Nachruf

Jakob Moneta 1914-2012

„Menschen müssen träumen können“

Klaus Engert

Er war kein großer Mann, aber er war beeindruckend. Seine Fähigkeit, zu reden, komplizierte Sachverhalte in einer Weise zu erklären, dass sie jeder verstehen konnte, und seine sozialen Kompetenzen beeindruckten mich, als ich ihn Mitte der Siebziger erstmals traf. Und als ich danach von seiner Geschichte erfuhr, war ich noch mehr beeindruckt. Jakob hatte ein Leben gelebt, das einen großen Teil dessen umfasste, was Juden, Kommunisten, jüdische Kommunisten und insbesondere linke jüdische Kommunisten während des letzten Jahrhunderts ertragen und (über)leben mussten. Aber er hatte einen Traum, und er zitierte Lenins obigen Satz über das Träumen in einem biographischen Essay von 1978.

Jakob wurde in Błażowa (Blasow) geboren, zu dieser Zeit noch Teil der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie und im östlichen Galizien gelegen. Als 1918 der polnische Staat gegründet wurde, brach eine ganze Welle von Pogromen aus. Sein Vater, ursprünglich aus Deutschland, klagte danach die Rädelsführer öffentlich an und musste deshalb das Land schließlich verlassen. Die Familie zog zurück nach Deutschland und ließ sich in Köln nieder. Aber auch dort erlebte Jakob als Mitglied der jüdischen Gemeinde antisemitische Anfeindungen. So war es nur logisch, dass sein politisches Leben in einer zionistisch-sozialistischen Jugendorganisation seinen Anfang nahm. 1931 trat er dann mit anderen Mitgliedern seiner Gruppe der SJV, der Jugendorganisation der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), bei. Letztere war eine linke Abspaltung der SPD, in der damals übrigens auch der spätere Bundeskanzler Willy Brandt Mitglied war. Während dieser Zeit kam Jakob erstmals mit trotzkistischem Gedankengut in Kontakt. Sein Vater übrigens sah Jakobs Linksentwicklung gar nicht gerne – er wies ihn einmal aus dem Haus.

Der Sieg der Faschisten 1933 trieb die Familie erneut in die Emigration. Während seine Eltern erst nach Kuba und dann in die USA auswanderten, beschloss Jakob, seinen Traum zu leben, und ging nach Palästina, um in einem Kibbuz zu arbeiten. Er arbeitete zunächst in der Produktion von Orangenkisten. Aber er war kein Zionist wie der damalige Vorgänger von Menachem Begin als Führer der Terrororganisation „Irgun“, David Razill: Er kämpfte für ein binationales, sozialistisches Palästina.

Und so kam es, dass Jakob und einige andere den Kibbuz schließlich nicht freiwillig verließen: Sie wurden 1938 von der zionistischen Mehrheit ausgeschlossen, als sie eine Kampagne für den Achtstundentag begonnen hatten. Er ging nach Haifa, wo er die einzige gemischt arabisch-jüdische Gewerkschaft gründete. Kurz danach wurde er von der britischen Administration verhaftet und zu „mindestens einem Jahr“ verurteilt – am Ende wurden es dann mehr als zwei Jahre Gefängnis. In seinen Erinnerungen erwähnt er, dass einmal ein Mann namens Moshe Dajan ins Gefängnis kam – der wurde allerdings relativ rasch wieder freigelassen…

Im Gefängnis begann sein Leben als Journalist. Er organisierte mit anderen zusammen eine Art Gefängnisuniversität, lernte Sprachen (am Ende beherrschte er zehn) und organisierte einen Hungerstreik. Nach seiner Freilassung arbeitete er mit der arabischen Linken zusammen. Aber nach Kriegsende wurde er mehr und mehr von der Politik der Zionisten desillusioniert. Er schrieb einmal: „Hier wurden Juden zu Pogromisten.“

So verließ er 1948 Palästina, ging zurück nach Europa und lebte zunächst, ohne gültigen Pass, als illegaler Migrant in Frankreich und Belgien. Ende 1948 kam er dann nach Deutschland zurück und trat im gleichen Jahr in die IKD (Internationale Kommunisten Deutschlands), die deutsche Sektion der Vierten Internationale, ein, der er bis zu seinem Tode angehörte. Als Autodidakt arbeitete er als Journalist für eine sozialdemokratische Tageszeitung. Er wurde dann gefeuert (vom späteren sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von NRW, Heinz Kühn), u.a. weil er wiederholt Artikel eines gewissen Ernest Mandel veröffentlichte …

Als die Vierte Internationale die sogenannte Entrismustaktik beschloss, trat er der SPD bei. 1953 bekam er eine Stelle als Sozialattaché an der deutschen Botschaft in Paris und arbeitete dort bis 1962. Während dieser Zeit war er für die Internationale in der verdeckten Unterstützung für den Befreiungskampf in Algerien tätig.

      
Mehr dazu
Jakob Moneta: Mehr Gewalt für die Ohnmächtigen, Inprekorr Nr. 396/397 (November/Dezember 2004)
Jakob Moneta: Jakob Taut (1913-2001), Inprekorr Nr. 362/363 (Dezember 2001)
Jakob Moneta: 1923 – das Jahr der Entscheidung, Inprekorr Nr. 362/363 (Dezember 2001)
Jakob Moneta: Historischer Exkurs über eine Arbeiterregierung, Inprekorr Nr. 337/338 (November/Dezember 1999)
Jakob Moneta – Inteview zum achtzigsten Geburtstag, Inprekorr Nr. 278 (Dezember 1994)
 

1962 holten ihn seine alten Freunde aus der SAP, die in der Zwischenzeit in die SPD eingetreten waren und hochrangige Posten in der Gewerkschaft bekleideten, zurück nach Deutschland und übertrugen ihm die Chefredaktion der Mitgliederzeitschrift der IG Metall, der metall, und des Funktionärsorgans Der Gewerkschafter. Unter seiner Ägide veröffentlichte Günter Wallraff in der metall seine ersten Artikel über die Arbeitsbedingungen in deutschen Fabriken, und in den siebziger Jahren organisierte Jakob Moneta das berühmte Konzert mit dem ostdeutschen Sänger Wolf Biermann, das zu dessen Ausbürgerung aus der DDR führte. Er leitete die metall bis zu seiner Berentung 1978. Ihre Auflage wuchs unter seiner Leitung von 1,8 auf 2,2 Millionen.

Gleichzeitig arbeitete er, immer noch Mitglied der SPD, verdeckt für die deutsche Sektion der Internationale, erst innerhalb der SPD, dann, als die Sektion 1968 aus letzterer austrat und die GIM (Gruppe Internationale Marxisten) gründete, für ihre Zeitung Was tun. Bis zu seiner Rente schrieb er dort unter dem Pseudonym „Anna Armand“, später unter seinem Klarnamen, und er setzte das auch nach der Fusion der GIM mit der postmaoistischen KPD zur Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) in deren Zeitung SoZ fort, wo er eine ständige Kolumne hatte, noch, als er über neunzig Jahre alt war.

Und während all dieser Jahre war er nicht nur in der Gewerkschaftsarbeit engagiert, sondern auch in allen möglichen politischen Bewegungen, wie in der gegen den Vietnamkrieg, gegen die Atomkraft, gegen die Berufsverbote und nicht zuletzt gegen den Stalinismus. Bereits 1953 hatte er ein Buch über Aufstieg und Niedergang des Stalinismus veröffentlicht. Nach dem denkwürdigen Biermann-Konzert erließ die DDR-Regierung ein bis zum Jahr 2000 gültiges Einreiseverbot gegen ihn …

Nach dem Fall der Mauer wurde er nach 40jähriger Mitgliedschaft aus der SPD ausgeschlossen und trat, wie viele der GenossInnen der deutschen Sektion der Vierten Internationale, in die PDS, den Rechtsnachfolger der früheren SED, ein. Bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr war er Mitglied ihres Parteivorstandes.

Bis an sein Lebensende blieb Jakob untrennbar mit der Arbeiterbewegung und der Vierten Internationale verbunden. Und seine sehr persönlichen Gründe dafür, die tief in seinen Erfahrungen als jüdischer Kommunist wurzeln, beschreibt er in dem biographischen Essay von 1978 so:

„Wer nicht in den Konzentrationslagern ermordet wurde, wer nicht in den Gaskammern getötet wurde, wer nicht in den imperialistischen Kriegen gefallen ist, der hat kein Recht, den Kampf für den Sozialismus aufzugeben.“


Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 3/2012 (Mai/Juni 2012). | Startseite | Impressum | Datenschutz