Während sich Krieg und Völkermord von Palästina über den Libanon bis zum Iran ausbreiten, die Südstaaten von der größten klimabedingten Überschwemmungskatastrophe in der Geschichte der USA geflutet werden und die Menschen über ihre eigene und die Zukunft des Landes verunsichert sind, taumeln die Vereinigten Staaten auf das zu, was als „die folgenreichste Wahl in unserem Leben“ bezeichnet wird, und die am Ende wenig oder gar nichts lösen wird.
Redaktion „Against the Current“
Wir wollen hier nicht über den möglichen Ausgang spekulieren. Vielmehr werden wir uns das Zusammenwirken von Faktoren ansehen, die einen so volatilen Moment in der US-Politik ausmachen. Aber wir können festhalten, dass sie, wenn es keinen unerwartet klaren Ausgang gibt, von fast der Hälfte des Landes als illegitim abgelehnt werden könnten, mit einem drohenden Potenzial für Verfassungskrise und Chaos.
US-Waffen töten in Gaza Al-Tabieen-Schule (Foto: حسام شبات, 10.8.2024) |
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Letzteres ist nicht nur grotesk undemokratisch, sondern auch anfällig für verschiedene Formen des Ausschlusses von Wähler:innen und anderen Tricksereien auf Ebene einzelner Bundesstaaten, einschließlich der Bedrohung, dass die Wahlergebnisse möglicherweise nicht von örtlichen Behörden bestätigt oder durch bürokratische Blockaden hoffnungslos verzögert werden (wie eine erneute Auszählung der Stimmzettel von Hand in Georgia, Kontrolle der Wählerverzeichnisse und Barrieren bei der Registrierung).
Insbesondere die MAGA-geführte [1] Republikanische Partei bereitet offen erneut das Spielchen „Schwerer Wahldiebstahl“ [2] vor, das bei Stimmenauszählungen und Kämpfen um die Zertifizierung der Ergebnisse gestartet werden soll — verfahrensrechtlich, juristisch und möglicherweise auch physisch. Und während diese Schritte der Republikaner ziemlich gut publiziert sind, tragen die Demokraten ihren Teil zur Unterdrückung von Stimmen bei, indem sie verschiedene Vorwände nutzen, um die Grüne Partei von den Wahlzetteln in den Bundesstaaten auszuschließen.
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Während der ein Jahr anhaltenden Zerstörung des Gazastreifens durch Israel hat die Biden-Regierung über Israels Recht auf „Selbstverteidigung“ doziert, während sie über ihre Vermittlungsbemühungen „rund um die Uhr“ für Verhandlungen über Waffenstillstand und Geiselbefreiung gern und ausführlich redete. Die Regierung von Benjamin Netanjahu, getrieben sowohl von seinem eigenen Bedürfnis, an der Macht zu bleiben, als auch von dem Ziel, den Krieg fortzusetzen und auszuweiten, hat diese Bemühungen unverhohlen sabotiert. Damit hat sie auch die israelischen Geiseln praktisch ihrem Schicksal in den Gaza-Tunneln überlassen.
Abgesehen von diesen Zielen ist es völlig klar, dass Netanjahu die Chancen auf eine Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus erhöhen will. Doch trotz Netanjahus offener Verachtung reagiert der armselige US-Präsident mit immer mehr Waffenlieferungen an Israel – und gießt damit Benzin in das Feuer, das er angeblich löschen will; die Folgen sind absehbar.
Das Massaker in Gaza geht weiter – jetzt Massenmord um seiner selbst willen, und die tatsächliche Zahl der Todesopfer geht inzwischen mit ziemlicher Sicherheit in den sechsstelligen Bereich –, während das israelische Militär und schwer bewaffnete Siedler:innen ungestraft in den palästinensischen Dörfern der Westbank wüten.
Dann kam die atemberaubende Serie von Ereignissen, beginnend mit Israels Ermordung des Hamas-Führers Ismael Haniyeh in Teheran, der Detonation von Pagern und Walkie-Talkies, die von der Hisbollah benutzt wurden, gefolgt von kontinuierlichen Bombenmorden ihrer Führung, die von Israel mit von den USA gelieferten Waffen verübt wurden – ohne jegliche Rücksicht auf zivile Tote und Zerstörungen in dicht besiedelten Vierteln. Eine Million verzweifelter libanesischer Zivilist:innen sind nicht nur aus dem Süden des Landes, sondern auch aus dem Raum Beirut vertrieben worden.
Es wäre der Gipfel der Täuschung zu glauben, dass diese Gräueltaten nicht irgendwie in die US-Politik einfließen würden, von den Wahlen im November bis hin zu zukünftigen Ereignissen. Die Auswirkungen der arabisch-amerikanischen Stimmen im November sind nur ein kleiner Vorgeschmack, ganz zu schweigen von der gegenseitigen Entfremdung von Teilen der progressiven Wählerbasis der Demokraten und der erbitterten Polarisierung an den Universitäten und der Bestrafung und Unterdrückung von pro-palästinensischen Aktivitäten.
Während diese Zeilen geschrieben werden, hat Israels Bodenoffensive im Libanon begonnen – ein „Eindringen“, von dem kein vernünftiger Mensch erwartet, dass es „begrenzt“ bleiben wird – und Netanjahus ultimativer Traum, die Vereinigten Staaten in einen Krieg mit dem Iran zu verwickeln, könnte Realität werden.
Ein paar Dinge sind klar. Während Israels Militär und Geheimdienste auf den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023, der diese historische Katastrophe auslöste, völlig unvorbereitet waren, bereiten sie seit 18 Jahren – seit dem ergebnislosen Ende des 33-tägigen Krieges im Jahr 2006 – den Krieg zur Vernichtung der Hisbollah vor, der unweigerlich auch ein Krieg gegen den Libanon selbst wäre, der zum völligen Zusammenbruch dieses fragilen Staates führen könnte.
Zweifellos haben die Geheimdienste der USA und wahrscheinlich auch anderer Verbündeter Israel bei der erstaunlichen Durchdringung der Sicherheitsinfrastruktur der Hisbollah geholfen. Außerdem war der Hisbollah-Anführer Hasan Nasrallah offenbar wie die meisten Kommentatoren und wahrscheinlich auch Washington und Teheran davon überzeugt, dass der Raketenbeschuss der Hisbollah gegen Israel unterhalb der Grenzen bliebe, dass es nicht zu einem umfassenden Krieg kommt.
Das war eine fatale Fehleinschätzung: Was auch immer als nächstes passiert, hat Israel ein enormes Loch in die strategischen Kapazitäten und das furchterregende Image der sogenannten „Achse des Widerstands“ gerissen. Zu dieser „Achse“ gehörten die Hisbollah und die Huthi-Bewegung im Jemen sowie die mit dem Iran verbündeten Kräfte im Irak.
Im Gegensatz zur rechten und israelischen Propaganda sind diese Kräfte keine Marionetten, die nur den Befehlen des Iran folgen. Sie sind Akteure mit eigenen Interessen und Initiativen, und trotz ihrer Rhetorik und der Illusionen einiger Aktivist:innen steht die Freiheit Palästinas nicht ganz oben auf ihrer Agenda. Aber sie – insbesondere die Hisbollah – sind oder waren zumindest eine Art Versicherung für den Iran gegen die Bedrohung durch einen direkten israelisch-amerikanischen Angriff.
Es ist nicht mehr länger offensichtlich, dass dieser Schutz noch existiert. Die iranischen Herrscher, die bereits mit einer sehr schwachen Wirtschaft konfrontiert sind und sich offen im Krieg mit ihrer eigenen Bevölkerung befinden, könnten gezwungen sein, engere Schutzbeziehungen zu Russland und China zu pflegen. Dies hat potenzielle, schwer vorhersehbare Auswirkungen auf andere Konflikte einschließlich der annexionistischen Invasion Russlands in der Ukraine, die der Iran unterstützt hat.
Der US-Imperialismus steht bei diesen Ereignissen untrennbar im Mittelpunkt, was auch immer die Absichten des Biden-Teams gewesen sein mögen, „einen größeren Krieg zu verhindern“, und welche Auswirkungen auf die Wahlen ein Sumpf haben könnte, mit dem die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung nichts zu tun haben will. Und die Übergangszeit zwischen den Wahlen am 5. November und der Amtseinführung des Präsidenten am 20. Januar könnte noch bedrohlicher werden.
Am Ende könnte das Vermächtnis der Präsidentschaft von „Genocide Joe“ Biden nicht nur die Zerstörung des Gazastreifens und die neue Palästina-Katastrophe sein, sondern auch die Wiederauferstehung von Donald Trump.
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Was als Garanten für „Stabilität“ und sogar Demokratie gedacht war – der absurd unrepräsentative Senat, die weitgehenden Rechte der Bundesstaaten, die angebliche Überparteilichkeit eines Obersten Gerichtshofs, dessen fast unkontrollierbare Mehrheit nun sowohl aus weißen Rassisten als auch aus Halb-Monarchisten besteht – wird jetzt selbst zur Quelle von Instabilität und potenziellem Chaos.
Mehr noch, die Abschaffung jeder sinnvollen Regulierung der Wahlkampffinanzierung in unserer Politik hat die Zwillingsparteien der Republikaner und der Demokraten in Geldsaugapparate verwandelt, die niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig sind außer den Großspendern der Konzerne (ganz zu schweigen von den nicht existierenden „Mitgliedschaften“ der Parteien). Diese Machtstruktur wiederum schottet die kapitalistischen Parteien und das politische System weitgehend vom Willen des Volkes oder den massiven Krisen, die die Gesellschaft treffen, ab.
Ein teilweises Gegengewicht gibt es in Form von Abstimmungsinitiativen in einigen Bundesstaaten, insbesondere solche, die derzeit als Werkzeug zur Verteidigung des Rechts auf Fortpflanzung und Abtreibung gegen die bösartigen Angriffe der Rechten genutzt werden. Aber diese berühren in der Regel nicht die grundlegenden Fragen, die im Mittelpunkt der politischen Diskussion stehen sollten.
Wir haben wiederholt betont, dass die obszöne Ungleichheit von Reichtum und Chancen in den Vereinigten Staaten der Kern der Belastungen ist, unter denen Millionen von Amerikanern durch Inflation, schlechten Zugang zu medizinischer Versorgung und miserable Wohn- und Arbeitsbedingungen leiden. Da beide kapitalistischen Parteien die Kernfragen und Folgen der Ungleichheit ignorieren, sind ihre Streitereien über Wirtschaftspolitik kaum mehr als leeres Geschwätz oder im Fall von Donald Trump „Konzepte“.
In den nächsten Jahren werden die Vereinigten Staaten und die ganze Welt von Klimakatastrophen in einem Ausmaß betroffen sein, das wir uns heute noch kaum vorstellen können. Die unglaublichen Verwüstungen, die der Hurrikan Helene in den Südstaaten angerichtet hat und die auf 100 Milliarden Dollar oder mehr geschätzt werden, sind nur ein Vorgeschmack.
Während wir auf den Ausgang der Präsidentschafts- und Kongresswahlen sowie auf die Ergebnisse der Abtreibungsreferenden warten, ist eine weitere offene Frage, ob sich aus der wachsenden Abscheu über Bidens Rolle im Nahen Osten und der breiteren Unzufriedenheit mit dem destruktiven Duopol der beiden kapitalistischen Parteien eine große Öffnung für die Grüne Partei ergeben wird. Diese Aussicht wird Teil einer Diskussion sein, die unbedingt weiter geführt werden muss.
Quelle: Against the Current, Nr. 233, 25.10.2024 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz