Terry Conway
Eine Volksabstimmung darüber, ob Großbritannien in der Europäischen Union bleiben soll, wird am 23. Juni stattfinden. Die Entscheidung sie durchzuführen war ein Zugeständnis des konservativen Premierministers David Cameron, um zu versuchen, die rechten Euroskeptiker in seiner eigenen Partei zu besänftigen. Wie zu erwarten löst sie einen Aufgalopp der Reaktion aus.
Nach den Kommunal- und Regionalwahlen vom 5. Mai, bei denen die Labour-Partei unter Jeremy Corbyn recht gut abschnitt, gewann die Referendumskampagne an Fahrt. Diejenigen, die für den Brexit (den britischen Austritt aus der EU) werben, darunter der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson, konzentrieren sich in einer zutiefst fremdenfeindlichen und rassistischen Art auf die Frage der Migration.
Sie legten in den Umfragen zu, nach einem lächerlichen Beitrag von Cameron, in dem er behauptete, ein Austritt Großbritanniens aus der EU könne zum dritten Weltkrieg führen. Diese Art von Katastrophismus, auf den kurz danach noch Christine Lagardes Bemerkungen über die wirtschaftlichen Folgen eines Austritts folgten, war Wasser auf die Mühlen der Brexit-Freunde. Eine Mehrheit für den Exit scheint nicht unmöglich – was für ein schrecklicher Gedanke.
Es sind nicht nur die Konservativen, die in dieser Frage tief gespalten sind, der Linken geht es genauso.
Für Remain (den Verbleib in der EU) gibt es eine linke Kampagne unter dem Namen „Another Europe is Possible“ (AEIP – ein anderes Europa ist möglich); es umfasst Left Unity (Linke Einheit) und die Grünen und einige Labour-Linke, darunter Schatten-Finanzminister John McDonnell. Socialist Resistance unterstützt diese Kampagne. AEIP plant eine umfangreiche Reihe öffentlicher Versammlungen in ganz Großbritannien, um das Thema voranzubringen. AEIP unterstützt den Verbleib auf einer ganz anderen Grundlage als die Cameron-Kampagne; für ein soziales Europa, ein Europa der Völker, für mehr Demokratie. Auch die linke Feuerwehrgewerkschaft stimmte auf ihrer nationalen Konferenz im Mai für eine Position „In Europa bleiben, um Europa zu verändern“. [1]
Die von Jeremy Corbyn in Labour vertretene Position ist sehr ähnlich. Corbyn hielt am 21.5. eine kämpferische Rede auf einer Labour-Kundgebung, bei der drei AEIP-Mitglieder neben ihm auf der Bühne standen, und richtete das Feuer auf die Regierung Cameron. [2]
Die Scottish National Party unterstützt einen Verbleib, aber aus einer Position der EU-Begeisterung heraus.
Für den Exit (Austritt) gibt es die „Left Leave“-Kampagne (Linker Austritt), die von der Kommunistischen Partei Großbritanniens, der Socialist Workers Party und einige anderen kleineren Gruppen unterstützt wird und als „Lexit“ (Left + Exit) [3] bekannt ist, während die CWI / Socialist Party [4] eine eigene Exit-Kampagne hat.
Wahrscheinlich unterstützt derzeit eine Mehrheit derjenigen, die sich der radikalen Linken zurechnen, den Exit. Natürlich versuchen sie, sich von den Fremdenfeinden fern zu halten, aber sie werden von ihnen übertönt.
Es ist zutiefst beunruhigend, dass einige für den Lexit Aktive die Frage der Position von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern bei einem Austritt als von geringer Bedeutung abgetan haben. In ihren Argumenten für den Austritt behauptet die SWP fälschlicherweise, dass „fast zwei Drittel der Ausländerinnen und Ausländer in Großbritannien“ von außerhalb der EU kämen und damit „nicht betroffen“ seien; tatsächlich stammt die Mehrheit der Menschen, die ohne britische Staatsangehörigkeit im Vereinigten Königreich leben, aus EU-Ländern. [5]
Aber abgesehen von dem Streit um Zahlen ist die gesamte Argumentation von Selbstgefälligkeit durchdrungen. EU-Bürger, die in Großbritannien leben, haben sicherlich das Gefühl, ihre Lage könne in Gefahr sein, und angesichts der rassistischen Dynamik hinter der Brexit-Kampagne des Mainstreams könnte deren Erfolg die Situation noch schlimmer machen für alle Migranten - und für alle, die man für Migranten hält, weil ihr Aussehen, ihr Namen oder ihre religiösen Praktiken nicht dem reaktionären Mythos von dem entsprechen, was im 21. Jahrhundert als „Britisch“ gilt.
Eine andere Frage, auf die sich einige linke Exit-Befürworter konzentriert haben, ist die Frage des TTIP und besonders die Auswirkungen, die dieser reaktionäre Vertrag auf Großbritanniens staatliches Gesundheitswesen hätte. Natürlich ist es vollkommen richtig, sich gegen TTIP zu wenden, obwohl die Kampagne in Großbritannien bei weitem nicht das Ausmaß erreicht hat wie zum Beispiel in Deutschland. Aber die Realität ist doch, dass TTIP Teil einer Reihe von Freihandelsabkommen rund um den Globus ist und ein rechtslastiges Großbritannien nach dem Exit lautstark fordern würde, Mitglied derartiger Übereinkünfte zu werden.
Dies sind einige der Gründe, warum Socialist Resistance denkt, dass es ein großer Fehler wäre, eine Entscheidung für den Exit in diesem Referendum zu unterstützen und, dass eine Stimme für den Austritt schwerwiegende Folgen für Großbritannien und darüber hinaus hätte.
Dies nicht etwa, weil wir Sympathie für die EU hätten. Tatsächlich stimmen wir dem meisten zu, was die Lexiters dazu sagen. Die EU ist ein gegen die arbeitende Klasse gerichtetes Konstrukt, das ihren Mitgliedstaaten helfen soll, effektiver ihre Arbeitskräfte auszubeuten und das neoliberale Programm durchzusetzen. Darin sind wir uns einig.
Das wahre Gesicht der EU ist die Rolle, die sie in Griechenland gespielt hat, wo sie die Bevölkerung im Namen der neoliberalen Agenda in die Armut trieb – und sie wird das gleiche mit jedem anderen Mitgliedstaat machen, der aus der Reihe tanzt. Tatsächlich sind wir grundsätzlich dafür, die EU zu verlassen, aber das bedeutet nicht, dass wir für einen Exit in jedem Fall und ungeachtet der Konsequenzen sind!
|
||||||||||
Doch dies ist nicht der Exit einer linken Regierung, die beispielsweise mit den von der EU aufgezwungenen Sparmaßnahmen brechen will, sondern ein Exit als Teil eines fremdenfeindlichen rechten Projektes, das nur ein fremdenfeindliches rechtes Ergebnis haben kann.
Die Lexit-Kampagne behauptet, der Exit sei ein Weg, Cameron zu besiegen. Das Problem ist, dass in den Startlöchern noch schrillere Rechte stehen wie Boris Johnson.
Die Idee, dass ein Exit-Ergebnis zu einer Labour-Regierung unter Corbyn führen könnte, ist purer Wunschglaube, aber das ist genau das, was sie behaupten. Das bedeutet, den Optimismus bis in katastrophale Höhen zu treiben. Wann hätte je ein Sieg der Rechten die Linke vorangebracht?
Das Problem der Lexit-Kampagne ist, dass der Lexit nicht zur Abstimmung steht., Der einzige Exit im Angebot würde von der harten Rechten umgesetzt und die Folgen wären katastrophal; die politische Situation würde sich nach rechts verschieben. Er würde als Bestätigung für Rassismus und Anti-Einwanderungspolitik gesehen (und beansprucht) werden. Es würde der Rechten nicht nur in Großbritannien, sondern in ganz Europa Aufwind verschaffen.
Ein Exit unter den Bedingungen dieses Referendums würde den Kampf der arbeitenden Klasse eher zurückwerfen als ihn voranzubringen. Das ist eine sehr gefährliche Situation, je knapper der vorhergesagte Ausgang wird. Diejenigen auf der Linken, die erwägen, für den Exit unter diesen Bedingungen abzustimmen, sollten darüber nachdenken, dass sie eine Straße hinuntergehen, die die Rechte und die Rassisten sowohl hier in Großbritannien als auch in Europa stärken wird.
23. Mai 2016 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr Nr. 3/2016 (Mai/Juni 2016) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz