Die USA nach den Wahlen vom 3. November 2020
Dianne Feeley
In den Vereinigten Staaten sind wir seit Jahrzehnten in einem Zwei-Parteien-Wahlsystem gefangen, bei dem der Sieger alles bekommt. Dadurch dass es keine staatliche Finanzierung für die Kandidat*innen gibt, müssen sie ihre eigenen Mittel aufbringen. In der Regel spenden Fraktionen der Wirtschaftselite für den einen oder den anderen Kandidaten – oder sie sichern ihre Geschäfte ab und unterstützen beide. Die wirtschaftliche Schlagkraft der Wirtschaftselite bestimmt die Parteipolitik.
Die Oberste Gerichtshofs der USA entschied 2010 in dem Verfahren „Citizens United v. Federal Election Commission“, dass es der Regierung aufgrund des „First Amendment“ zur Verfassung verboten ist, die Redefreiheit einzuschränken – wobei Geldspenden als eine Form von Meinungsäußerung gelten. Mit jedem Präsidentenzyklus steigen die Beträge des eingesammelten und ausgegebenen Geldes drastisch an. Während im Jahr 2016 das Rennen um die Präsidentschaft 2,4 Milliarden Dollar kostete, werden es im Jahr 2020 schätzungsweise 6,6 Milliarden Dollar sein.
Doch als Milliardär war Donald J. Trump ein eigenartiger republikanischer Kandidat. Er hatte nie ein öffentliches Amt bekleidet, war eine bekannte Fernsehpersönlichkeit, die in der Vergangenheit mit der Demokratischen Partei verbunden war, und kandidierte nicht als typischer Republikaner, der an einem Regierungswechsel interessiert war, sondern als Populist. Und da er kein erfolgreicher Geschäftsmann war, fand seine Kampagne bei Big Business keinen besonders großen Widerhall. Zum Beispiel spendeten die rechten Brüder Charles und David Koch, die die zweitgrößte private Firma in den USA mit einem gemeldeten persönlichen Wert von jeweils 60 Milliarden Dollar besitzen, ihm nichts.
Im Gegensatz zu anderen, die für das Präsidentenamt kandidiert haben, hat Trump seine Einkommensteuererklärungen als Kandidat nie veröffentlicht und sein Vermögen nach seinem Sieg nicht in ein Treuhandvermögen überführt. Gerüchte über nicht bezahlte Rechnungen tauchten schon früh auf, aber das volle Ausmaß, in dem er Vertragspartner und sogar Banken betrogen hat, ist erst vor kurzem, nur wenige Wochen vor der diesjährigen Wahl von Reporter*innen der New York Times belegt worden. Wie ein altes Sprichwort sagt: Wer sich weigert, einen Kredit von 100 Dollar zurückzuzahlen, bekommt Probleme; wenn sich jemand weigert, eine Million Dollar zurückzuzahlen, gibt es Verhandlungen – und im Fall von Trump weitere Kredite.
Nach seiner Wahl hatte Trump keine große politische Agenda; sein Wunsch war es, weiter im Rampenlicht zu bleiben. So kündigte er zum Beispiel an, dass er den „Affordable Care Act“ („Obamacare“) aufheben und durch etwas Besseres ersetzen würde. Obwohl seine Regierung ein Gesundheitsprogramm, das für 20 Millionen erwerbstätige Menschen mit niedrigem Einkommen sorgt, rechtlich anfechten ließ, hat er nie auch nur Umrisse von etwas angedeutet, das an die Stelle treten sollte.
Trump verfügte auch nicht über das Personal, um die zahlreichen freien Stellen zu besetzen, die ein Präsident besetzen muss, angefangen beim Weißen Haus, auf Kabinettsebene und in den Behörden. Die rechtsgerichtete „Federalist Society“ kam ihm zu Hilfe und stellte eine Liste von Anwält*innen zur Verfügung, die für eine solche Gelegenheit qualifiziert waren. Trump nominierte also 200 Bundesrichter*innen, der Senat bestätigte sie und ernannte Neil Gorsuch (2017), Brett Kavanaugh (2018) und Amy Coney Barrett (2020) für den „Supreme Court“ (Obersten Gerichtshof) der USA. Diese Schar junger und rechter Richter*innen wird die Bundesgerichte auf Jahre hinaus beeinflussen. Während sich die meisten Mainstream-Kommentare zu diesen Ernennungen auf die kulturellen Fragen konzentrierten, die für Trumps evangelikale Basis wichtig sind (Anti-Abtreibung, anti-föderale Rolle im Gesundheitswesen, Anti-LGBTQ-Rechte), stehen diese Richter vor allem auf der Seite von Big Business.
Trumps „Errungenschaften“ im Amt sind Steuersenkungen für Unternehmen und Wohlhabende sowie Deregulierung und die Zerschlagung von Regulierungsbehörden. Dazu gehören die Ämter für Arbeitssicherheit und betriebliche Gesundheit, die Ermöglichung der Nutzung von Bundesland durch Konzerne und Viehzüchter, die Aufhebung von Einschränkungen für Verschmutzung von Luft, Land und Wasser. Das Koch-Imperium, das sein Geld in unterlegene republikanische Kandidaten investierte, hat davon dennoch beträchtlich profitiert.
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Im Oktober dieses Jahres zählte das Magazin Forbes 101 Milliardär*innen, die für die Trump-Kampagne gespendet hatten, während Biden von 186 Milliardär*innen auf seiner Seite berichtete. Diese Milliardär*innen verdienten ihr Geld in ähnlichen Branchen: in FIRE (Finance, Investment, Real Estate, also Immobilien), im Gesundheitswesen und pharmazeutischen Sektor sowie in der Kommunikations-, Elektronik- und Internetindustrie, nur dass Trump sehr viel mehr von der Ölindustrie und ein wenig mehr aus dem Immobiliensektor finanziert wurde. Am Ende des Sommers lag Biden beim Fundraising vor dem amtierenden Präsidenten. In den ersten beiden Oktoberwochen brachte er 167 Millionen gegenüber Trumps 82 Millionen US-Dollar auf. [1]
Die Milliardär*innen sahen keinen Vorteil darin, einen chaotischen Trump gegenüber einem Biden, der seit fast fünfzig Jahren ein politischer Akteur auf der nationalen Bühne ist, zu unterstützen. Als klar wurde, dass Trump ein angreifbarer Kandidat war, blieb die Frage, ob die Republikanische Partei bereit sein würde, Trump, falls nötig, durch verschiedene Manöver zu unterstützen. Doch am frühen Mittwochmorgen [am 4.11.], als Trump erklärte, er habe gewonnen und die Demokraten würden versuchen, die Wahl zu „stehlen“, stand sein Vizepräsident Mike Pence nicht hinter ihm. Zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass das republikanische Establishment Trump und seine Familie nicht mehr braucht.
Detroit, Michigan, 9. November 2020 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 6/2020 (November/Dezember 2020) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz