Am 26. Dezember 2004 wurden alle Küsten rund um den Indischen Ozean von einem gewaltigen Tsunami überschwemmt. Sri Lanka war von dieser Katastrophe, die auf Jahrzehnte unvergessen bleiben wird, besonders betroffen.
Offiziellen Berichten zufolge gingen 60 000 Menschenleben verloren und die Schäden an Häusern und Eigentum waren immens. Ganz Sri Lanka ohne Unterschiede in Klasse, Religion oder Hautfarbe war noch Monate nach der Katastrophe in tiefer Trauer. Es muss gesagt werden, dass der Tsunami nicht nur Menschenleben ausgelöscht hat, sondern auch ein mächtiger Schlag für die Wirtschaft war, die wiederaufzubauen Jahrzehnte dauern kann.
Familien, die in solchen verwüsteten Gebieten leben, haben heute größere Probleme als nur die unmittelbaren Schäden durch die Flutwelle des Tsunami. Tausende haben ihre Partnerinnen oder Partner, Angehörige, Mütter, Väter, Brüder, Schwestern und Kinder verloren. Tausende und Abertausende von Kindern wurden Waisen. Die tobende See, die große Teile der Insel überflutete, riss viele Witwen und Witwer in die Armut. Das Schicksal der Obdachlosen war verzweifelt.
Wenige Tage nach der Katastrophe kamen einige NROs und viele Menschen, um zu helfen, die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen. Sie errichteten Tausende von Notunterkünften für die Obdachlosen.
Aber selbst heute leben immer noch Menschen in diesen provisorischen Hütten. Sie suchen verzweifelt nach Licht fern am Horizont, das ihr düsteres Schicksal aufhellen könnte. Hauptproblem ist, dass die srilankische Regierung nicht ein einziges neues Haus für die vom Tsunami betroffenen gebaut hat. Zwar gab es einen gewissen Wiederaufbau an der Küste der Südprovinz, aber man muss bedauerlicherweise feststellen, dass die Menschen entlang der [tamilisch und muslismisch bewohnten] Küsten der Nord- und Ostprovinzen völlig übersehen und vernachlässigt wurden.
Und dies trotz der Tatsache, dass die frühere Regierung unter Frau Kumaranathunga mit Unterstützung aller politischen Parteien außer den singhal-chauvinstischen JVP und JHU [1] einen Beschluss zur Einrichtung einer „Nach-Tsunami-Operationsstruktur“ (post Tsunami operational management structure – PTOMS) im Parlament durchbrachte. Sie wurde von kurzsichtigen kommunalen Strukturen zu Fall gebracht, die gegen die PTOMS eine Kampagne begannen und Rechtsmittel gegen ihre Einrichtung einlegten.
Die Wiederaufbauprogramme und die Tätigkeit der Regierung und einiger NROs gestalteten sich äußerst lethargisch. Die Arbeiten liegen weit hinter dem Zeitplan. Es gibt keine geeigneten und durchdachten Mechanismen, um sie zu beschleunigen und zu intensivieren.
Eine sachgerechte Verwaltung der eingegangenen Spendengelder ist dringend erforderlich. Dies sind die entscheidenden Aufgaben, vor denen wir stehen. Es wäre nicht schwierig, die Schwächen zu beseitigen und die Probleme zu lösen, wenn die erforderlichen Mechanismen gestärkt würden.
Die NSSP, die srilankische Sektion der IV. Internationale, stand durch die Ereignisse des 26. Dezember vor einem großen Dilemma. Denn viele Parteimitglieder und Sympathisantinnen und Sympathisanten waren selbst vom Tsunami betroffen. Normalerweise feiert die Partei den Jahrestag ihrer Gründung alljährlich am 30. Dezember. Die Ereignisse des zweiten Weihnachtstags machten das sehr schwierig.
Trotzdem versammelte sich die Führung der Partei sofort nach diesen Ereignissen und traf einige wichtige Beschlüsse, wie wir als proletarische Partei den Not leidenden Menschen in den am meisten betroffenen Gebieten zu Hilfe kommen könnten.
Innerhalb weniger Stunden analysierten wir die Lage und ergriffen Schritte zur Mobilisierung der gesamten Mitgliedschaft, von Haus zu Haus und Person zu Person zu gehen und Dinge zu sammeln, die am dringendsten benötigt wurden wie Kleidung, Kindernahrung, Kosnerven und andere Trockennahrung für die in Not befindlichen. Insbesondere beschlossen wir, die gesammelten Dinge unter den Obdachlosen der Nord- und Ostprovinzen zu verteilen.
Der Aufruf stieß auf ein beeindruckendes Echo und eine große Sammlung wurde begonnen. Das NSSP-Politbüro-Mitglied N. Janagan unterstrich noch einmal deutlich, dass das Ergebnis der Sammlungen unter den Tamilen der Ostprovinz verteilt werden sollte, und sagte: „Ich bin sehr glücklich, dass unsere Mitglieder so viele wichtige Dinge sammeln konnten. Am 2., 3. und 4. Januar 2005 hat die NSSP die gespendeten Dinge in Batticaloa und Kalkudda verteilt.“
In der entscheidenden Stunde der Verzweiflung und der Not, die in dem Land nach dem gnadenlosen Tsunami herrschten, richtete die NSSP einen Hilfsaufruf an die IV. Internationale mit der Bitte um größere finanzielle Unterstützung, der augenblicklich beantwortet wurde. Die NSSP und die Neue Linksfront (New Left Front – NLF) möchten tiefen Dank für die Initiativen aussprechen, die von der Internationale in vielen Ländern Europas, den USA und Japan gestartet wurde. Wir haben ganz beträchtliche Geld- und Sachspenden erhalten und konnten sie in den verwüsteten Gebieten verteilen und den Menschen helfen, die wirklich im Elend lebten.
Es gab eine große Zahl von Familien, deren Häuser von den Flutwellen völlig zerschmettert worden waren, und einige von ihnen konnten Notunterkünfte wie Zelte oder Hütten erhalten. Andere wurden in Flüchtlingslagern untergebracht.
Die Regierung stellte die Regel auf, dass Häuser nicht näher als 100 m vom Meer wiederaufgebaut werden sollten. Dies verschärfte die Situation, da es unmöglich war, weiter landeinwärts Boden zu erwerben. Dies führte zu einer übermäßigen Verzögerung beim Wiederaufbau in den Tsunami-Gebieten.
Die Partei prüfte die Situation eingehend und beschloss, beschädigte Häuser wiederaufzubauen, um Unterkünfte für Menschen zu schaffen, damit sie ihr normales Leben wieder aufnehmen können. Unter diesem neuen Programm konnten wir Baumaterial in Gebiete wie Ratmalana, Moraruwa, Panadura, Ambalangoda, Hikkaduwa, Galle, Hamnbanthota, Batticaloa und einige Orte in Trincommalee liefern.
Außerdem leisteten wir finanzielle Unterstützung. Genosse M.R. (Arbeiter in der Bata-Schuhfabrik) in Panadura, dessen Haus vom Tsunami zerstört worden war, hatte einen Unterstützungsantrag an den NSSP-Tsunami-Fonds gestellt; nach genauer Prüfung wurden ihm 200 000 Rupien (2000 US$) bewilligt und sofort ausgezahlt. Die Gesundheitsarbeiterin Genossin Jayasinghe erhielt 100 000 Rupien für den Wiederaufbau ihres Hauses.
Während der NSSP-Hilfsfonds versuchte, Not leidenden Menschen auf verschiedenen Wegen zu helfen und sie zu unterstützen, unternahmen die Genossen unermüdliche Anstrengungen gegen schlechte und fehlende Versorgung aufgrund ausgesprochener Nachlässigkeit und Ineffizienz bei der Durchführung der Hilfs- und Wiederaufbauarbeiten.
Wir ergriffen eine Initiative mit einem parallelen Programm gegen Fehler bei der Hilfsarbeit, indem wir durch Agitationen, Kampagnen und öffentliche Versammlungen einen Alarmruf landesweit verbreiteten, der aus allen Winkeln des Landes gewaltige Zustimmung erntete. Wir schafften es, 15 erfolgreiche Versammlungen dieser Art abzuhalten.
Ferner führten wir eine Kampagne gegen die Vertreibung von Fischern und anderen unterdrückten Menschen, die nahe der Küste leben, durch. Die Regierung war und ist bestrebt, ihre 100-Meter-Regel durchzusetzen und das freiwerdende Land örtliche und ausländischen Hoteliers und Reiseveranstaltern zum Bau von Touristenunterkünften für die Reichen zu übergeben.
Wir möchten nochmals der Internationale für ihre schnelle Reaktion auf unseren Aufruf sowie allen Genossinnen und Genossen und allen Sektionen und sympathisierenden Organisationen der Internationale weltweit für ihre freundliche und großzügige Unterstützung danken. Ohne das, was wir erhalten haben, hätte die NSSP nicht so vielen Menschen in Not in so großem Ausmaß helfen können. Das ist eine gewaltige Leistung.
Unser Kampf gegen Unregelmäßigkeiten ist noch nicht zu Ende. Wir versichern Euch, dass wir fehlerhafte Hilfe, Veruntreuung von Hilfsgeldern und soziale Asymmetrien beim Wiederaufbau bekämpfen werden, bis eine neue sozialistische Perspektive aus den Ruinen des Tsunami wächst.
Der Tsunami kam mit gewaltiger Macht und riss Tausende Menschenleben und Millionenwerte beweglicher und unbeweglicher Güter und Besitz mit sich. Aber er lehrte auch jeden von uns, dass wir zusammenstehen müssen.
Die Kapitalisten weltweit haben nicht gezögert, aus der Naturkatastrophe eigennützige Vorteile zu ziehen. Die Kapitalistenklasse in Sri Lanka hat völlig versagt, den Tsunami-Opfern gerecht ohne rassistische Diskriminierung zu helfen. Die srilankische Regierung hat entweder versagt, den Menschen an der Küste der überwiegend tamilisch und muslimisch bewohnten Nord- und Ostprovinz Hilfe zu leisten oder sie hat sie absichtlich ihrem Schicksal überlassen. Angesichts dieses Elends haben die Tamilinnen und Tamilen keiner andere Möglichkeit als ihren Befreiungskampf zu verstärken.
Niel Wijethilake ist führendes Mitglied der NSSP, der srilankischen Sektion der IV. Internationale. Aus: International Viewpoint, Januar 2006 Übers.: Björn Mertens |
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Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 416/417 (Juli/August 2006).