Am 27. Januar 2020 ist bei der Firma Webasto die erste COVID-19-Infektion in Deutschland festgestellt worden. Das war ein Weckruf. Doch er verhallte ungehört.
W. A.
Nicht zuletzt deswegen ist die offizielle „Corona-Politik“ gescheitert. Selbst die Kanzlerin soll am 24. Januar 2021 laut Presse gesagt haben: „Uns ist das Ding entglitten.“
Eine wesentliche Ursache für das „Entgleiten“ ist in der Arbeitswelt zu finden. Denn Firmenleitungen verstehen sie zunehmend als rechtsfreien Raum. Betriebsräte, Gesundheitsschutz und Gewerkschaften gelten dort immer mehr als „Profitbremsen“.
Im Frühjahr 2020 rissen pandemiebedingt die globalen Lieferketten großer Industriebetriebe ab. Dadurch ruhten in vielen Fabriken die Fertigungen, was das Infektionsgeschehen wirksam einschränkte.
Statt jetzt endlich das Unterlaufen des seit 1996 geltenden Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) aufzugeben, kündigten Kapitalverbände 2020 einen verschärften Klassenkampf von oben an. Gesamtmetall etwa forderte sogar eine weitere Aushebelung des gesetzlichen Gesundheitsschutzes im Betrieb.
Das ArbSchG verpflichtet Unternehmen zwingend zu einem präventiven Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Demzufolge sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – überall ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen (GFB) durchzuführen.
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Diese GFB müssen vor allem Gefahrenquellen aufzeigen, Gefährdungen beseitigen bzw. minimieren und so Belastungen und Erkrankungen vorbeugen. Alle Beschäftigten sind über den Gesundheitsschutz umfassend zu unterweisen. Festgestellte physische und psychische Gefährdungen sind fortlaufend zu dokumentieren.
Diese Gebote gelten sowohl für betriebliche Arbeitsplätze als auch für das „Homeoffice“. Jedoch werden sie nur in den seltensten Fällen umgesetzt. Es ist bezeichnend, dass diese folgenschwere Missachtung in der „Öffentlichkeit“ kaum diskutiert wird.
Nur dort, wo das ArbSchG – meist aufgrund aktiver Betriebsräte – ernst genommen wird, kann ein wirksamer Infektionsschutz sichergestellt werden. Denn dann werden durch konkrete betriebliche Festlegungen nicht nur die AHAL-Regeln eingehalten, sondern es wird das elementare „TOP-Prinzip“ des Gesundheitsschutzes verwirklicht. Das bedeutet, dass in dieser Rangfolge technische (z. B. Trennwände), organisatorische (z. B. versetzte Arbeitszeiten) und persönliche Schutzmaßnahmen (z. B. FFP2-Masken) umgesetzt werden müssen. Darauf weist auch die aktuelle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung von Januar 2021 hin, obwohl sie durch Lobbyismus aufgeweicht worden ist.
Das anhaltende Versagen von Politik, Behörden, Unternehmens- und Einrichtungsleitungen ist offensichtlich. Betriebsräte sind umso mehr gefordert, ihrer aus dem Betriebsverfassungsgesetz resultierenden Verantwortung für Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Gewerkschaften müssen sie dabei konsequent unterstützen.
Es bedarf eines gesellschaftlichen Aktionsplans für die Arbeitswelt. Seine wesentlichen Punkte sollten sein:
Die systematische (muttersprachliche) Aufklärung über die Gefahren der Pandemie, über wirksame Methoden des Infektionsschutzes am Arbeitsplatz sowie über die Rechte und Pflichten von Beschäftigten.
Die schnelle Entwicklung und kontinuierliche Umsetzung eines standardisierten, betrieblich zu konkretisierenden Infektionsschutzplans – beginnend in den Brennpunkten der Pandemie (Altenheime, Flüchtlingsunterkünfte, Handels- und Industriebetriebe, Kitas, Krankenhäuser, Schulen …).
Die betriebliche und überbetriebliche Überprüfung des Infektionsschutzes nach dem TOP-Prinzip an allen Arbeitsplätzen.
Die gesetzliche Pflicht, überall Betriebsräte und von den Beschäftigten kontrollierte Kommissionen für Infektionsschutz zu bilden.
Die wirksame politische und strafrechtliche Abwehr von Betriebsratsmobbing und Gewerkschaftsbekämpfung.
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 3/2021 (Mai/Juni 2021). | Startseite | Impressum | Datenschutz