Gleitende Lohnskala

Was tun gegen die Teuerung?

Um die Gefahr einer breiten Protestbewegung zu bannen, sah sich die Regierung gezwungen, eine Reihe von vorübergehenden Entlastungsmaßnahmen zu beschließen.

Internationale Sozialistische Organisation

Ein paar weitere dieser Art werden wohl noch kommen, aber sie können bei weitem nicht die Reallohnverluste ausgleichen und erst recht nicht die Einbußen im Lebensstandard der Rentner*innen, der Studierenden oder der Empfänger*innen von Transferzahlungen.

Angesichts des anhaltenden Preisauftriebs sind hier in erster Linie die Gewerkschaften gefordert. Ihre Tarifpolitik muss völlig neu ausgerichtet werden:


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Bislang konnten die Gewerkschaften mit ihrem generellen Kurs der weitgehenden Konfliktvermeidung Tarifverträge abschließen, die mit 2 bis 4 Prozent und einer Laufzeit von mindestens zwei Jahren nur wenig (bisweilen auch gar nicht) unter der Inflationsmarke lagen. Derartige Abschlüsse sind bei Inflationsraten von sieben, acht oder noch mehr Prozent nicht vermittelbar, erst recht angesichts der Tatsache, dass es vor dem Hintergrund der Pandemie in einigen Bereichen seit mehreren Jahren keine tabellenwirksamen Tariferhöhungen mehr gab (in der Metall- und Elektroindustrie seit über 4 Jahren).

Die dringlichste Aufgabe ist nun, alles daran zu setzen, dass kein Tarifvertrag mehr abgeschlossen wird, der zu einem Reallohnverlust führt. Gleichzeitig haben wir jetzt noch mehr Argumente als bisher dafür, dass die Laufzeit nicht länger als 12 Monate beträgt (lange Laufzeiten wurden in der Vergangenheit immer dazu benutzt, das Ergebnis schönzurechnen).


2
Da niemand die Entwicklung der Inflationsrate vorhersehen kann, gibt es jetzt die besten Argumente dafür, den Kampf für eine automatische Anpassung der Entgelte an die Preissteigerungen aufzunehmen und sich an Luxemburg ein Beispiel nehmen. Dort werden die Entgelte, Renten usw. immer dann angepasst, wenn die kumulierte Inflation 2,5 % des Lebenshaltungskostenindexes (Verbraucherpreisindexes) erreicht. In Belgien werden die Entgelte jeweils nach einem festen Zeitraum gemäß der Preissteigerungsrate angepasst.

Da der Kampf für eine umfassende gesetzliche Regelung (die dann auch die Nicht-Tarifgebundenen erfassen würde) viel schwerer zu führen ist, muss man sich in den Gewerkschaften erst mal für den Kampf um entsprechende Tarifverträge einsetzen. Sind die durchgesetzt, kann für eine Ausdehnung auf alle Bereiche (nicht Tarifgebundene, Rentner*innen usw.) gekämpft werden. Orientiert man dagegen am Anfang schon auf die gesetzliche Regelung, dann sind die Gewerkschaften ganz schnell aus ihrer Verantwortung entlassen (nicht zuletzt, weil sie dann auf die Wahlen orientieren).

      
Mehr dazu
Inflation: Welche Gegenwehr? – Dossier, die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022)
Heinrich Neuhaus: Zur Aktualität der „gleitenden Lohnskala“, die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022)
Auszug aus dem „Übergangsprogramm“ der IV. Internationale: „Gleitende Lohnskala und gleitende Skala der Arbeitszeit“, die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022)
Michael Weis: Die scala mobile als Gradmesser der Klassenkämpfe, die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022)
Alain Sertic: Ein erneuter Angriff auf den „Lohnindex“ in Luxemburg, die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022)
Johan Seynaeve: Lohnindexierung in Belgien, die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022)
Jakob Schäfer: Energiepreisentwicklung und allgemeine Teuerung, intersoz.org (1.12.2021)
Ingo Schmidt: Inflation: Daten, Erklärungen, Politik, Sozialistische Zeitung (Dezember 2021)
Stéphanie Treillet: Hohe Preise – und die Löhne?, Inprekorr Nr. 442/443 (September/Oktober 2008)
 

Auf diesem Weg der gewerkschaftlichen Überzeugungsarbeit kann beispielsweise auf die Beschlussfassung der ver.di-Betriebsgruppe der FU Berlin hingewiesen werden, mit der ver.di aufgefordert wird, sich für die Gleitende Lohnskala einzusetzen.


3
Parallel dazu müssen sich die Gewerkschaften mit Sozialverbänden und vergleichbaren Organisationen zusammentun, um in einer breiten Bewegung für folgende (oder ähnliche) Forderungen zu mobilisieren:

Um die Gewerkschaften einzubinden, setzt die Regierung auf die Konzertierte Aktion. Hiergegen müssen alle Anstrengungen kritischer und klassenkämpferischer Gewerkschafter*innen gerichtet sein. Wir brauchen gewerkschaftliche Aktionskonferenzen und wirksame Mobilisierungen bis hin zu gewerkschaftsübergreifenden Streiks.

Aus dem Vorbereitungsmaterial für die kommende Bundeskonferenz der ISO im September 2022



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2022 (Juli/August 2022). | Startseite | Impressum | Datenschutz