Stellungnahme der britischen Anti*Capitalist Resistance zu den US-Präsidentschaftswahlen
Anti*Capitalist Resistance
Am 6. November 2024 hat Donald Trump eine zweite US-Präsidentschaft gewonnen. Die Republikanische Partei hat nun fast die vollständige Kontrolle über die Institutionen der US-Politik, da sie auch im Senat Zugewinne erzielte, was ihr die Kontrolle über die gesamte Legislative, das Präsidentenamt und den Obersten Gerichtshof verschaffte. Es ist ein Sieg für die US-Plutokraten und Oligarchen, Elon Musk, Jeff Bezos, die Krypto-Fans und die Tech-Bros [1] der Westküste. Der Trumpismus ist Teil der globalen konterrevolutionären Welle von rechtsextremen Populisten, Autoritären, Halbfaschisten und Libertären, die in Ländern auf der ganzen Welt die Macht übernehmen. Wir erleben einen Prozess eines allgemeinen Rechtsrucks, der durch den Neoliberalismus und den Zusammenbruch des liberalen Konsenses der Nachkriegszeit verursacht wurde. Der Trumpismus ist derselbe Trend, der Modi in Indien, Duterte auf den Philippinen, Meloni in Italien und viele andere hervorgebracht hat.
D. Trump Wahlkampf in Arizona (Foto: Gage Skidmore, August 2024) |
Aber gerade dieser Sieg ist eine Katastrophe für Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Die Macht des US-Imperialismus, etwas zu tun oder zu lassen, ist nach wie vor ein entscheidender Faktor in der Weltpolitik.
Eine zweite Trump-Präsidentschaft wird genauso chaotisch und abscheulich sein wie die erste. Nur werden seine wichtigsten geistigen Unterstützer:innen jetzt viel klarer wissen, was sie daraus machen wollen. Das „Project 2025“ ist eine Blaupause für einen autoritären US-Staat; dazu gehören Pläne, Tausende von Regierungsangestellten zu entlassen und den Rest der US-Regierungsbürokratie unter die Kontrolle des Präsidenten zu stellen. Abschaffung des Bildungsministeriums, um die Kontrolle der Lehrpläne auf Länderebene zu ermöglichen. Es geht auch darum, die Gesundheitsversorgung und die sozialen Rechte von Transgendern zurückzudrängen, was die Existenz von Transgendern in einigen Staaten fast unhaltbar macht. Es bedeutet die Abschaffung des Schutzes auf Bundesebene für die Gleichstellung der Geschlechter, die sexuelle Orientierung und die Reproduktionsrechte. Höchstwahrscheinlich soll auch verhindert werden, dass Abtreibungspillen per Post verschickt werden, was in den USA die wichtigste Möglichkeit für Abtreibungen ist. Wir werden erleben, dass „Gespräche“ über die Entrechtung von Frauen zur Normalität werden. Dazu gehören auch die Kürzung der Mittel für Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieerzeugung und die Streichung von Zielen zur CO2-Reduzierung.
Ob Trumps Versprechen, vom ersten Tag an ein Diktator zu sein und das Militär gegen politische Gegner einzusetzen, heiße Luft für den Wahlkampf war oder nicht, ist nicht bekannt. Aber dass er einen so reaktionären Wahlkampf führte und eine so erhebliche Unterstützung erhielt, verrät etwas über das Anwachsen rechtsextrem-populistischer Ideen. Wir wissen, dass sowohl er als auch sein Vizepräsident JD Vance kürzlich ein Buch mit dem Titel „Unhumans“ unterstützt haben, ein Programm für den Massenmord an linken Aktivist:innen nach dem Vorbild von Pinochet in Chile. Hier offenbart sich der faschistische Kern neoliberaler Politik, damit hat sich jetzt den Kreis geschlossen.
Diese Niederlage beruht weitgehend auf der erbärmlichen Politik und der gescheiterten Strategie der Demokraten. Es ist klar, dass die Demokraten nicht einmal ein verbeulter Schild gegen das Anwachsen der extremen Rechten sind; tatsächlich befeuern sie das Problem aktiv. In einer Zeit von Angst und Spaltung machten sie weiter wie gewohnt.
Sie führten eine Kampagne gegen einen Populisten, der sich an „das einfache Volk“ wendet, indem sie sich stattdessen auf die Tugenden des Establishments konzentrierten – und ständig wiederholten, Trump sei ein Verbrecher, als ob es in den USA nicht Millionen von Verbrechern in einem korrupten und unfairen Justizsystem gäbe, die in ihm einen verfolgten Märtyrer sehen könnten. Die Fixierung der Demokraten auf die Gerichte, um ihn vor der Wahl zu Fall zu bringen, scheiterte völlig und stärkte seinen populistischen Ruf. Sie bevorzugten einen Wahlkampf aus der Mitte heraus, der sich auf die Unterstützung durch Prominente konzentrierte, Republikaner aus der Mitte herüberziehen wollte und [die republikanische Trump-Kritikerin] Liz Cheney zur Schau stellte. Sie appellierten an die Überzeugung, die USA seien ein Land der Chancengleichheit und habe den Rassismus überwunden, obwohl dies offensichtlich nicht der Fall ist.
Trump und seine Anhänger:innen durchschauen das. Sie wissen, dass es eine Lüge ist. Sie selbst bevorzugen bulliges Auftreten, Macho-Haltung, Recht des Stärkeren und Freiheit von Verantwortung für ihr Reden und Handeln. Die Demokraten konzentrierten sich in den letzten Wochen darauf, Trump als Faschisten zu bezeichnen – die Reaktion seiner Anhänger:innen war entweder ein Achselzucken oder sie fühlten sich bestätigt, dass er die Liberalen so sehr verärgert hat. Trump ist eine Chiffre für die egoistischsten und reaktionärsten Ansichten in der US-Gesellschaft, aber die Demokraten waren keine Alternative. Seine Bewegung kristallisierte eine Sichtweise in den USA, die Gleichheit ablehnt und Herrschaft befürwortet. Seine Bewegung ist für den US-Staat kein Fremdkörper; sie ist in ihr verwurzelt.
Die globale konterrevolutionäre Welle ist weitgehend eine Reaktion auf die Errungenschaften der Nachkriegszeit – die Fortschritte von Frauen, Schwarzen, der LGBTQIA+-Community und anderen. Trump sprach vor allem weiße und junge Männer an, christlich-nationalistische Rechtsextreme und Tech-Bro-Unterstützer von Elon Musk. Er sammelte auch Stimmen von arabisch-amerikanischen Menschen, die sich gegen die Demokraten wandten, weil sie Israels Völkermord in Gaza finanzierten (obwohl Trump die gleiche Politik verfolgen wird). Aber er erhielt auch Unterstützung von einer beträchtlichen Anzahl von Schwarzen (gemeint sind People of Color) und Frauen, die das liberale Establishment ablehnen und die Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft lösen wollen, indem sie sich ihre suprematistischen Werte zu eigen machen. Ein Teil der schwarzen Bevölkerung in den USA befürwortet auch Massenabschiebungen von neu angekommenen Einwanderern, wenn dies die Preise drückt und die Löhne verbessert (wie Trump behauptet). Das ist der Kern des Populismus; er verkleistert Widersprüche und spricht unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Weise an; dabei nimmt er für sich in Anspruch, einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben und verleugnet sinnvolle Veränderungen.
In seinem populistischen Programm wird es erhebliche Widersprüche geben. Trump versprach einen Goldrausch mit fossilen Brennstoffen, um die Energiekosten zu senken und die Inflation zu bekämpfen, aber er will auch Zölle auf Importe, um die US-Industrie zu stärken, was die Preise in die Höhe treiben wird. Es scheint unwahrscheinlich, dass er einen besseren Lebensstandard und mehr Arbeitsplätze für die US-Bürger:innen schaffen wird, vor allem nicht mit massiven Kürzungen im öffentlichen Sektor. Aber wir müssen uns auch davor hüten, davon auszugehen, dass die Menschen in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen wählen – die moderne politische Landschaft ist weitaus komplizierter und eher von ideologischen Spaltungen als von einfachen finanziellen Berechnungen zerrissen.
Seine Andeutung, er werde die Unterstützung für die Ukraine zurückziehen und „den Krieg dort beenden“, bedeutet mit ziemlicher Sicherheit, dass die imperiale Annexion Russlands fortgesetzt werden kann. Was dies für die gesamte Region bedeutet, wenn Putin sein Expansionsprojekt fortsetzt, bleibt abzuwarten. Sicherlich wird uns das Entstehen einer stärker multipolaren Welt irgendwann einem dritten Weltkrieg näherbringen. Für die Palästinenser:innen bedeutet es auch mehr Gemetzel und Zerstörung: Trump hat Netanjahu gegenüber klar gemacht, dass die rechtsextreme Führung Israels „alles tun kann, was sie tun muss“, um zu gewinnen.
Die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Widerstands steht außer Frage. Es wird viele Menschen geben, die sich im Moment hoffnungslos oder voller Verzweiflung fühlen, und das ist genau das, was die extreme Rechte und die Faschisten wollen. Sie haben sadistische Freude an den Niederlagen, die sie den „Woke“ und der Linken zufügen. Aber die Politik wird bestimmt durch Kämpfe um Macht und Gegenmacht, durch den Aufbau von Massenbündnissen des Widerstands, durch das Identifizieren der Schwachstellen auf der Seite des Feindes und durch die Mobilisierung von Kräften, um ihre Stärke zu brechen.
ACR ist in völliger Solidarität mit denjenigen in den USA, die diese autoritäre Wende ablehnen und für eine bessere Welt kämpfen wollen. Wir wissen, dass die nächsten Jahre schwierig werden, aber unsere Bewegung hat schon früher schwierige Zeiten durchgestanden. Wir wissen, dass die Dinge schlimmer werden, bevor sie besser werden. Aber wir wissen auch, dass wir für eine Welt jenseits von Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus eintreten können, die auf einer Gesellschaft basiert, die für alle sorgt und nachhaltig mit der Umwelt umgeht. Die außer Kontrolle geratene globale Erwärmung ist schon jetzt sichtbar, ebenso wie das weltweite Erstarken der extremen Rechten; die beiden sind miteinander verknüpft. Und Politik endet nicht an der Wahlurne – das ist eine weitere Lüge, auf die sich die Demokraten stützten. Die Macht kommt aus unserer Organisierung und unserem Widerstand. Wir kämpfen für einen revolutionären Wandel. Unsere Rolle ist es, Teil des internationalen Kampfes zu sein, um die Welt zu verändern, die Zukunft zurückzuerobern und eine bessere Gesellschaft für alle aufzubauen!
06. Nov 2024 Anti*Capitalist Resistance ist eine marxistische Organisation in England und Wales, die 2021 als Zusammenschluss von mehreren revolutionär-marxistischen Gruppierungen entstand. Die dortigen Mitglieder der Vierten Internationale arbeiten in A*CR mit. |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 1/2025 (Januar/Februar 2025) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz