Paul Flewers
Liebe Genossen,
wenn ich den Israel-Artikel auf Eurer Website lese, denke ich, dass Ihr die Idee eines demokratisch-säkularen Staates als Lösung des Problems Israels und der Palästinenser zu schnell abschreibt. Ihr betrachtet dies entweder als utopisches Schema oder als Aufruf zur militärischen Zerschlagung Israels durch die arabischen Nachbarstaaten. In keinem Fall sei es eine Option, und Ihr tretet für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, einen israelischen Staat neben einem palästinensischen Staat. Unter den gegenwärtigen Bedingungen würde eine solche Zwei-Staaten-“Lösung“ bedeuten, dass die Palästinenser ein paar Streifen Land bekommen, die Zipfel, die sie jetzt kontrollieren und ein paar dazu. Das wäre so, als würde israelische Regierung den Palästinensern die Rieselfelder von Peckham und Hackney, Thamesmead und ein paar andere heruntergekommene Viertel von London geben und den Rest der Hauptstadt selbst behalten.
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Noch bedeutsamer wäre, dass die Teilung die zunehmenden reaktionären Trends in Israel noch verstärken würde – faschistische, fundamentalistische Tendenzen sowohl im Judaismus als auch im Islam. Dies würde die Spaltung zwischen Juden und Palästinensern vertiefen und zu Ausgrenzungstendenzen in beiden Staaten führen, mit üblen Konsequenzen für die, die nicht „hineinpassen“: arabische Bürger Israels, Christen etc.
Teilung ist eine reaktionäre Lösung. Die Teilung Irlands führte zu Priester-gesteuerten Gesellschaften im Süden und im Norden, die Teilung Indiens führte zu riesigen Massakern und ständigen Spannungen zwischen Indien und Pakistan. Ist es das, was Ihr wollt – denn das wird passieren. Nein, so „utopisch“ es vielleicht klingt, ein demokratisch-säkularer Staat ist eine vernünftige Idee. Das bedeutet, dass alle Einwohner in einem einzigen Staat ohne Bevor- oder Benachteiligung einer Religion oder Nation leben können. Also kurz die Forderung, dass Israel sich wie eine richtige bürgerliche Republik verhalten soll. Wenn das utopisch klingt, scheint nicht auch die Idee des Sozialismus im Augenblick „utopisch”? Und doch wird das weder Euch noch mich davon abhalten dazu aufzurufen.
Mit solidarischem Gruß
Paul Flewers
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 372/373 (November/Dezember 2002). | Startseite | Impressum | Datenschutz