Benjamin Netanjahu hatte sehnsüchtig auf diesen Sieg gehofft und alles getan, um dazu beizutragen, sei es, indem er seine rechten Verbündeten in den USA mobilisierte oder einen Waffenstillstand in Gaza blockierte, den Joe Biden und die Demokraten sich zur Unterstützung ihres Wahlkampfes erhofft hatten. Was also erwartet uns jetzt, nachdem Trumps Rückkehr ins Weiße Haus feststeht?
Gilbert Achcar
Trumps Sieg für das Amt des US-Präsidenten ist eine große Katastrophe für die Völker der Region, zusätzlich zu der gewaltigen Nakba, die seit der von der Hamas geführten „Al-Aqsa-Flut“ tobt.
Unterzeichnung des "Normalisierungsabkommens", 2020 (Foto: Flickr) |
Nach den vorliegenden Informationen und gemessen an Trumps Verhalten während seiner ersten Amtszeit, seinen Äußerungen im Wahlkampf und dem, was aus seinem Umfeld durchgesickert ist, wird er bestrebt sein, als ein Macher aufzutreten, der „Frieden“ schafft, im Gegensatz zu Biden, der den Krieg nur hinausgezögert hat und nicht in der Lage ist, Konflikte zu lösen. Auch wenn Trump versucht, Kriege zu beenden, die nicht im Interesse der USA seien, geht es ihm in erster Linie darum, seine Interessen durchzusetzen. Während er einerseits in seiner ersten Amtszeit mit den Taliban über den Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan verhandelte und auf Wunsch des türkischen Präsidenten Erdoğan die militärische Absicherung der Kurden in Syrien beenden wollte, trat er andererseits für die Aufrechterhaltung der militärischen Präsenz der USA im Irak ein und signalisierte damit sein unverhülltes Interesse am Ölreichtum des Landes.
Und obwohl er partout ein „Jahrhundertabkommen“ zu Palästina einfädeln wollte, war der von ihm vorgeschlagene „Friedensvertrag“ so ungerecht, dass selbst Mahmud Abbas ihn ablehnte, während Netanjahu begeistert einschlug, weil ihm klar war, dass niemand auf palästinensischer Seite die Bedingungen eines solchen „Abkommens“ akzeptieren würde. Netanjahu hoffte also, dass mit einer Ablehnung dieses „großzügigen“ Angebots der Weg für die Annexion des Westjordanlandes durch den zionistischen Staat frei würde.
Hinzu kam, dass Trump die traditionelle Haltung der US-Administration im Nahostkonflikt zugunsten Israels aufgegeben hat, sei es, indem er die Annexion der besetzten syrischen Golanhöhen durch Israel billigte oder die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte und das US-Konsulat für die seit 1967 besetzten Gebiete schloss, alles Maßnahmen zur Unterstützung des zionistischen Expansionismus. Ganz zu schweigen von seinem Einverständnis mit Israels Haltung gegenüber dem Iran, seinem Rückzug aus dem Atomabkommen, das die Regierung unter Barack Obama nach langen und schwierigen Verhandlungen mit Teheran geschlossen hatte, und der offenen Provokation durch die Ermordung von Qasem Soleimani, dem Kommandeur der Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden, etc.
Trump hat kein Interesse daran, die Ukraine zu unterstützen, und würde lieber eine Vereinbarung mit Wladimir Putin zum Wohle des russischen Präsidenten treffen, den er für seine reaktionären Positionen bewundert, während er zugleich dort investieren möchte. Ein Bündnis mit den europäischen Ländern scheint ihm sinnlos, es sei denn, sie machen den USA mehr wirtschaftliche Zugeständnisse und erhöhen ihr militärisches Engagement, v. a. in Hinblick auf den Konflikt der USA mit China, das Trump als Amerikas Hauptkonkurrenten sieht (wobei die Feindschaft zu China zu den ideologischen Grundfesten der von ihm geführten imperialistischen Rechten in den USA gehört).
Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass für Trump das Öl und die Petrodollars der arabischen Golfmonarchien im obersten Interesse der USA liegen und er dabei den zionistischen Staat als unschätzbaren Verbündeten betrachtet, weil er als Wachhund dieser Interessen dient. Das liegt daran, dass seine persönlichen und familiären Belange an erster Stelle unter den Interessen im weiteren Sinn rangieren, während die „US-Interessen“ in ihrem engsten und unmittelbarsten Sinne verstanden werden. Und diese Interessen bestimmen Trumps Verhalten, zusätzlich zu dem Wunsch, den primitivsten Instinkten der Öffentlichkeit zu schmeicheln (was man allgemein als „populistisch“ oder „demagogisch“ bezeichnet) und sonst nichts.
Es ist daher zu erwarten, dass er die Position der Biden-Regierung zum Libanon beibehalten wird, d. h. den laufenden Krieg zu Bedingungen zu beenden, die Israel zufriedenstellen. Dies soll auf der Grundlage des Rückzugs der Hisbollah-Truppen aus in der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats von 2006 festgelegten Gebiets im Norden und deren schrittweisen Ersetzung sowie auch der Ersetzung der israelischen Besatzungstruppen durch die reguläre libanesische Armee erfolgen. Dabei soll unter Aufsicht der USA gewährleistet werden, dass die Hisbollah nicht in das oben genannte Gebiet zurückkehrt und dass ihr Raketenarsenal nicht vom Iran über syrisches Hoheitsgebiet hinweg wiederaufgestockt wird.
Dies würde mit einer Stärkung der libanesischen Armee und einer möglichen Änderung des Kräftegleichgewichts im Libanon einhergehen, sodass der von den USA dominierte libanesische Staat über die vom Iran dominierte Hisbollah siegen könnte. Der Abschluss eines solchen Abkommens ist jedoch derzeit von der Zustimmung des Irans abhängig, der dieses nach wie vor ablehnt, damit die Hisbollah weiter im Gefecht bleibt und somit in eine mögliche Konfrontation zwischen dem Iran und der amerikanisch-israelischen Allianz involviert ist.
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Netanjahu ist davon überzeugt, dass Trump eher bereit sein wird, sich auf eine solche Konfrontation einzulassen, als Biden. Er hat bereits einen Vertreter entsandt, um mit Trump über die nächsten Schritte gegenüber dem Iran zu verhandeln. Trump wird sich auch mit seinen Freunden am Golf beraten, die trotz ihrer diplomatischen Töne gegenüber Teheran und ihrer Sympathiebekundungen für die Menschen in Gaza auf einen entscheidenden Schlag gegen den Iran hoffen. Die Attitüde dient nur dazu, einer möglichen Eskalation des Irans im Palästina-Konflikt entgegenzuwirken und Teheran dazu zu bringen, ihre Ölanlagen zu verschonen, denen Teheran einen Schlag angedroht hat, falls seine Atomanlagen angegriffen werden. Die Wahrscheinlichkeit eines gemeinsamen amerikanisch-israelischen Angriffs auf den Iran ist mit der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus enorm gestiegen. Er wird sicherlich versuchen, die Hegemonie der USA über die Golfregion wieder zu stabilisieren, die unter Obama und Biden gelitten hat.
Für Palästina wird Trump wahrscheinlich Israels offizielle Annexion eines großen Teils des Westjordanlands und des Gazastreifens (insbesondere dessen nördlichen Teils, wo derzeit eine „ethnische Säuberung“ durch die zionistische Armee durchgeführt wird) unterstützen, damit es seine Siedlungen im Westjordanland ausweiten und in Gaza wieder errichten kann. Israel wird auch die strategischen Korridore behalten, um die dann noch verbleibenden Siedlungen der palästinensischen Bevölkerung in den beiden besetzten Gebieten kontrollieren zu können.
Wie in dem von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ausgearbeiteten und Anfang 2020 angekündigten „Jahrhundert-Deal“ wird das wahrscheinlich auf eine „Entschädigung“ hinauslaufen, bei der die Palästinenser im Austausch für die ihnen geraubten und offiziell dem israelischen Staatsgebiet angegliederten Gebiete Teile der Negev-Wüste erhalten sollen. Vor acht Monaten plädierte Kushner dafür, Israel solle den nördlichen Teil des Gazastreifens übernehmen und in die Entwicklung seiner „Meeresfront“ investieren und die palästinensischen Bewohner in die Negev-Wüste umsiedeln.
Natürlich wird ein solches „Abkommen“, das das palästinensische Volk für dumm verkauft, keinen einzigen ernsthaften Befürworter auf palästinensischer Seite finden. Die zionistische extreme Rechte wird weiterhin alles daran setzen, die Nakba von 1948 zu vollenden, indem sie das gesamte palästinensische Gebiet zwischen dem Jordan und dem Meer annektiert und die meisten seiner Bewohner vertreibt.
aus mediapart vom 13.11.24 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 1/2025 (Januar/Februar 2025) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz