Für den 29. September riefen die Gewerkschaften im spanischen Staat zu einem Generalstreik gegen die Arbeitsmarktreformen auf, dem ersten seit acht Jahren. Am Vorabend dieser Aktion analysiert unser Autor die Hintergründe. In einem weiteren Artikel werten wir die Erfahrungen des Streiks aus.
Lluís Rabell
Es wäre unnütz, einige Tage vorher, über die Beteiligung am Generalstreik zu spekulieren. Aber unabhängig davon, was letztendlich an diesem Generalstreik erfolgreich sein wird und wo sich seine Grenzen zeigen werden, bleibt eine Sache auch schon vorher sicher feststellbar: Dieser Aufruf der Gewerkschaften beendet einen langen Abschnitt ziemlich ruhiger gesellschaftlicher Beziehungen im Spanischen Staat und führt uns in eine neue, vermutlich unruhigere und ungewissere Etappe, die die aus der Transición [1] geerbten wirtschaftlichen Grundmodelle genauso wie die politischen Einrichtungen als auch den organisatorischen Rahmen der Arbeiterbewegung zur Disposition stellt.
Die Krise des globalisierten Kapitalismus schlug in der spanischen Ökonomie, deren Parameter in Europa am glaubwürdigsten durch diese Globalisierung geformt worden waren, besonders heftig ein. Das „wunderbare“ Modell des spanischen Wirtschaftswachstums – 2008 konnte Zapatero sogar verwegen behaupten, dass „wir in der Champions League der Weltwirtschaft spielen“ – kollabierte sprichwörtlich im Strudel der von der Wall Street ausgehenden Finanzkrise. Eigentlich basierte die spanische Wirtschaft auf einer gigantischen Spekulationsblase im Immobiliensektor, die Motor des 15jährigen Wachstums des Bruttoinlandprodukts gewesen war. Die sich daraus ergebende Konjunktur verhüllte aber die reale strukturelle Schwäche, die dann von der Krise gnadenlos enthüllt wurde, gefolgt von enormen sozialen Verwerfungen. Die Arbeitslosigkeit pendelte sich bei rund 20 % der erwerbsfähigen Bevölkerung ein und ist damit rund doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Rund ein Viertel der Bevölkerung erfüllt die Lebensbedingungen der Armut und 1 Million Menschen überlebt nur durch soziale und wohlfahrtstaatliche Hilfen. Nach einigen Schätzungen werden in den nächsten 18 Monaten rund 350 000 Familien ihr Haus verlieren, da sie ihre Hypotheken nicht auslösen können. Die Illusion von Wachstum und Reichtum hat sich endgültig in Luft aufgelöst und hinterlässt eine bittere Narbe der Enttäuschung in der Gesellschaft.
Es muss festgestellt werden, dass alle Triebkräfte des neoliberalen spanischen Modells schon die Keime des jetzigen Scheiterns beinhalteten. Unter dem Antrieb der „fortschrittlichen“ Regierungen von Felipe González passte der Spanische Staat seine Wirtschaft den Forderungen der europäischen Bauwirtschaft an. Die Schwerindustrien in staatlicher Hand – Schiffbau, Metallverarbeitung, Teile des Bergbaus … – wurden seit den 1980er Jahren geschliffen. Das Land verwandelte sich in eine Spielwiese für die großen multinationalen Unternehmen, deren Investitionen durch zahlreiche administrative Anreize und Erleichterungen begünstigt wurden. Durch diese Rahmenbedingungen blühte ein dichtes Netz von Zulieferfirmen – immer abhängig von den Entscheidungen der großen Wirtschaftsunternehmen. Während des Höhepunkts dieser neoliberalen Politik in den 1990er Jahren und massiv unterstützt durch die konservative Regierung Aznars wurden die zentralen Sektoren im Energie- und Kommunikationsbereich privatisiert. Das neu geschriebene Bodengesetz verwandelte das gesamte Territorium in Bauland und entfesselte eine Expansion des Immobilienmarktes, die keine Grenzen zu kennen schien. In den 20 Jahren vor der jetzigen Wirtschaftskrise wurde z. B. in Katalonien mehr gebaut als in der gesamten Zeit von der römischen Antike bis zum Ende der Francozeit. In dieser Zeit wurde im Spanischen Staat mehr gebaut als in Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen.
Die Folgen dieser unbeschränkten Entwicklung des Produktionsmodells in Kombination mit einer strikten Orientierung zugunsten des Tourismus und des Dienstleistungssektors insgesamt haben einen tiefgreifenden Wandel des Landes bewirkt, der in allen Bereichen spürbar ist. Die Städte haben sich weitläufig ausgedehnt. Das Land wurde durch die unnachhaltige Bauwut an den Stadträndern übel zugerichtet. Der Druck dieses Wachstumsmodells, das Eindringen der großen multinationalen Handelsunternehmen und die Ausdehnung des Agrarhandels – gefördert durch die EU-Politik – veränderte das Gesicht der Landschaft grundlegend und begünstigte den Zuzug der Bevölkerung in die großen Städte. In Katalonien ist nur noch 1 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, im gesamten Spanischen Staat sind es weniger als 5 %. Die Bevölkerungsentwicklung und die ethnische und kulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung veränderten sich: Aufgrund der Migration stieg die Bevölkerung in Katalonien innerhalb von zehn Jahren von 6 auf 7,5 Millionen Menschen.
Diese Jahre der Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Situation des Landes mussten jedoch zwangsläufig zu signifikanten Wechseln in den Arbeitsbeziehungen und den Bedingungen der Arbeiterbewegung führen. Von den unterschiedlichen Regierungen wurden wirtschaftliche Liberalisierungsmaßnahmen durchgeführt, die die durch die Arbeiterbewegung erreichten Errungenschaften und Rechte untergruben. Durch den machtvollen, von den Gewerkschaften CCOO [2] und UGT [3] ausgerufenen Generalstreik am 14. Dezember 1988 wurde die „sozialistische“ Regierung von Felipe González gezwungen, ihre geplanten Arbeitsreformen zurückzuziehen und stattdessen die Sozialausgaben in den folgenden Jahren zu erhöhen, die damals deutlich unter dem europäischen Durchschnitt lagen. Trotzdem gelang es der neoliberalen Politik seit den 1990er Jahren, die Arbeitsschutzrechte und die Löhne abzubauen. Nach dem wenig erfolgreichen Generalstreik 1994 begann in diesen Gewerkschaften erneut eine Dynamik der Sozialpartnerschaft und zurückhaltenden Taktik, wie sie seit 1977 sowohl unter rechten wie linken Regierungen üblich war. Lediglich der Generalstreik im Juni 2002 gegen eine Gesetzesreform der zu diesem Zeitpunkt schon unbeliebten Aznar-Regierung, die die Rechte der Arbeitslosen beschneiden wollte, unterbrach diese Politik des „sozialen Friedens“.
Die letzten 15 Jahre waren entscheidend, da sie einen Prekarisierungsprozess in den Arbeitsverträgen, sowohl im privatwirtschaftlichen wie auch im staatlichen Sektor, und die Vertiefung der sozialen Ungleichheit mit der Illusion des trickle down des Reichtums verbunden haben. Die spanische Wirtschaft hat mit gut 2 Millionen Arbeitslosen als Sockel ein beachtliches Niveau struktureller Arbeitslosigkeit. Die Wirtschaft war durch Schwankungen geprägt. Die Arbeitsplätze verwandelten sich in unsichere Stellen, unvorhersehbare Kündigungen nahmen zu. Aber dank der Nachfrage im Bauwesen und Dienstleistungssektor gab es eine feste Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Charakteristiken dieser beiden Sektoren erklären auch die Nachfrage nach MigrantInnen, die zugleich beschimpft wie benötigt werden. Die Gehälter verloren an Kaufkraft. Aber die Kredite waren günstig – und durch die Banken wie die öffentliche Hand propagiert – und erlaubten den Familien ein Konsumniveau aufrecht zu erhalten, das nicht mehr mit ihren Einkünften übereinstimmte. In Spanien kam es zu einem ähnlichen Phänomen wie im US-amerikanischen Immobiliensektor. So etwas Ähnliches wie Sozialbauwohnungen gibt es nicht. Die Regierungen förderten das Geschäft der Banken und Baufirmen, indem sie den hypothekengestützten Kauf von Wohnungen und Häusern durch die Begünstigung der Kreditabschlüsse mittels Steuernachlässen anstachelten. Parallel dazu und trotz des Wachstums des BIP blieben die öffentlichen Ausgaben für Bildung, Gesundheit und Sozialversorgung weiterhin 9 Punkte unter dem Mittel des „Europa der 15“. Alles in allem wurde eine schadhafte Realität des Sozialgefüges hinter der Fassade einer Scheinprosperität verborgen.
Dieser Abbau des Arbeitsmarktes und die Zerbrechlichkeit der spanischen Wirtschaftsstruktur erklären die blitzschnellen Auswirkungen der Krise. Im Herbst 2008 gab es eine Welle von Firmenschließungen und Belegschaftsreduzierungen – mit Pirelli oder Nissan als besonders auffälligen Beispielen. Die Antwort der Gewerkschaften war, jeden Fall einzeln zu verhandeln. Gleichzeitig reklamierten sie vergeblich auf nationaler Ebene einen sozialen Dialog mit den Kapitalverbänden und der Regierung, um gemeinsam die Krise zu meistern. Gleichwohl war die Mehrzahl der neuen Arbeitslosen nicht Opfer der Auswirkungen der Regulierungsgesetze [ERE: spanisches Gesetz, das in Krisenzeiten außerordentliche Kündigungen ermöglicht], sondern sie stammten aus prekären Arbeitsverträgen, die nun nicht erneuert wurden, und dem Pleitegehen der zahlreichen „selbständigen“ ArbeiterInnen. Das Bauwesen kam über Nacht zum Erliegen und hinterließ über eine Million neue und unverkaufte Wohnungen und Häuser. Die Kredite versiegten und dies beschleunigte den Zusammenbruch von tausenden kleinen Firmen und Geschäften. Die Bank von Spanien ist ein besonderer Fall: sowohl durch ihren entscheidenden Einfluss in der Politik, als auch aufgrund der unglaublichen Privilegien, die sie genießt. Es reicht zu erwähnen, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit die Banken nicht nur die Zwangsräumung der Familien erreichen, sondern auf den Versteigerungen trickreich auch die Wohnung – und dies meistens zu halbem Preis – und dann noch den Rest der Hypothekenschuld versuchen einzutreiben.
Die defizitären Zahlungsbilanzen (der Wert der Importe übersteigt den der Exporte [4]) bedingten, dass die spanischen Kreditinstitute seit Jahren sich um Kapital auf dem interbankären europäischen Markt bemühen mussten um in Spanien Geld verleihen und Geschäfte tätigen zu können – besonders um Immobiliengeschäfte zu finanzieren und für deren Kauf Kredite vergeben zu können. Die Zapatero-Regierung mobilisierte enorme Mengen an öffentlichen Geldern (260 000 Millionen Euro) um eine Krise unvorhersehbaren Ausmaßes im Finanzbereich zu vermeiden. Die Banken nutzten diese Finanzspritzen und Bürgschaften vor allem, um ihre Bilanzkonten zu sanieren und danach, um auf das Defizit des Staates zu spekulieren, indem sie Teile der öffentlichen Schuld kauften – aufgenommen eben darum, um die Kosten der Rettung des Bankensektors zu finanzieren. (Ungefähr die Hälfte davon ist in den Händen der großen europäischen Finanzinstitute. Die Deutsche Bank besitzt mehr als 45 000 Millionen Euro an spanischen Staatsschulden).
Die Kreditvergabe bleibt weiterhin blockiert und die nationale Wirtschaft verharrt in der Rezession. Währenddessen sitzen die Banken, die sich in Besitzerinnen von Tausenden von Wohnungen, Ausschreibungen und Grundstücken verwandelt haben, auf offensichtlich gefälschten Bilanzen mit überbewerteten Aktiva, die sie nur künstlich aufrecht erhalten können. Nach Meinung von ExpertInnen müsste sich der Preis des Wohnraums mindestens um 30 % verringern, um den Markt wieder zu reaktivieren. Und die Zukunft hält für uns neue Schrecken bereit. Um die Gesamtlage zu vervollständigen, bleibt hinzuzufügen, dass das spanische Steuerrecht eines der regressivsten in Europa ist. Mitten in der Krise wurden die Steuergeschenke an die Firmen und Besitzenden von Vermögen vervielfacht. Die Investmentgesellschaften mit variablem Kapital – SICAV – zahlen nur 1 % des Kapitals. Und der Anteil der vor der Steuer verborgenen Ökonomie wird vom Finanzministerium auf 23 % des BIP geschätzt.
All dieses hilft zu verstehen, wie zerbrechlich die spanische Wirtschaftssituation ist. Aber auch die endemische Korruption des neoliberalen Wirtschaftsmodells und die Offensive der herrschenden Klassen in der momentanen Situation werden so verständlich. Die antisoziale Wende der Regierung Zapatero hat die großen Gewerkschaften überrascht, die auf eine Zusammenarbeit mit der „befreundeten“ Regierung gehofft hatten und nun irritiert sind. Die Reaktionen, denen sich die Gewerkschaftsführungen ausgesetzt sahen, haben die Unvorbereitetheit der Arbeiterbewegung klar zu Tage treten lassen. Es geht dabei nicht einfach nur um die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften (CCOO und UGT haben jeweils etwas mehr als eine Million Mitglieder, und die gewerkschaftliche Organisationsquote liegt bei rund 17 %). Aber diese Zahlen spiegeln auch den Einfluss dieser Organisationen wieder. Im Grunde genommen stützen sich die Gewerkschaften auf eine Struktur von Delegierten, die ohne eine aktive Basis in den Firmen agiert. Die Fragmentation der Produktion und der Arbeitsverträge der arbeitenden Klasse hat den für die Epoche des Fordismus aufgestellten Gewerkschaften ihre Grenzen aufgezeigt. Zudem wurden die Gewerkschaften während der Transición darauf beschränkt, Konflikte in Firmen und politischen Bereichen zu verhandeln, die die neoliberale Politik und die Globalisierung in Unordnung gebracht haben: Die Realitäten der Arbeitsverträge sind heute in jeder Firma anders, und die Wertschöpfungsprozesse korrespondieren nicht mehr mit den traditionellen industriellen Zyklen. Die Jahre der ökonomischen Gutwetterlage haben zugleich den Individualismus als auch die Wehrlosigkeit der Arbeitskraft erhöht. Eine ganze Generation von gewerkschaftlichen AktivistInnen hat im Prinzip keine andere Gewerkschaftsaktion als die des gerichtlichen Einspruchs erlebt. Einige der kämpferischsten Streiks hatten nichts anderes als Ziel, als die Verhandlung über die Abfindungen bei Kündigungen entsprechend der Zahl der Beschäftigungsjahre in einer Firma. Auf der andere Seite reiben die Bürokratie und die Abhängigkeit von Geldern die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften auf und verschlechtern die Beziehung zu einer durch die Schwere der Krise eingeschüchterten, ungeschützten und vom Bestreben des „rette sich wer kann“ beeinflussten Arbeiterklasse. Dies sind nicht die besten Bedingungen um eine neue und konfliktive Etappe des Klassenkampfes zu meistern, die sich andeutet. Aber mensch muss der Realität so, wie sie ist, gegenüber treten.
Und was noch zu all dem hinzukommt, ist ganz klar ein neuer Abschnitt von historischer Reichweite. Die Arbeiterklasse hat sich noch nicht auf die Angriffe der Regierung, die diese im Namen des Marktes durchführt, eingestellt. Im Juni beschloss sie die Reduzierung der Gehälter der Staatsangestellten, was eine direkte Auswirkung auf die privatwirtschaftlichen Sektoren hatte, zudem das Einfrieren der Renten und der sozialen Hilfen sowie drastische Sparmaßnahmen in den öffentlichen Ausgaben, welche die Infrastruktur, die staatlichen Einrichtungen und die öffentlichen Dienstleistungen betreffen. Diese Verschlechterungen öffnen einer weiteren Anzahl von Privatisierungen die Tür. Die Arbeitsreformen, die die Leidensfähigkeit der Gewerkschaften überstrapazierten, erleichtern die Kündigungen, geben den Firmen einen größeren Ermessensspielraum und erweitern die Möglichkeiten, Zeitarbeitsverträge einzurichten – und dies bis in den Sektor der öffentlichen Verwaltung hinein. Zudem – und das ist sehr schwerwiegend – erlauben sie den Firmen, sich von kollektiven Arbeitsverträgen abzukoppeln, sofern es die partikularen Interessen der Firma erfordern. Dies ist ein deutlicher Angriff auf die linienlose Politik der Gewerkschaften. Die Frage der kollektiven Arbeitsverträge ist ein zentrales Anliegen der Gewerkschaften, ohne diese gibt es eine Zersplitterung der Arbeiterklasse, eine Verwandlung der ArbeiterInnen in eine Menge von wehrlosen und der gegenseitigen Konkurrenz ausgesetzten Individuen. Dass die Rentenreform im Parlament debattiert wird, mit der wie in vielen anderen europäischen Ländern die Absicht verfolgt wird, das Renteneintrittsalter auf 67 zu erhöhen, die Einkommen der RentnerInnen zu kürzen und die privaten Rentenversicherungen zu fördern, verdeutlicht die Offensive des Großkapitals gegen den Wohlfahrtsstaat. Die im Nachkriegseuropa erreichten Beziehungen zwischen den Klassen sind in Frage gestellt – und mit ihren spezifischen Eigenarten damit auch ganz besonders die im Spanischen Staat. Die Jahre des siegreichen Neoliberalismus haben ihr Feld erfolgreich vorbereitet. Mittels einer neuen Variante seiner bekannten Schocktherapie versucht der Kapitalismus eine qualitativ neue Schwelle zu überschreiten.
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Der Streik vom 29. September wird zeigen wo die Arbeiterbewegung steht, um sich dieser Herausforderung zu stellen. Die sozialpartnerschaftlich eingestellten Führungen der einflussreichen Gewerkschaften sind widersprüchlichen Einflüssen ausgesetzt: Sie fühlen sich dem Druck der eigenen Organisation und deren Bedeutung ausgesetzt, aber sie träumen von der Rückkehr der sozialpartnerschaftlichen Zeiten. Ihre Proklamationen kritisieren heftig die Reformen der Regierung. Einige Positionspapiere von den Gewerkschaften eng verbundenen Nachbarschaftsvereinigungen schlagen einen klar linken Kurs aus der Krise vor: öffentliche Banken, progressive Steuergesetzgebung, Verstaatlichungen, Verteidigung des öffentlichen Sektors, Senkung der Militärausgaben, ökologische Umgestaltung der Produktion und Maßnahmen zur geschlechterunabhängigen Bezahlung (Frauen sind bei Zeitarbeitsverträgen mit 80 % vertreten, werden weiterhin schlechter bezahlt als Männer, und jeder weitere Rückschritt auf dem Arbeitsmarkt bezüglich der Sozialleistungen und der öffentlichen Ausgaben betrifft sie besonders deutlich) … Trotzdem enden diese Statements mit einer Aufforderung, den sozialen Dialog wieder auf zu nehmen. Dies wird sicherlich mit den Mobilisierungserfolgen eines Delegiertenapparats zu tun haben, der häufig wenig Präsenz und Einfluss in den Arbeitervereinigungen hat. Die linken GewerkschafterInnen ihrerseits – vertreten durch Minderheitenströmungen wie die anarchosyndikalistische CNT, die Eisenbahngewerkschaft, Cobas, die intergewerkschaftliche Alternative in Katalonien oder die andalusische SAT – können trotz der Anzahl ihrer AktivistInnen und trotz ihrer Präsenz in den verschiedenen Sektoren in keinem Fall den Kräfteschwund der großen Gewerkschaften kompensieren. Außerdem ist festzustellen, dass ihre Möglichkeiten nicht dieselben sind: Während CCOO sich bei der Mobilisierung für den 29. September engagierter zeigt, ist die UGT unschlüssig, da sie starke interne Spannungen zu verarbeiten hat, die von den Pressionen seitens der PSOE herrühren, der diese Gewerkschaft ja historisch und innigst verbunden ist. Bleibt auf eine Besonderheit hinzuweisen, die die Gesamtlage kompliziert: die Situation in Euskadi (Baskenland). Dort ist die gewerkschaftliche Mehrheit, vertreten durch ELA, LAB, STES u. A., traditionell nationalistisch und hat sich häufig schon mit den gesamtspanischen Gewerkschaften angelegt. Es wurde bereits zu zwei Generalstreiks mobilisiert, einer im vergangenen Jahr, der andere in diesem Juni, wobei letzteren die CCOO unterstützte, und beide mit einem bemerkenswerten Erfolg. Aber dieses Mal hat die gewerkschaftliche Mehrheit in Euskadi entschieden, den Streikaufruf von CCOO und UGT zu ignorieren und Einsprüche anzumelden sowie einen eigenen zeitlichen Ablauf der Mobilisierung einzufordern. Die nationale Problematik, durch die Krise eher verstärkt als abgeschwächt, beeinträchtigt die Aktionseinheit der Arbeiterbewegung.
Und natürlich ist dies nicht die einzige Verzerrung auf politischer Ebene. Der Streik zeigt auch deutlich die unvermeidliche politische Krise der Linken. Die PSOE zeigt sich verpflichtet, Harakiri zu begehen zugunsten der Reichen. Seine Politik bereitet die Rückkehr der Rechten an die Macht vor, deren schmutzige Arbeit sie zu erledigen sich bemüht. Die Wahlen in Katalonien diesen Herbst werden sicherlich einen Erfolg der nationalistischen Rechten bringen und damit ein Ende des Zyklus linksliberaler Regierungen. Die Vereinigte Linke (Izquierda Unida) debattiert darüber, sich mit einem antikapitalistischen Aspekt neu zu gründen … und über ihre Kompromisse auf lokaler und regionaler Ebene mit der PSOE zusammen zu regieren. Diese neue Periode beginnt mit der dringenden Notwendigkeit einer grundlegenden Neuorganisation der sozialen und politischen Linken. Mit ihren bescheidenen aktiven Kräften des Neuaufbaus hat sich die Antikapitalistische Linke (Izquierda Anticapitalista) klar für eine Beteiligung im Kampf für den Generalstreik entschieden. Sie ist sich dabei der Wichtigkeit und der Notwendigkeit bewusst, aus diesem Kampf den Beginn eines ganzen Zyklus von Kämpfen zu machen, der eine fortschrittliche Perspektive heraus aus der systemimmanenten Krise und zu Gunsten der arbeitenden Klassen eröffnet.
23.09.2010 |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 468/469 (November/Dezember 2010).