Martin Thomas
„Zwei Staaten” bedeutet Selbstbestimmung für beide Nationen in Israel/Palästina.
Es ist schade, dass das Land und seine Ressourcen nicht genau gleich geteilt werden können. Aber das Problem besteht überall in der Welt. Selbstbestimmung für unterschiedliche Nationen bedeutet, dass sie unterschiedliche Teile des Landes bekommen, mit sehr unterschiedlichen Ressourcen, entlang Linien, die von Kriegen, Eroberungen, Bevölkerungsbewegungen und so weiter in den letzten Jahrzehnten, Jahrhunderten und Jahrtausenden entschieden wurden. Selbstverständlich sind wir für maximal mögliche Integrität und Unabhängigkeit des palästinensischen Staats und für Reparationen und Unterstützungen, um den Palästinensern zu helfen.
Für uns ist Selbstbestimmung kein Ende in sich oder eine komplette Lösung. Wir wollen keine Welt nationaler Grenzen. Selbstbestimmung ist Teil eines Programms zur Vereinigung der Arbeiter verschiedener Nationen, um bei der Schaffung einer vereinigten, weltweiten Arbeiterklasse und einer vereinigten, weltweiten Arbeiterrepublik zu helfen. Aber dies muss eine freie Einheit sein und keine, bei der eine Nation die andere unterjocht. Wir sind für ein vereinigtes Europa. Wir schlagen nicht die sofortige Verschmelzung Deutschlands und Frankreichs zu einem einzigen Staat vor.
„Die Teilung würde die zunehmenden reaktionären Trends in Israel noch verstärken /…” Teilung ist ein Fakt mindestens seit 1948, in gewisser Weise auch länger. Nur dass es bisher eine einseitige „Teilung” war – die israelischen Juden hatten ihren eigenen Staat, während die palästinensischen Araber unter den Stiefeln erst jordanischer und ägyptischer und dann israelischer Besetzung leben mussten. Würde Israel seinen Stiefel vom Nacken der palästinensischen Araber nehmen, wäre dies ein großer Gewinn für Demokratie und Arbeiterklassenpolitik in Israel.
Der einzige Weg, diese „Teilung” aufzuheben, wäre eine erzwungene Vereinigung auf dem Gebiet von Palästina. Von wem erzwungen? Am einfachsten durch eine chauvinistische Expansion Israels, um das Gebiet als ein „Groß-Israel” zu vereinigen. Das wäre keine Lösung für das Problem der nationalen Rechte der Palästinenser, selbst wenn dieses „Groß-Israel” säkular und parlamentarisch-demokratisch wäre, mit vollen individuellen Rechten für seine arabischen Bürger – was es natürlich nach der erforderlichen Eroberung nicht wäre. Ebenso wenig würde ein durch eine arabische Eroberung Israels geschaffener vereinigter Staat die nationale Frage lösen, selbst wenn die wenigen verbliebenen jüdischen Bewohner ein paar individuelle Rechte hätten.
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„Teilung” ist hier nur ein anders Wort für das Recht auf Abtrennung. War die Teilung des Vereinigten Königreichs von vor 1920 zur Schaffung eines unabhängigen irischen Staates reaktionär? Wenn die Schotten den starken Wunsch nach Unabhängigkeit hätten, wäre dann die „Teilung” Britanniens zu diesem Zweck reaktionär? Wäre die Teilung Sri Lankas, um Selbstbestimmung für die Tamilen zu erreichen, reaktionär?
Wir wollen, dass jeder Staat einer ist, in dem „alle Einwohner in einem einzigen Staat ohne Bevor- oder Benachteiligung einer Religion oder Nation leben können”. Wir sind dafür, dass sowohl der israelisch jüdische wie der palästinensisch-arabische Staat – wie alle Staaten in er Welt – so demokratisch und säkular sind, wie wir sie machen können Und wir sind auch für das Recht auf nationale Selbstbestimmung.
Wir sind für den Sozialismus. Wir sind nicht für Arbeitergeld. Marx schrieb über „Arbeitergeld”, dass diese Lösung nur in einer Situation durchgesetzt werden könnte, in der das „Problem”, das gelöst werden sollte, nicht mehr existiert (eine vollständig sozial kontrollierte Gesellschaft). Die Antwort auf den israelisch jüdisch/palästinensisch-arabischen Konflikt, die beiden Nationen in einen einzigen Staat zu vereinigen – etwa worauf wir als Antwort bestehen, egal ob sie es gut finden oder nicht, wie bei keinen anderen zwei Nachbarnationen auf der Welt – kann nur dann eine wirkliche Antwort sein, wenn sich die nationalen Antagonismen so weit aufgelöst haben, dass sie nicht länger ein größeres Problem sind. Um ihnen bei der Auflösung zu helfen, brauchen wir ein demokratisches Programm, das das Recht auf Selbstbestimmung beider Nationen angeht.
Übersetzung aus dem Englischen: Björn Mertens |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 372/373 (November/Dezember 2002). | Startseite | Impressum | Datenschutz