur in völliger Unabhängigkeit von den Institutionen geführt werden. Unsere Verantwortung besteht darin, den Arbeiter:innen zu helfen, sich von der offiziellen Propaganda der alten imperialistischen Mächte zu lösen, jede Komplizenschaft mit ihrer kriegerischen, militaristischen und nationalistischen Politik, die sie mit Lügen rechtfertigen, zu verweigern.
Aus Democratie Révolutionnaire vom 16.3.2025 |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz