Radical Socialist (Indien)
1. Wir verurteilen Russland als imperialistischen Aggressor, der die Träume einer alten imperialen Epoche nutzt, um den Expansionismus zu rechtfertigen, und sind zutiefst besorgt über diesen Präzedenzfall, der später jede andere ehemalige Sowjetrepublik treffen könnte.
2. Als die USA in den Irak einmarschierten, benutzten wir nicht die Sprache der Diplomatie und strebten keine UN-Intervention an, sondern forderten den sofortigen und bedingungslosen Abzug der Aggressoren.
3. Diese Forderung gilt nicht nur für das Jahr 2022. Wir fordern die Russen auf, sich von jedem Zentimeter ukrainischen Territoriums zurückzuziehen. Dazu gehören die Krim und die Provinzen in der Ostukraine, auch wenn wir die Forderungen nach größerer kultureller und politischer Autonomie als gerecht anerkennen, damit die Ukraine zu einer demokratischeren und föderalistischen Struktur wird. Die Krim hatte 1992 eine eigene Verfassung, die ihr größere Selbstverwaltungsrechte verlieh, wobei einige Befugnisse an Kiew delegiert wurden. Zu Unrecht hat Präsident Kutschma diese Verfassung später annulliert.
4. Wir nehmen unsere Haltung gegenüber Russland nicht mit Blick auf die NATO ein. Aber unsere Haltung zur NATO bleibt, wie sie war. Die NATO war und ist eine imperialistische militärische Bedrohung, die nie irgendeine Legitimität hatte und nach dem Ende des Kalten Krieges hätte vollständig aufgelöst werden sollen. Deshalb unterstützen wir jetzt sicherlich keine NATO-Aktionen. Wir sehen die Weltpolitik jedoch nicht als das Schachbrett zwischen Großmächten, wo andere für ein angebliches kleineres Übel „geopfert“ werden müssen.
5. Es ist verständlich, dass ukrainische Aggressionsopfer eine Intervention anderer imperialistischer Mächte wünschen können, denn das war sowohl bei russischen Interventionen als auch bei US-Interventionen der Fall. Aber wir unterstützen keine solche derartige Forderung. Wir sind der Ansicht, dass solche Appelle auch den Opfern selbst schaden, denn wenn sie so etwas wünschen, fordern sie praktisch Auseinandersetzungen zwischen nuklear bewaffneten Imperialisten und keine Maßnahmen durch global akzeptierte Strukturen. Angesichts der Vetorechte der fünf Großmächte im UN-Sicherheitsrat ist eine Beteiligung der Vereinten Nationen als Pufferkraft völlig unrealistisch.
6. Wir haben keine allgemeine Haltung zu Sanktionen als Prinzip. Wir waren für Sanktionen gegen den südafrikanischen Apartheid-Staat und wir sind für Sanktionen gegen die israelische Kolonialbesatzung. Wir waren gegen die Sanktionen, die gegen den irakischen Staat verhängt wurden, nachdem er 1991 durch den Krieg zerstört worden war, denn es waren mörderische Sanktionen, die keiner gerechten Sache dienten, sondern nur der Unterwerfung eines Staates unter den US-Imperialismus zu einem quasi genozidalen Preis für seine Bevölkerung. Die Westmächte haben eine ganze Reihe neuer Sanktionen gegen den russischen Staat wegen seiner Invasion in der Ukraine beschlossen. Einige davon werden vermutlich in der Tat den Handlungsspielraum von Putins autokratischem Regime bei der Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie einengen, während andere zulasten der russischen Bevölkerung gehen, ohne dem Regime oder seinen oligarchischen Spießgesellen wesentlich zu schaden. Solange es sich jedoch um Sanktionen im Kontext interimperialistischer Konflikte handelt und nicht um solche wie gegen Südafrika, die durch Massenkämpfe herbeigeführt wurden, unterstützen wir keine der beiden Seiten.
7. Als revolutionäre Marxist*innen und als Internationalist*innen unterstützen wir das Recht auf Selbstbestimmung für alle unterdrückten Minderheiten. Deshalb unterstützen wir zwar das ukrainische Selbstbestimmungsrecht, unterstützen aber auch das Recht der Krim und der Bewohner*innen der ostukrainischen Provinzen, demokratisch zu entscheiden, welche Zukunft sie wollen, nicht unter Putins „liebevollem Schutz“, aber auch nicht unter ukrainischer militärischer Bedrohung.
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8. Die Modi-Regierung [in Indien] hat sich schändlicherweise geweigert, die Invasion zu verurteilen. Dies hat die ukrainische Regierung und Öffentlichkeit verärgert und zu Indien auf Distanz gehen lassen, was die rasche Evakuierung indischer Bürger*innen erschwert und ihre Sicherheit gefährdet hat. Diese angeblich höchste humanitäre Verantwortung gegenüber den eigenen Bürger*innen musste gegenüber ihren diplomatischen Spielchen in den Hintergrund treten.
9. Die bürgerlichen Oppositionsparteien haben entweder geschwiegen, oder im Falle der Kongresspartei unterscheidet sich ihr offizieller Standpunkt tatsächlich nicht von dem der Regierung.
10. Die CPM hat sich geweigert, die russische Aktion eine Invasion zu nennen und nannte sie nur „unglücklich“. Gemeinsam mit der CPI [1] legt sie den Fokus darauf, den USA und der NATO die Hauptverantwortung für das zuzusprechen, was sich entwickelt hat und worauf Russland angeblich „reagiert“ habe. Dieses Fehlen einer klassenbasierten Position macht ihr und ihren Anhänger*innen auf der Suche nach Orientierung keine Ehre und schadet der Glaubwürdigkeit der Linken im Allgemeinen.
11. Für eine demokratische und sozialistische Ukraine.
12. Unser Gruß an die heroischen Russ*innen, die sich gegen das Kriegsgeschrei erhoben haben.
28.02.2022
Übersetzung: B. Mertens |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 2/2022 (März/April 2022) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz