Die revolutionären Sozialist*innen von Anticapitalistas [1] haben ihren Kurs geändert [2] und über das Ausscheiden aus Podemos abgestimmt. [3] Dieser Schritt erfolgte sechs Jahre, nachdem sie geholfen hatten, Podemos zu initiieren [4] (eine breite Linkspartei im Spanischen Staat), und das Ergebnis der Abstimmung ist vier Monate, nachdem Pablo Iglesias die Partei in eine Koalitionsregierung mit der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) geführt hatte [5], veröffentlicht worden. In einer Zeit, wo es im Spanischen Staat eine der höchsten Raten an Covid-19-Toten pro Kopf gibt (bis zum 14. Mai 27 104 Tote), stellen sich der Linken dort große Fragen, war der Spanische Staat doch einer der Orte, wo es breite und reale kämpferische Bewegungen, die weit in die Gesellschaft hineingereicht haben, kreative Prozesse und bedeutende Debatten über sozialistische Strategie und Organisierung gegeben hat.
(Nach „No Border News“)
Am 28. März ist ein Prozess interner Abstimmungen zu Ende gegangen, damit hat Anticapitalistas sich für das Ausscheiden aus Podemos entschieden. Bei einer Beteiligung von 79 % der Mitgliedschaft haben 89 % dafür gestimmt, 3 % dagegen und 7,5 % der Mitglieder haben sich enthalten. Wir haben beschlossen, mit der Veröffentlichung bis heute zu warten: Unsere Priorität war es, die Aufmerksamkeit auf die COVID-19-Pandemie zu richten, die das Land hart trifft und die schwächsten Schichten der Bevölkerung am härtesten betrifft.
Als Mitbegründer*innen dieser Organisation war es eine kollektive Erfahrung voller Interesse und wird immer Teil unserer Geschichte sowie der Geschichte von Podemos sein. Die Ziele, die uns dazu veranlasst haben, an der Gründung dieser Organisation mitzuwirken, sind in der ganzen Welt bekannt. Es war notwendig, ein breites und radikal demokratisches politisches Subjekt zu formen, das eng mit den Kämpfen und mit den sozialen Bewegungen verbunden war und das in der Lage war, die wirtschaftliche, kulturelle und politische Macht der Eliten herauszufordern und die Auswirkungen eines aggressiven und unkontrollierten Neoliberalismus umzukehren. Natürlich in der Perspektive, eine gesamtpolitische Alternative zum ökozidalen und patriarchalischen Kapitalismus zu denken und aufzubauen.
Wir meinen, dass diese Ziele nach wie vor gültig sind, aber dass Podemos heute nicht mehr der Raum ist, von dem aus Anticapitalistas seinen Beitrag leisten kann. Wir haben unsere Positionen oft dargelegt und sie auf solidarische Art und Weise mit denen von anderen Strömungen der Linken abgeglichen. Leider ist Podemos heute nicht die Organisation, die wir anfangs aufbauen wollten: Das Organisationsmodell und das interne Regime, das auf der Zentralisierung von Befugnissen und Entscheidungen in einer kleinen Gruppe von Personen beruht, die mit öffentlichen Ämtern und dem Generalsekretär verbunden sind, lässt wenig Raum für eine pluralistische kollektive Arbeit. Offenkundig ist das ein Modell, das sich auf dem gesellschaftlichen Feld überhaupt nicht bewährt hat: Die aktivistische Organisation und die Kraft von unten, die Podemos seinerzeit hatte, ist mit diesem Modell verwässert, desorientiert und verdunstet, ohne dass sich dies, wie sie zur Rechtfertigung behauptet haben, in einer Verbesserung der Wahlergebnisse niedergeschlagen hätte.
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Andererseits wurde Podemos als eine politische Bewegung gegen die wirtschaftlichen und politischen Regeln des Systems geboren. Es ist offensichtlich, dass sich die Strategie geändert hat. Für Podemos hat sich das „Mögliche“ im Laufe der Jahre immer weiter reduziert: Unserer Ansicht nach bleibt es die Aufgabe, das Notwendige möglich zu machen. Der Höhepunkt dieses Abdriftens ist die Strategie des Mitregierens mit der PSOE. Wieder einmal ordnet sich ein linkes Projekt kurzfristig der Logik des kleineren Übels unter und akzeptiert den Verzicht auf seine Politik im Tausch gegen einen geringen und nicht entscheidenden Einfluss auf den Ministerrat. Im Gegensatz zur Propaganda der Regierung bricht die Politik der Koalition nicht mit dem orthodoxen wirtschaftlichen Rahmen, sie setzt nicht auf die Umverteilung des Reichtums, auf eine radikale Stärkung der öffentlichen Sphäre und auf den Ungehorsam gegenüber den neoliberalen Institutionen. Natürlich werden wir alle Errungenschaften unterstützen, die in diesem Rahmen gemacht werden, und wir werden gemeinsam gegen die extreme Rechte kämpfen. Aber vor dem Hintergrund einer tiefen Systemkrise glauben wir, dass eine Wette auf Fortschritte in Demokratie und sozialer Gerechtigkeit notwendigerweise den Aufbau sozialer Stärke, eine ehrgeizige Politik und die Vorbereitung einer Konfrontation mit den Eliten voraussetzt.
Die kommenden Monate und Jahre werden Schauplatz großer Kämpfe zwischen den Klassen sein. Die gegenwärtige Krise ist nicht vorübergehend: Es handelt sich um eine systemische, wirtschaftliche, ökologische Krise und eine Krise der Sorgearbeit. Sie wird bedeutende politische, kulturelle und soziale Neuausrichtungen mit sich bringen. Nichts, was wir heute für gesichert halten, wird so bleiben, wie es ist. Unser Engagement für den Aufbau einer antikapitalistischen Bewegung, die für alle Arten von Kämpfen und Erfahrungen offen ist, erlaubt es uns, offen in die Zukunft zu blicken, und es besteht kein Zweifel, dass wir die Menschen von Podemos in vielen gemeinsamen Kämpfen wieder treffen werden.
Sobald es die soziale und gesundheitliche Lage erlaubt, werden wir eine politische Konferenz vonAnticapitalistas abhalten, um unsere Vorschläge für die neue Etappe eingehend zu diskutieren.
14. Mai 2020 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 3/2020 (Mai/Juni 2020) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz