Zeit für gründliches Nachdenken – der Widerstand muss sich zusammenschließen – nicht länger die Augen vor Klimakrise und Kriegsgefahr verschließen.
Redaktion „Internationalen“
Nun hat also der neoliberale, nationalistische und konservative Rechtsblock gewonnen. Sein Wahlkampf war aggressiv und zutiefst reaktionär. Wenn es um Bandengewalt ging, wurde das immer mit Einwanderung verknüpft. Zwei Millionen außereuropäische Einwanderer*innen wurden kollektiv für die Schießereien verantwortlich gemacht. Auf die Frage, was gegen Kriminalität zu tun sei, lautete die Antwort der Blau-Braunen: „Einwanderung reduzieren!“ Die SD [1] holten ihre alte Forderung nach „Rückwanderung“ wieder heraus und twitterten: „One-Way-Ticket nach Kabul“.
Wahlplakat der Linkspartei Spitzenkandidatin Nooshi Dadgostar: „Andere versprechen, wir handeln“ – Plakat zerstört von „Schwedendemokraten“ (SD). Foto: Internationalen |
Welche Klimapolitik können wir von der rechtsnationalistischen Regierung erwarten? Die Antwort lautet: Keine. [SD-Chef] Åkesson nennt alle Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakatastrophe „Selbstquälerei“. Das Einzige, was er sehen will, sind „technische Innovationen“. Kristersson (M) [2] hat „Kernkraft“ als Lösung für alles. Nach Ansicht dieser Rechtsparteien muss sich nichts ändern, außer dass wir auf Elektroautos umsteigen. Sie denken, dass die Plünderung der Natur weitergehen kann, dass wir in Schweden weiter konsumieren können, als hätten wir vier Erdkugeln, dass der verschwenderische Konsum und die verschwenderische Produktion weitergehen dürfen. Aber dann sausen wir weiter in Richtung völliger Katastrophe.
„Jetzt bringen wir Schweden in Ordnung“ Wahlplakat der „Moderaten“ (Konservativen) mit Ulf Kristersson. Foto: News Oresund |
Steuersenkungen stehen ganz oben auf der Wunschliste der Bürgerlichen. Gleichzeitig wollen sie eine gigantische Aufrüstung des Militärs. Kristersson ist glasklar: Steuersenkungen und Rüstungen sollen durch „Senkung der Beiträge“ finanziert werden. Und da meint er nicht RUT-Abzüge [Steuerkürzung für haushaltsnahe Dienstleistungen] und Subventionen für Unternehmen. Da spricht er über die Zuschüsse zum Lebensunterhalt und Arbeitslosenversicherung. Die immer weiter verbreitete Kinderarmut steht nicht auf der TODO-Liste der Rechten. Stattdessen bereiten sie harte Angriffe auf diejenigen vor, denen es am schlechtesten geht.
Annie Lööf von der Zentrumspartei sah, wie sich die sozialdemokratische Führung danach sehnte, die Blockpolitik zu beenden [und sich Zentrum und Liberalen gegenüber zu öffnen]. Sie hatte große Erfolge im Januarabkommen [3]. Das war eine schlaue Politik. Doch der Sieg der Linkspartei [4] in der Frage der Marktmieten war ein herber Schlag. Aber Lööfs kluge Politik, neoliberale Politik durch Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie durchzusetzen, fand bei KD und M keinen Anklang. Ihre Linie bestand darin, die Sozialdemokratie zu besiegen und mit Hilfe der SD selbst zu regieren. Jetzt ist Kristersson an der kurzen Leine von Åkesson. Nach Lööfs Abgang haben Strömungen in der Zentrumspartei, die die Feindseligkeit von KD und M gegenüber allem teilen, was Arbeiterbewegung genannt wird, Auftrieb bekommen.
Wenn es um den Wahlkampf der Sozialdemokraten geht, muss man sich die Frage stellen: Wie oft haben wir während der Debatten [die sozialdemokratische Ministerpräsidentin] Magdalena Andersson sagen hören: „Ich stimme Ulf Kristersson zu“? Und jetzt, nach der Wahlniederlage, hält sie „den Moderaten die Tür offen, wenn sie ihre Zusammenarbeit mit der SD überdenken wollen“. Das Januarabkommen gab einen Vorgeschmack darauf, welchen Preis die sozialdemokratische Führung zu zahlen bereit ist, um einige Ministerposten zu behalten.
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Während des Kampfs gegen die Marktmieten hatte die Linkspartei Stimmenanteile von rund 13 Prozent in den Umfragen. Bei der Wahl kam sie auf 6,7 Prozent. Das ist die Hälfte. Das muss aufgearbeitet werden. Es war absolut richtig, sich an die Industriearbeiter*innen zu wenden, insbesondere an die in den industriellen Kleinstädten [5]. Die Frage ist nur, wie es gemacht wurde. Anstatt zu versuchen, sie für klassenkämpferische Politik und sozialistische Lösungen zu gewinnen, passte die Partei sich einem fehlenden Klassenbewusstsein und einem nicht vorhandenen Klimabewusstsein an.
Es gibt mehrere Fragen, die innerhalb der Linkspartei auf den Tisch kommen müssen. Einige wichtige sind: Die Ablehnung der Sozialisierung von Banken und Großindustrie durch die Parteivorsitzende. Die Unterstützung der enormen Aufrüstung. Das Ziel, in einer Regierung zu sitzen, selbst wenn sie eine bürgerliche Politik verfolgen würde.
Aber wir müssen auch verstehen, dass egal was die Linke tut, wir es gegen den Wind tun. Die Arbeiterbewegung ist geschwächt und festgefahren.
Der Mangel an Kampf- und Solidaritätserfahrung über mehrere Jahrzehnte fordert seinen Tribut. Die wenigen internationalen Inspirationsquellen sind zu schnell versiegt. Die Arbeiterklasse ist durch wachsende Lohnunterschiede und individuelle Lohnsysteme gespalten. Wir haben einen langen und gezielten ideologischen Krieg seitens der Bourgeoisie hinter uns. Ein bürgerliches, individualistisches Welt- und Lebensbild durchdringt die gesamte Gesellschaft.
Aber der Widerstand existiert und der Widerstand muss aufgebaut werden. In Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und innerhalb der Linkspartei. Jetzt brauchen wir eine sozialistische Erneuerung
Leitartikel der von den schwedischen Mitgliedern der IV. Internationale herausgegebenen Wochenzeitung „Internationalen“ am 22.09.2022 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 6/2022 (November/Dezember 2022) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz