Neue Weltlage

Die Karten werden neu gemischt

Trumps zweite Amtszeit führt uns vor Augen, dass eine neue Welt(un)ordnung entsteht. Statt der alten Ordnung nachzutrauern oder sich hinter ein Lager zu scharen, ist die Linke aufgerufen, eine ökosozialistische Alternative aufzubauen und Solidarität mit den unterdrückten Völkern zu üben.

Jaime Pastor

Etwas mehr als einen Monat nach dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident, mit dem Tech-Oligarchen Musk an seiner Seite, ist die Liste der Initiativen und Maßnahmen, die das Tandem an der Spitze der führenden Weltmacht umzusetzen bereit ist, bereits recht umfangreich. Aus ihnen allen ist unschwer die feste Entschlossenheit zu erkennen, einen neuen „gesunden Menschenverstand“ – wie sie ihn verstehen – zu etablieren: ein ultraliberales Paradigma in der Wirtschaft, autoritär in der Politik und reaktionär in der Kultur. Das Leitmotiv dabei ist der MAGA-Plan, also die Absicht, den imperialen Niedergang, den ihr Land seit einiger Zeit erlebt, mit allen Mitteln aufzuhalten.

 

Amtseinführung Trump/Vance

20.01.2025 (Foto: The Trump White House)

In diesem Artikel werde ich mich auf die Auswirkungen der angekündigten Schritte vor allem in geopolitischer Hinsicht konzentrieren: angefangen bei den Bestrebungen, Grönland, Kanada und den Panamakanal zu übernehmen, gefolgt von der nunmehr völlig bedingungslosen Unterstützung für Netanjahu und dessen völkermörderische Politik gegen das palästinensische Volk, bis hin zur Entdämonisierung Putins und der Bereitschaft, die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine anzuerkennen (natürlich im Austausch für den Erhalt eines beträchtlichen Teils der Seltenen Erden …).

Es liegt auf der Hand, dass diese Strategie einem neoimperialen Plan folgt, der darauf abzielt, den eigenen Hinterhof schrittweise zu erweitern, Europa an die Kandare zu nehmen, eine Entspannung mit Russland herbeizuführen und die Kontrolle über den Nahen Osten zu sichern, um sich auf die indo-asiatische Region und vor allem auf den geostrategischen Wettbewerb mit China zu konzentrieren. Dabei geht es um den technologischen Vorsprung und die Sicherung von globalen Absatzmärkten und Rohstoffquellen, um die Position der US-amerikanischen WASPs [White, Anglo-Saxon and Protestant] und ihres inzwischen in Frage gestellten imperialen Lebensstils gegenüber dem Rest der Welt zu wahren. Ob sich dieser Plan praktisch umsetzen lässt und welche Auswirkungen er auf die US-amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft haben wird – auch angesichts des sich abzeichnenden Widerstands an zahlreichen Fronten – bleibt abzuwarten.

Diese radikale Kehrtwende mag zwar auf der internationalen Bühne für Konfusion gesorgt haben, lässt sich aber verstehen vor dem Hintergrund der zunehmend miteinander verknüpften Krisen – an erster Stelle der Umweltkrise – und dem daraus resultierenden Wettkampf um Ressourcen in „einer Welt, in der die Eliten glauben, dass der Kuchen nicht mehr wachsen kann. In Ermangelung eines alternativen Systems ist die einzige Möglichkeit, die Position zu halten oder zu verbessern, der Raubbau. Dies ist die Ära, die vor uns liegt“, so Arnaud Orain. [1]


Die Oligarchie orchestriert den Politikwechsel


Wir erleben eine Ära, in der die „Superoligarchie, die das Finanz- und Kommunikationswesen kontrolliert“ (Louça, 2025) darauf abzielt, ihre Marktmacht mit der direkten Kontrolle der Staatsmacht zu verbinden, wobei Elon Musk der ultimative Ausdruck ihres Willens ist, ihre Interessen auf internationaler Ebene durchzusetzen.

Damit soll ein Sprung nach vorn getan werden, gestützt auf ein Bündnis mit den Regierungen und politischen Kräften, die bereits unter dem Einfluss der reaktionären Internationale stehen. So soll – wie J.D. Vance auf dem Münchner Gipfel verlauten ließ – ein echter „Regimewechsel“ in den Ländern herbeigeführt werden, in denen noch Relikte der liberalen Demokratie aus dem antifaschistischen Konsens nach dem Zweiten Weltkrieg überlebt haben.

Noch lässt sich nicht absehen, ob sich diese zentralen Anliegen umsetzen lassen. Zweifellos stehen wir jedoch vor einem Umbruch, in dem die USA eine neue imperiale Ordnung anstreben, in der sie einen völlig neuen Führungs- und politischen Regierungsstil und eine Hegemonie als allgemeinverbindlich durchsetzen wollen: reaktionäre und autoritäre Regime (Urbán, 2024) oder plebiszitäre Autokratien (Forti, 2025), die die bestmöglichen Bedingungen für einen Ausweg aus der säkularen Stagnation des globalen Kapitalismus schaffen sollen. Dieser Ausweg besteht natürlich darin, die Logik der Akkumulation über viele der von unten erreichten sozialen und politischen Errungenschaften und die biophysikalischen Grenzen des Planeten zu stellen.

Trumps Bereitschaft, die geopolitischen Rahmenbedingungen zur Durchsetzung seiner Agenda umzuschreiben, markiert das Ende der „goldenen“ Globalisierungsära – von der China am meisten profitiert hat – und ihre Ersetzung durch einen protektionistischen und oligarchischen Ethno-Nationalismus, der sich seinerseits auch unter den Großmächten aller Seiten durchsetzt. Im Falle der USA führt dies nun dazu, dass sie die seit dem Zusammenbruch des Ostblocks von den aufeinanderfolgenden US-Präsidenten verfolgte Außenpolitik radikal in Frage stellen, insbesondere was die Beziehungen zum alten Feind im Osten betrifft, um ihr Imperium neu aufzustellen.

Denn, wie Romaric Godin (2025) feststellt: „Es geht jetzt darum, ein echtes Imperium zu errichten, mit einem Heer von Vasallen, die seine Produkte bereitwillig konsumieren wollen, insbesondere seine technologischen Produkte, sein Öl oder sein Flüssiggas (…) Was heute für einen Teil des amerikanischen Kapitalismus auf dem Spiel steht, ist die Vermeidung von Konkurrenz, das heißt, nicht ein großer transatlantischer und transpazifischer Markt wie in der neoliberalen Ära, sondern ein Imperium: ein Zentrum und Peripherien, wo jeder eine Rolle in seiner Beziehung zum Zentrum zu spielen hat.“

In diesem Rahmen ist die Annäherung an ein reaktionäres Russland, das sich nach alter Größe sehnt, der deutlichste Beweis für den radikalen Wandel, den wir erleben und der durch die unlängst erfolgte gemeinsame Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über den „Ukraine-Konflikt“ seinen sichtbarsten Ausdruck findet. Dabei stimmten beide Großmächte darin überein, die Anwendung des alten Rechts des Stärkeren in ihren jeweiligen Einflussbereichen gegenseitig zu respektieren. Dies zeigt sich auch in ihrem gemeinsamen Beitrag zur jüngsten Legitimationskrise der UNO und vieler anderer internationaler Institutionen (wie UNRWA, UNESCO, WHO...), die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden sind; oder, was noch schwerwiegender ist, in der Ablehnung der ohnehin sehr moderaten Pariser Vereinbarungen zum Klimawandel.

Diese traditionelle Architektur der internationalen Strukturen soll durch eine Diplomatie ersetzt werden, die als „transaktional“ bezeichnet wird und in Wahrheit dem „business as usual“ untergeordnet ist und auf bilateralen Verhandlungen mit den verschiedenen Mächten beruht, so wie wir es beim Handelskrieg erleben. Damit einher geht auch die Fortsetzung des globalen Kulturkriegs auf politisch-ideologischer Ebene mit der diskursiven Methode des Trumpismus (Camargo, 2025), die von der reaktionären Internationale übernommen wurde. Diese gilt nun als einziger verlässlicher Verbündeter bei der Verteidigung der sog. „grundlegendsten Werte“ (d. h. weiße und christliche Vorherrschaft, patriarchalische Familie und Islamophobie), die durch „Masseneinwanderung“ und die Komplizenschaft des Progressivismus bedroht sind, wie Vizepräsident Vance in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz anprangerte.


Wo steht die EU …


Referenzen

Camargo, Laura (2024) Discursive Trumpism. Origin and Expansion of the Discourse of the Global Reactionary Wave. Madrid: Verbum.

Forti, Steven (2024) Democracies in Extinction. Madrid: Akal.

Godin, Romaric (2025) “A capitalism in crisis, predatory and authoritarian”, viento sur, 01/03.

Louça, Francisco (2025) “Who is the enemy? The superoligarchy”, viento sur, 19/02.

Toussaint, Eric (2025) “Debt: an instrument of pressure and plunder in the hands of creditors”, viento sur, 15/02.

Urbán, Miguel (2024) Trumpisms. Neoliberals and authoritarians. Barcelona: Verso.

 

Inmitten dieses grundlegenden geopolitischen Umbruchs scheint die Europäische Union als regionaler Block im Niedergang begriffen und zunehmend gespalten. Die einen – wie Orban in Ungarn – suchen schon den Schulterschluss mit dem Sheriff aus Washington, die anderen sind auf der Suche nach „strategischer Autonomie“ in geo-, energie- und verteidigungspolitischen sowie wirtschaftlichen und technologischen Belangen, wie sie im Draghi-Bericht vorgeschlagen wird. Die Verfechter der letztgenannten Option wollen aus der Not eine Tugend machen und wohl nicht nur dem Militärhaushalt zur Aufrüstung absoluten Vorrang einzuräumen – selbst wenn Macron anbietet, seinen nuklearen Schutzschirm zu teilen –, sondern auch einer stärkeren wirtschaftlichen Deregulierung im Namen der Wettbewerbsfähigkeit, was die Tür zu einer libertären Wende auch an der Spitze der EU öffnet. [2] Auf dem Weg dorthin bleiben natürlich demokratische, soziale und ökologische Aspekte auf der Strecke, was die Verunsicherung der einfachen Bevölkerung verschärft und ihre innere Spaltung vertieft.

Es gibt keine Verpflichtung, die Kriegswirtschaft zu stärken, denn „die EU-Länder haben zusammen mehr aktive Militärs als die USA und Russland, und ihre Militärbudgets sind zusammen höher als in Russland und näher bei China“. [3] Hinzu kommt, dass die EU zwar die Ukraine weiterhin gegen die illegitime Invasion Russlands unterstützen will, diese Haltung aber im Gegensatz zu ihrer fortlaufenden Komplizenschaft mit dem Siedlerstaat Israel und dessen Völkermord am palästinensischen Volk und der Ablehnung seines legitimen Rechts auf Selbstbestimmung steht. Es geht also stets um geopolitische Interessen und nicht um die Verteidigung der Demokratie gegen Autoritarismus oder Illiberalismus, was hinter den doppelten Standards steckt, wie der Historiker Ilan Pappé kürzlich zu Recht anprangerte. [4] Nicht einmal die von Trump und Musk angekündigte irrlichternde Halluzination, Gaza in ein „Touristenparadies“ zu verwandeln, ist bei der EU auf einhellige Ablehnung gestoßen.

Daher dürfen wir nicht dem Trugschluss aufsitzen, dass Europa eine Insel des Wohlstands und der demokratischen Werte sei. Wir erleben ja jeden Tag, wie sich die staatstragenden Parteien in ihrer Sicherheits- und Migrationspolitik an die rechtsextreme Agenda anpassen, und dabei die Grundrechte schreddern.


… und wo die Linke?


In dieser Gemengelage steht die europäische Linke vor enormen Herausforderungen, die sie mehr denn je verpflichten, sich der Restauration der alten imperialen Ordnung entgegenzustellen. Widerstand ist geboten einerseits gegen die Vereinbarungen zwischen zwei imperialistischen Mächten, die Trump und Putin zu schließen versuchen, andererseits gegen eine EU, die nur versucht, ihren Niedergang als imperialistischer Block aufzuhalten, indem sie einen besseren Platz in der neuen kolonialen Aufteilung beansprucht.

      
Mehr dazu
Galia Trépère: Keinen Euro für die Kriegstüchtigkeit!, die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025).
Jürgen Wagner: Militärausgaben und Sozialabbau, die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025).
Jakob Schäfer und Thies Gleiss: Krieg und Frieden – Nation und Klassenfrage, die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025).
DOSSIER: Die neue Weltordnung, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Anti*Capitalist Resistance: Trumps zweite Amtszeit – Zeit für globale Gegenwehr, die internationale Nr. 1/2025 (Januar/Februar 2025) (nur online). Auch bei intersoz.org.
 

Auch wenn wir uns der enormen Schwäche der antikapitalistischen Linken bewusst sind, ist es dringend notwendig, sich neuen Elan aus den Widerstandsbewegungen, die in einzelnen Ländern für die Verteidigung und Ausweitung unserer Rechte und Errungenschaften entstehen, zu verschaffen. Unsere Aufgabe ist es, die verschiedenen sozialen und politischen Bewegungen zusammenzuführen sowohl für einen gemeinsamen Kampf gegen die imperialistischen Bestrebungen als auch als Reaktion auf die reaktionären und autoritären Entwicklungen, die in unseren eigenen Ländern auf dem Vormarsch sind. Auch müssen wir uns strikt dagegen verwahren, dass die verschiedenen Versionen eines „fortschrittlichen“ Neoliberalismus als kleineres Übel angesehen werden, da diese hinreichend bewiesen haben, dass sie die strukturellen Faktoren, die zu der reaktionären Wende geführt haben, nicht beseitigt haben. [5]

Es geht also um die Neuformulierung einer intersektionalen, gegenhegemonialen und ökosozialistischen Strategie, die eng mit dem Kampf für die Auflösung der NATO und der Solidarität mit allen Völkern verbunden ist, deren Recht, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden und sich gegen jede Einmischung oder koloniale Ausbeutung ihrer Ressourcen zu verwahren, infrage gestellt wird – ob in Gaza oder in der Ukraine. In diesem Sinne müssen wir unvermindert gemeinsam mit dem linken Widerstand in der Ukraine und der Anti-Kriegs-Opposition in Russland für den sofortigen Abzug der russischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten, den bedingungslosen Erlass der seit Kriegsbeginn eingegangenen Schulden (Toussaint, 2025) und die Erstellung eines gerechten ökosozialen Wiederaufbauplans eintreten, zumal sich ein zwischen Trump und Putin vereinbarter „Frieden“ in der Ukraine abzeichnet. [6]

Gegen jede Art von Lagerdenken oder Rückbesinnung auf die Nationalstaatlichkeit ist es unsere Aufgabe, für ein entmilitarisiertes Europa vom Atlantik bis zum Ural zu kämpfen, das sich für eine globale und multidimensionale Sicherheitsordnung einsetzt – so wie sie während der vergangenen Pandemiekrise als existenzielle Notwendigkeit angesehen wurde – im Gegensatz zu der heute vorherrschenden, nach außen hin militaristischen und nach innen repressiven Sicherheitsordnung.

Aus:essf
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] https://www.sinpermiso.info/textos/es-evidente-que-el-capitalismo-de-finitud-no-necesita-la-democracia-entrevista-a-arnaud-orain

[2] Was realiter bereits geschieht, siehe https://legrandcontinent.eu/es/2025/02/16/desregulacion-en-lugar-de-deuda-comun-el-giro-libertario-de-la-comision-von-der-leyen-sobre-el-informe-draghi/ und https://www.mediapart.fr/journal/international/260225/ue-la-commission-saborde-son-propre-agenda-vert

[3] https://www.sinpermiso.info/textos/europa-no-se-salvara-cambiando-el-estado-de-bienestar-por-armas

[4] “This is the great European hypocrisy: supporting Ukraine’s resistance while branding Palestine’s resistance as terrorism”, el diario.es, 25/02/25.

[5] Dies gilt auch für die sozial-liberale Variante, die sich eindeutig im Abstieg befindet, wie wir bei den jüngsten Wahlen in Deutschland gesehen haben, wo eine neue Regierungskoalition mit der Christdemokratie angekündigt wurde, die die Krise weiter verschärfen könnte.

[6] https://elpais.com/clima-y-medio-ambiente/2025-02-24/la-factura-climatica-de-la-invasion-de-ucrania-asciende-hasta-los-250-millones-de-toneladas-de-gases-de-efecto-invernadero.html