Mit einer CO2-Steuer, deren Aufkommen als fester Pro-Kopf-Betrag an alle Menschen ausgeschüttet wird, glauben einige, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Ökolog*innen wie Neoliberale sind gleichermaßen begeistert.
Daniel Tanuro
Während Trump an seinem hemmungslosen Klimaskeptizismus festhält, machen sich James Baker und sieben weitere prominente Mitglieder der US-Republikaner einen Vorschlag zu eigen, den der bekannte Klimaforscher und Umweltschützer James Hansen entworfen hat: Eine CO2-Steuer zu erheben, die kontinuierlich zunimmt und komplett an die Bürger*innen in Form einer Einheitsdividende zurückfließt („fee-and-dividend“). Da die Bevölkerung auf eine wachsende Dividende setzt, könnte die Steuer weiter ansteigen und damit auch der ökologische Nutzen. Unternehmen und Privatpersonen würden dadurch motiviert, auf erneuerbare Energien umzusteigen.
Bekanntlich ist der Weg zur Hölle jedoch mit guten Vorsätzen gepflastert. Den Autoren geht es weder vorrangig um Umweltschutz noch um soziale Gerechtigkeit. Sie benutzen nur die Sorge wegen des Klimawandels und die Unzufriedenheit mit der Austeritätspolitik, um mehrere Probleme des US-Kapitalismus auf einmal anzugehen und ein reaktionäres politisches Konzept mehrheitsfähig zu machen. Dabei gehen sie subtiler vor als Trump, sind inhaltlich jedoch nicht weit von ihm entfernt, besonders was die Zerschlagung der Umweltschutzbehörde EPA anlangt.
Kurzfristig mag dieses Konzept der staatsquotenneutralen Abgaben und Auszahlungen den tumben Ansichten der Klimaskeptiker, die bei den Republikanern das Oberwasser haben, zuwiderlaufen. Aber der Druck auf sie wird zunehmen, da das transnationale Großkapital die Umsetzung der auf dem COP21 beschlossenen neoliberalen Klimapolitik für weitgehend alternativlos hält. Daher möchte es – gemäß seiner Logik eines „grünen Kapitalismus“ – einen Preis für die CO2-Emissionen festgelegt haben und auch wissen, wie der sich entwickelt, um seine Investitionen planen zu können. Der Vorstoß von James Baker, George Shultz und Konsorten nach ihrem Treffen mit Vizepräsident Mike Pence lässt ahnen, welche Bedrohungen da auf uns zu kommen.
Die linken Strömungen, die das Konzept von Hansen unterstützenswert finden, riskieren damit, in eine Falle zu treten. Denn nichts hat sich daran geändert, dass es keine marktkonforme Strategie gibt, mit der der durch die Marktgesetze hervorgerufene Klimawandel bekämpft werden kann, egal ob durch eine CO2-Steuer oder durch Emissionszertifikate. Die Katastrophe kann nur abgewendet werden, indem man gegen den Kapitalismus und seine Akkumulationslogik vorgeht.
Die Verhandlungspartner auf dem Pariser Umweltgipfel 2015 waren mit dem Ergebnis ihrer Arbeit durchaus zufrieden und priesen ihn als erfolgreich, da im Unterschied zu Kopenhagen 2009 ein Abkommen erzielt wurde. Dies konnte man sogar als ambitioniert bezeichnen, da sich die Regierungen verpflichtet haben, den Temperaturanstieg auf „deutlich unter 2 °C“ zu begrenzen und sich „weiterhin zu bemühen“, nicht die 1,5 °C zu überschreiten. Niemand hatte an einen solchen Durchbruch geglaubt.
Trotzdem gab es einen Wermutstropfen in den Vereinbarungen, den Francois Holland sogleich kenntlich machte: Die Parteien hatten sich nicht auf die Einführung eines Preises für die CO2-Emissionen geeinigt. Dabei war dies das zentrale Thema der kapitalistischen Klimastrategie, die in der Vorbereitungsphase des Gipfels ausgearbeitet worden war. So hatte der französische Präsident bei seiner Eröffnungsrede des Vorbereitungstreffens mit den Wirtschaftsverbänden (Business & Climate Summit) sechs Monate vor dem Gipfel darauf hingewiesen: „Wenn wir wirklich Signale an die Märkte aussenden wollen, damit die Unternehmen ihre Entscheidungen im Sinne der wirtschaftlichen und zugleich auch ökologischen Optimierung fällen können, müssen wir uns auf einen Preis für die CO2-Emissionen verständigen, weil dies das greifbarste Signal für alle wirtschaftlichen Akteure ist.“
Der Pariser Gipfel sollte mit aller Macht als geschichtsträchtiges Ereignis verkauft werden. Dabei hatten sich die entscheidenden Vertreter aus Politik und Wirtschaft bereits im Dezember 2014 auf dem COP20 in Lima auf die wichtigsten Punkte ihrer Strategie verständigt. Eine Forderung seitens der Wirtschaftsmagnaten war dabei die Bepreisung der CO2-Emissionen. Um die, in ihren Augen unumgängliche, Internalisierung der Kosten für die Klimaerwärmung bei künftigen Investitionen kalkulieren zu können, dringt das Gros von ihnen auf eine schnellstmögliche verlässliche politische Entscheidung, auch um halbwegs gleiche Bedingungen für alle Konkurrenten herstellen zu können.
Diese Absicht geht eindeutig aus den verschiedenen Verlautbarungen, offenen Briefen und Berichten hervor, die von den Konzernen und Denkfabriken des Kapitals im Vorfeld des COP21 veröffentlicht worden waren. Hierzu einige Beispiele:
„Verlässliche Richtpreise für CO2 müssen erhoben werden, um starke Signale für die gesamte Wirtschaft auszusenden“, lautete die vierte Empfehlung des Berichts „Besseres Wachstum, besseres Klima“, den die Global Commission on the Economy and Climate im September 2014 veröffentlicht hat. Diese sehr einflussreiche Kommission steht unter dem Vorsitz des ehemaligen mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón und des Ökonomen Nicholas Stern, der 2006 im Auftrag der britischen Regierung einen Bericht veröffentlichte, in dem er die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels untersuchte.
Wenige Monate vor dem COP21 veröffentlichten neun Unternehmerverbände und mehrere hundert Vorstandsvorsitzende von Großkonzernen ihre Vorschläge hinsichtlich eines Klimaabkommens. Dort heißt es: Das Abkommen muss die Grundlagen für die Einführung eines angemessenen, robusten und verlässlichen globalen Systems (in allen wichtigen Industrieländern) zur Verpreisung von CO2 schaffen, um voran zu kommen und Investitionsentscheidungen in kohlenstoffarme Technologien unter der Maßgabe der Kosteneffizienz herbeizuführen. Dies darf nicht zu einer globalen Wettbewerbsverzerrung führen und muss einhergehen mit einer vorhersehbaren Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe. Außerdem müssen dafür verschiedene Instrumente geschaffen werden, wie Emissionshandelssysteme oder Steuern.“
Die Forderung nach einer CO2-Bepreisung wird nicht nur von Apologeten des „grünen Kapitalismus“ erhoben, sondern auch von konventionellen Energieunternehmen. Im Juni 2015 wandten sich sechs große Ölkonzerne – British Gas Group, BP, Eni, Royal Dutch Shell, Statoil und Total – mit einem offenen Brief an die Vereinten Nationen und die Regierungen: „Dass CO2 bepreist werden muss, ist zwar in den letzten Jahren Gemeingut geworden, aber wir sind noch weit von einer belastbaren, weltweit gültigen Regelung entfernt. Seit geraumer Zeit drängen die Unternehmen und Investoren bei ihren Regierungen darauf, endlich auf politischer Ebene darauf zu reagieren und verlässliche Richtpreise vorzulegen.“ ExxonMobil war wohl nicht bei den Unterzeichnern, veröffentlichte aber nach Beendigung des COP21 ein Kommuniqué, in dem es die „grundlegenden Prinzipien“ einer Klimapolitik auflistete und daraus den Schluss zog: „Eine ‚aufkommensneutrale Steuer‘ auf CO2 ist dafür das beste Mittel“.
Bekanntlich hat der Pariser Gipfel bei weitem nicht die Bedrohung durch den Klimawandel beseitigt, sondern im Wesentlichen nur Absichtserklärungen geliefert, die durch die nationalen Klimaschutzpläne (NDC) nicht gedeckt werden und nach wie vor eine Diskrepanz von ca. 2 °C offenlassen. Diese Diskrepanz zu beseitigen ist die Aufgabe, die der „hochrangige strategische Dialog“ in Zukunft angehen soll. Dies soll unter der Hand bedeuten, dass sich gemäß der neoliberalen Doktrin nichts daran geändert hat, dass der Energiewandel unter der Federführung der Konzerne konzipiert und vonstattengehen muss und nicht von staatlicher Seite.
Früher oder später wird es also dahin kommen, dass die CO2-Emissionen weltweit bepreist werden. Auf welchem Wege, dies wird anhand der in verschiedenen Ländern und Regionen gemachten Erfahrungen diskutiert. Ein Weg wäre, Märkte für handelbare Emissionsrechte ins Leben zu rufen, so wie dies in der EU, in Kalifornien, Québec, im Nordosten der USA und in sechs Regionen in China geschehen ist. Ein anderes Mittel wäre eine CO2-Steuer zu erheben, wie es seit einigen Jahren in British Columbia getestet wird und anscheinend auf Resonanz stößt, wie unlängst der unerwartete Zuspruch aus prominenter Warte gezeigt hat. Acht hochrangige Vertreter der US-Republikaner, der Partei also des Klimaskeptikers Trump, haben einen konkreten Entwurf für eine CO2-Steuer vorgelegt, die „aufkommensneutral“ sein, also nicht die Steuerlast erhöhen soll. Sie soll umgehend für die gesamte USA gelten, unabhängig davon, ob weltweit eine Bepreisung der CO2- Emissionen eingeführt wird. Dabei überrascht auf den ersten Blick am meisten, dass dieser Vorschlag das Konzept des bekannten Klimaforschers James Hansen aufgreift, wonach eine jährliche steigende Steuer erhoben werden soll, deren Aufkommen in vollem Umfang und zu gleichen Teilen an die einzelnen Bürger*innen zurückfließen soll.
Dabei handelt es sich um wahrhaft hochrangige Vertreter der Konservativen, nämlich James Baker III (ehemaliger Staatssekretär unter Bush), Henry Paulson (ehemaliger Finanzminister unter Bush und davor Vorstandschef bei Goldman Sachs), Martin Feldstein (oberster Wirtschaftsberater von Präsident Reagan), George Shultz (ehemaliger Staatssekretär unter Reagan und Arbeits- und Finanzminister unter Nixon) und Rob Walton (ehemaliger Chef von Walmart) sowie drei weitere, hierzulande weniger bekannte Herren. Ihr Vorschlag füllt unter dem Titel „The Conservative Case for Carbon Dividends“ [1] gerade mal acht Seiten und entspringt dem Think tank „Climate Leadership Council“ (CLC), dessen Zielsetzung darin besteht, „die Meinungsführer der Welt für die effektivsten, beliebtesten und fairsten Lösungen der Klimafrage einzunehmen“.
Der Plan umfasst vier Eckpunkte:
Es wird eine CO2-Steuer von 40 Dollar pro Tonne dort erhoben, wo fossile Brennstoffe in die US-Wirtschaft eingeschleust werden (Bergwerk, Förderschacht oder Häfen); ihre Höhe wird alle fünf Jahre neu bemessen.
Es handelt sich um eine „aufkommensneutrale“ Steuer, die komplett an die US-Bürger rückvergütet wird, u. zw. In Form eine vierteljährlichen Pro-Kopf-Dividende, die für alle (einschließlich Kinder) gleich und steuerfrei ist. Bei einer Steuer von 40 Dollar pro Tonne läge die durchschnittliche jährliche Dividende für eine vierköpfige Familie bei 2000 Dollar.
Um eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie zu vermeiden, findet an den Zollgrenzen ein Ausgleich statt, nämlich eine Vergütung für US-Exporteure im Ausmaß der in ihren Produkten enthaltenen CO2-Steuer, sofern sie in Länder exportieren, in denen es keine entsprechende CO2-Steuer gibt. In analoger Weise würde die CO2-Steuer auch auf Importe aus diesen Ländern erhoben werden. Die damit erzielten Einnahmen würden die an die Haushalte verteilten Mittel noch aufstocken. Durch dieses Steuerungsinstrument erübrigt sich ein internationales Abkommen über eine weltweite CO2-Bepreisung als Vorbedingung, erhöht jedoch zugleich den Druck zu ihrer Einführung.
Die derzeit geltenden Regulierungen „werden durch die progressive Besteuerung von CO2 überflüssig“ und daher abgeschafft. So „würde das Gros der Kompetenzen der US-Umweltschutzbehörde EPA zur Regulierung der CO2-Emissionen gestrichen und der Clean Power Plan (den Obama als nationalen Beitrag der USA im Rahmen der Klimaschutzziele des COP21 beschlossen hat) komplett abgeschafft werden“. Gleichwohl findet sich folgende Präzisierung: „Um einen parteiübergreifenden Konsens für eine solche Dereglementierung zu erzielen, müsste der Eingangssteuersatz so festgelegt werden, dass die daraus folgenden Abgasreduktionen über den durch die geltenden Vorschriften erzielten Werte liegen“.
Dabei sticht ein Paradoxon ins Auge: Obwohl dieser Plan vorgeblich den Klimawandel bekämpfen soll, schweigt er sich über die dadurch erzielbare Emissionsminderung aus und erst recht über deren Umfang. In der Tat werden die Autoren weder von ökologischen noch sozialen Überlegungen umgetrieben, sondern vielmehr von politischen, wirtschaftlichen, ideologischen, geostrategischen und parteipolitischen. Sie machen sich die Angst vor dem Klimawandel und zugleich den Zorn über die Sparpolitik zunutze, um mit einem Schlag mehrere Probleme des US-Kapitalismus anzugehen und eine mehrheitsfähige reaktionäre Politik durchzusetzen. Dabei gehen sie subtiler vor als Trump, zugleich aber gibt es große Übereinstimmungen, gerade was Protektionismus und die Demontage der EPA anbelangt.
In politischer Hinsicht verweisen die Autoren darauf, dass die durch „den technologischen Fortschritt und die Globalisierung hervorgerufene wirtschaftliche Verunsicherung“ zu wachsendem Populismus führt, der „die gemeinsamen politischen Grundfesten hinsichtlich der Liberalisierung von Handel und Investitionen bedroht“. Diese Bedrohung „ist nicht leicht zu erwidern“, die CO2-Dividende bildet jedoch „eine seltene Ausnahme: eine simple Methode, die einerseits die Wirtschaft stärkt und andererseits die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung verbessert“. Ein Mittel also, um „die populistische Dynamik wieder in eine gesellschaftlich sinnvolle [sprich: neoliberale] Richtung zu lenken“. Dem „liegt eine populistische Argumentation zugrunde, nämlich: Wir, das Volk, verdienen einen Ausgleich, wenn andere mutwillig das Klima gefährden, indem sie Abgase in die uns allen gemeinsame Atmosphäre emittieren“.
In wirtschaftlicher Hinsicht greift der Plan die klassischen Argumente des grünen Kapitalismus auf: Die Bepreisung von CO2 wird zu technologischen Neuerungen führen und Raum für enorme Investitionen schaffen, dass „in großem Umfang eine neue Infrastruktur im Energie- und Verkehrssektor geschaffen werden muss“. Damit erhalten die Unternehmen, gerade des Energiesektors, verlässliche Plandaten für künftige Investitionen.
Zusätzlich stellen die Autoren zwei Überlegungen an. Erstens „könnten die Konzerne flexibler ihre Abgase unter dem Gesichtspunkt der Kosten-Nutzen-Effizienz senken, da zahlreiche Regulierungen entfallen“, und zweitens „werden die Investoren dadurch, dass sie von einer stetigen leichten Steigerung der Steuer ausgehen können, dazu angehalten, ihre Infrastruktur und Produktionsanlagen, besonders wenn sie langlebig sind, zügig anpassen, was die Konjunktur weiter antreibt“. Da dasselbe auch für die Privathaushalte gilt, wirkt sich dies positiv „auf Konsum und Investitionen“ aus und die Verbraucher werden ihr Konsumverhalten ändern. In ideologischer Hinsicht hofieren James Baker und Konsorten den Konservatismus, indem sie die Vorzüge ihres Plans preisen, um „die Regierung zu straffen“: Durch den Wegfall zahlreicher Regulierungen auf dem Energiesektor wird der Staatsapparat verkleinert und dadurch werden personelle und finanzielle Ressourcen freigesetzt. Der Schlüssel dazu ist, dass durch die fortlaufende Erhöhung der Steuer „das Argument entfallen wird, die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren immer strenger regulieren zu müssen“.
Tatsächlich wollen die Autoren, genauso wie Trump, die Reglementierungskompetenzen der EPA unterminieren, aber sie betreiben dies hintenrum und im Namen des Umweltschutzes. Für sie ist es „essentiell“, dass die Steuereinnahmen vollumfänglich in Form von Dividenden verteilt werden, „denn Nachhaltigkeit, Akzeptanz und Transparenz des Plans hängen davon ab. Wenn die Einnahmen aus der CO2-Steuer anderweitig verwendet würden (etwa für Investitionen in erneuerbare Energien, AdR), wäre der Rückhalt in der Bevölkerung für eine allmählich steigende CO2-Steuer gefährdet und damit auch unsere Argumentation gegenüber (sinnlosen, AdR) langfristigen Emissionsbeschränkungen“.
In geostrategischer Hinsicht erklären die Autoren, „eine instabile Welt stabilisieren“ zu wollen. Ihr Vorhaben berücksichtigt einerseits den Überdruss der US-Bevölkerung an Kriegseinsätzen im Ausland und andererseits die Entschlossenheit des US-Imperialismus, seine imperialistische Führungsrolle zu behalten und auszubauen. „Die Welt zu stabilisieren“, das bedeutet für Baker & Co., die USA „energiepolitisch unabhängig“ zu machen und somit „den Druck zu mindern, politisch verwundbare Ölförderregionen zu schützen oder beeinflussen zu wollen“. Umgekehrt würde dadurch die nationale Sicherheit gestärkt. Obendrein würde die CO2-Bepreisung „der heimischen Atomenergie Auftrieb verschaffen, was wiederum die Klimastabilität erhöht und die energiepolitische Unabhängigkeit der USA“.
Parteipolitisch geht es darum, „die konservative Hegemonie zu stärken“. „64 % der US-Amerikaner sorgen sich wegen des Klimawandels und eine eindeutige Mehrheit der Republikaner glaubt, dass dieser Wandel stattfindet“. Außerdem sind 67 % der US-Bürger, darunter 54 % der konservativen Republikaner für eine Steuer, die komplett als Dividende an die Bürger zurückfließt. Man kann darüber streiten, wie groß der Einfluss der Menschheit auf die Erderwärmung ist, aber letztere ist „eine Tatsache, die viel zu rasch voranschreitet, als dass sie ignoriert werden könnte“ und „die Risiken sind zu hoch und müssen ausgeschaltet werden“. Nach Ansicht der Autoren „offenbart die Weigerung vieler Republikaner, darauf ernsthaft einzugehen, eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Armut, die dem traditionellen Führungsanspruch der Grand Old Party widerspricht“. In der Bevölkerung sind die unter 35-jährigen, die Hispanics und die asiatischstämmigen Bewohner, also der am schnellsten wachsende Bevölkerungsteil, diejenigen, die sich am stärksten am den Klimawandel sorgen. Eine Realität, die „die GOP zu ihrem eigenen Schaden ignoriert“.
Die strategische Schlussfolgerung wird klar benannt: „Es ziemt sich für die GOP, auf diesem Weg die Führungsrolle zu übernehmen, anstatt daneben zu stehen. Die Republikaner haben heute die seltene Gelegenheit, die langfristigen Modalitäten für eine marktbasierte Lösung des Klimaproblems zu bestimmen, die von beiden Seiten – der Industrie und der Bevölkerung – getragen wird. Auch bietet sich hier eine Gelegenheit, die Stärke unserer konservativen Werte zu demonstrieren, indem wir eine effizientere, fairere und beliebtere Klimapolitik bieten, die auf der freien Marktwirtschaft, auf weniger Staat und auf Dividenden für alle US-Amerikaner basiert.“
Der Coup scheint geschickt konzipiert und wohlüberlegt – ein wenig wie das Ei des Kolumbus. Wie es in einer Kolumne von drei der Autoren in der New York Times heißt: Die vier Eckpfeiler des Plans „animieren zu neuen Koalitionen. Den Umweltschützern dürfte gefallen, dass die lange Zeit hinaus geschobene CO2-Bepreisung verbindlich wird. Den Verfechtern des Wirtschaftswachstums dürften die Kombination von weniger Regulierung und mehr politischer Stabilität gefallen, was langfristige Investitionen, besonders in saubere Technologien, befördert. Die Libertären dürften sich über den Anstoß zur Eigeninitiative anstelle staatlicher Intervention freuen und die Populisten über den Umverteilungsaspekt.“
In einem Editorial der Financial Times wurde der Vorschlag sehr positiv aufgenommen und als konform mit den neoliberalen Dogmen geadelt: „Es ist nicht per se ein staatlicher Eingriff, wenn ein Preis korrigiert wird, um die tatsächlichen Produktionskosten abzubilden – in vorliegendem Fall die Umweltkosten der CO2-Emissionen – ohne dabei tiefer in das Marktgeschehen einzugreifen.“ Süffisant geht es dann weiter: „Diesen Grundsatz zu akzeptieren, könnte den USA dazu verhelfen, auf den Klimawandel mit einer intelligenten Wirtschaftspolitik zu reagieren, statt mit bloßer Ideologie“. Gut getroffen! Zugleich legt das Londoner Börsenblatt einige Probleme in der praktischen Umsetzung, besonders bei der Besteuerung an den Zollgrenzen, bloß und formuliert sogar stichhaltige Einwände aus ökologischer Warte.
James Hansen (2005), Foto: NASA |
In den USA sind einige der potentiellen Bündnispartner, die Baker & Co im Sinn hatten, tatsächlich umgehend auf diesen Zug aufgesprungen. So zeigte die Reaktion des Demokraten Lawrence Summers, dass damit zu Recht ein parteiübergreifender Konsens angestrebt werden sollte. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Ex-Finanzminister unter Clinton und Ex-Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats unter Obama gab auf seinem Blog bekannt, dass er „den Plan einer CO2-Steuer als substantielle Antwort auf den Klimawandel energisch unterstützt. Auch der Vorschlag, die Steuer mit einer Ausschüttung an die Verbraucher zu kombinieren und die administrativen Kontrollmechanismen (zugunsten marktwirtschaftlicher Steuerungselemente, AdR) zurückzufahren und einen Ausgleichsmechanismus an den Zollgrenzen einzuführen, ist sinnvoll“. Besonders, dass nicht mehr Klimaschutzziele als Korrektiv vorgegeben werden sollen, sondern ein Anreiz durch die Preise geschaffen werden soll, findet Summers’ vollstes Einverständnis: „Manche meiner Freunde werden damit nicht rundum einverstanden sein, aber ich halte es für einen Fortschritt, dass das Prinzip, durch Vorschrift und Kontrolle eine verbindliche Regelung herbeizuführen, durch eine Steuer ersetzt wird. Damit wird mehr Sicherheit geschaffen, was wiederum das Investitionsklima befördert.“
Damit steht Summers nicht allein. Der Vorschlag des CLC wurde unter dem rechten Flügel der Umweltschutzbewegung positiv aufgenommen. Naomi Klein hat in ihrem Buch über den Klimawandel (Die Entscheidung – Kapitalismus vs. Klima) aufgezeigt, dass dieser rechte Flügel unter den Grünen für einen grünen Kapitalismus oder gar für den Kapitalismus schlechthin steht. Ein genuiner Vertreter dieser Strömung ist Mark R. Tercek, ehemals leitender Manager bei Goldman Sachs, der gegenwärtig die Naturschutzorganisation The Nature Conservancy (TNC) leitet. Dieser über eine Million Mitglieder starke Verband verwaltet viele Tausend quadratkilometergroße Naturschutzgebiete auf der ganzen Welt. Sein Vermögen wird auf über fünf Milliarden Dollar geschätzt und im Verwaltungsrat sitzen auch Vertreter von Ölkonzernen, was so weit geht, dass in diesen Naturschutzgebieten sogar Erdöl gefördert wurde. Gemeinsam mit Jonathan S. Adams hat Tercek das Buch Nature’s Fortune. How Business and Society Thrive By Investing in Nature verfasst, in dem argumentiert wird, dass die Natur bewahrt werden muss, weil sie eine enorme Profitquelle darstellt. Umweltschutz bedeutet für die beiden Autoren nicht mehr und nicht weniger als ein attraktives Geschäft für Investoren. Diese Strategie beinhaltet natürlich auch, dass alles einen Preis haben muss und besonders das Kohlendioxid. Insofern überrascht es nicht, wenn Tercek schreibt: „Wir sollten alle den Vorschlag des CLC begrüßen. Und jetzt, wo unsere republikanischen Freunde aus der Deckung kommen, hoffe ich, dass die Demokraten und die Umweltschützer ihnen bereitwillig entgegen kommen und ein parteiübergreifender Dialog über diesen Vorschlag zur Einführung einer CO2-Dividende zustande kommt.“
Zum Leidwesen von Baker & Co findet ihr Vorschlag im eigenen Lager kein Gehör. Wie negativ die GOP darauf reagiert, wird am Beispiel von Rupert Darwall deutlich, einem Historiker und Trump-Anhänger sowie Mitglied des ultrakonservativen Thinktanks Center for Policy Studies. Darwall hat ein Werk verbrochen: The Age of Global Warming: a History (Quartet Books, 2013), in dem aufs Trefflichste demonstriert wird, wie und warum der Klimaskeptizismus integraler Bestandteil dieser reaktionären (sexistischen, populistischen, rassistischen, kreationistischen etc.) Geisteshaltung ist, der die Republikanische Partei beherrscht.
Die Autoren des Conservative Case for Carbon Dividend wissen, dass ihnen dort der Wind entgegen weht und versuchen, dagegen zu halten, indem sie sagen, dass die Ursache für die Erwärmung wenig zur Sache täte, wesentlich sei die drohende Gefahr und die Verpflichtung, dagegen etwas zu unternehmen. Aber genau hier liegt der Schwachpunkt ihrer Argumentation, nämlich warum sollten die Emissionen durch die Menschen reduziert werden, wenn sie gar nicht den Hauptgrund für den Klimawandel bilden? Dies sieht auch Darwall: „Kein vernünftiger Mensch käme auf den Gedanken, das CO2 zu besteuern, wenn es als ungefährlich und lebenswichtig gilt, was zweifellos der Fall ist.“ Den Plan von Baker & Co findet Darwall Firlefanz und bloßen Rückfall in „die Klimahysterie der Eliten“. Und da sich Trumps Sieg auch der Ablehnung dieser Hysterie verdankt, darf man nicht locker lassen auf dem Weg, „die USA wieder stark zu machen“, und sich dabei durch niemanden beeindrucken lassen.
Diese absurde Haltung rührt notabene nicht einfach daher, dass Darwall und Konsorten mit den alten Energiekonzernen unter einer Decke stecken. Vielmehr erliegen sie einer Verschwörungstheorie, die sie blind für jede Logik macht, einschließlich der imperialistischen Logik, die besagt, dass der Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen China die Führungsrolle bei der Energiewende und somit über die ganze Welt überlässt. Für Leute wie Darwall ist „die Klimahysterie“ letztlich von der Konkurrenz künstlich erzeugt worden, die die USA daran hindern will, von ihren riesigen fossilen Energiereserven zu profitieren, um dem Land „seine Größe“ zu nehmen. Soll China doch bei Windkraft und Solarenergie führend werden! Umso besser, weil dies die chinesischen Exporte verteuert, während billige Kohle, Schiefergas und Teersand die US-Wirtschaft noch wettbewerbsfähiger machen.
In einem Beitrag verweist Darwall auf das Beispiel von George W. Bush, der bei Beginn seines zweiten Mandats durchaus gegen das Kyoto-Abkommen gewesen wäre und sich dann leider auf dem G8-Gipfel von Gleneagles 2005 von Tony Blair hätte einwickeln lassen, was wiederum wegbereitend für Obamas Klimapolitik und dessen Kumpanei mit den Chinesen gewesen sei. [2] Trump müsse daraus die Lehren ziehen und „standhaft bleiben gegenüber der Welt“. Man könnte darüber lachen, wenn’s nicht zum Heulen wäre!
Angesichts solcher Dümmlichkeit scheint der Plan von Baker und Konsorten die Interessen der herrschenden Klasse nahezu vorbildlich widerzuspiegeln. Warum aber findet er dann kein Gehör? Weil die „herrschende Klasse“ eine Abstraktion ist: Der Kapitalismus existiert nur in Form konkurrierender Kapitalien und die Klasse der Kapitalisten besteht aus Rivalen. Ihre politische Vertretung wiederum delegiert sie an Leute, die möglicherweise anderen sozialen Schichten entstammen, wie Thatcher, deren Vater Krämer war. Da der Aufstieg dieser Leute an die Macht über das allgemeine Wahlrecht läuft und somit von ihrem Geschick, Unterstützung außerhalb der Kapitalistenklasse zu erhalten, versteht man, dass es eine zweifache relative Autonomie gibt: einerseits zwischen politischer und wirtschaftlicher Ebene, andererseits zwischen den Individuen und der politischen Ebene. Damit hat der Zufall viel Platz, ebenso die Vernunftwidrigkeit, zumal in Zeiten der Krise.
Trumps Aufstieg ist zugleich Ausdruck dieser Krise und dieser Vernunftwidrigkeit. Es ist nicht auszuschließen, dass die aufkommensneutrale CO2-Steuer in irgendeiner Form von der US-Regierung auf den Weg gebracht wird. Einerseits entspricht dies den Vorstellungen des Großkapitals, und bspw. der Außenminister Rex Tillerson war dafür, als er Chef von ExxonMobil war. Andererseits ist die öffentliche Meinung in den USA über den Klimawandel so beschaffen [3], dass ein skrupel- und prinzipienloser populistischer Politiker wie Trump letztlich versucht sein könnte, den Vorschlag von Baker & Co aufzugreifen, um einen politischen „Coup“ zu landen. Die ultrakonservativen Klimaskeptiker werden freilich dagegen halten und auch in der Lage sein, dafür beträchtliche Gegenleistungen einzufordern.
Wie dem auch sei, anhand des Vorschlags des CLC sollte sich die Linke damit befassen, wie eine CO2-Besteuerung zu bewerten ist, die stetig angehoben wird und deren Aufkommen gleichmäßig auf alle Bewohner*innen als Dividende zurückfließt.
Wie erwähnt, kommt James Baker und Konsorten nicht das Urheberrecht an dieser Idee zu, die vielmehr erstmals von dem bekannten US-Klimaforscher James Hansen aufgeworfen wurde. Der ehemalige Direktor des Goddard Institute for Space Studies der NASA und Professor an der Columbia University ist seit seiner Pensionierung als Klimaaktivist tätig, wobei er bekanntlich sehr frühzeitig, nämlich 1988 anlässlich eines Auftritts vor einer Kommission des US-Senats, vor der Klimaerwärmung eindringlich gewarnt hat. Er ist ein herausragender Wissenschaftler und steht als Humanist zu seinen Überzeugungen. Bereits mehrfach wurde er festgenommen, weil er sich an Aktionen gegen Kohlekraftwerke und die Pipeline Keystone XL beteiligt hat. Diese beeindruckende Persönlichkeit erklärt auch zum Teil, weswegen sein Vorschlag bei manchen Linken und Umweltschützer*innen so populär ist.
Bei seinem zweiten Auftritt vor dem Kongress 2009 legte der Klimaforscher seinen Vorschlag einer „fee-and-dividend“ auf CO2 dar. Der Ausgangspunkt seiner Überlegung dürfte bei der Linken auf Gegenliebe stoßen: Hansen geht zurecht davon aus, dass eine Klimapolitik nur Erfolg haben kann, wenn sie von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen wird und insofern gewissermaßen auf ihren Überdruss an der Sparpolitik eingeht. Hansens Vorschlag soll diesen Bedenken Rechnung tragen. Eine Erklärung dafür liefert er in seinem Buch Storms of My Grandchildren. The Truth About the Coming Climate Catastrophe and Our Last Chance to Save Humanity (Bloomsbury, 2009): „Die Geringverdiener werden davon profitieren, indem sie ihre CO2-Emissionen kontrollieren. Mehrfache Hausbesitzer hingegen oder Leute, die viel um die Welt fliegen, werden stärker zur Kasse gebeten, als sie über die Dividende zurückerhalten. … Wenn die Steueraufkommen zu hundert Prozent an die Bevölkerung zurückfließen, wird diese akzeptieren, dass die Steuer entsprechend ansteigt, was bei dem relativ ineffizienten System des Handels mit Emissionsrechten oder einer bloßen CO2-Steuer nicht der Fall ist.“
J. Hansen ist sich dessen bewusst, dass das Energieversorgungssystem geändert werden muss und dass sich diese Wende über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird. Angesichts der Dringlichkeit wäre die „fee-and-dividend“ das einzige Mittel, mit dem die kurzfristig zwingend erforderlichen Emissionsminderungen tatsächlich erzielbar wären, um ein unkontrollierbares Umkippen des Klimas zu verhindern. Diese Methode stellt in seinen Augen den zentralen Hebel für eine volksnahe Politik dar, die zu Energieeinsparungen führen und die Ausbeutung unkonventioneller fossiler Ressourcen und den Betrieb von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung beenden sowie Bodenflächen vorsehen würde, wo zunehmend Kohlendioxid gespeichert werden könnte. Nicht zu vergessen, dass AKW der „vierten Generation“ entwickelt werden müssten!
Bei Teilen der Linken verfing diese Argumentation. John Bellamy Foster etwa, ein bekannter Autor von Werken über den Ökomarxismus [4], veröffentlichte in Monthly Review einen langen Artikel zur Unterstützung von Hansens Vorschlag. [5] Wohl äußert Foster auch Vorbehalte: „Grundsätzlich geht Hansens Strategie, der Klimakrise zu entkommen, trotz all ihrer starken Seiten nicht weit genug. Auch wenn sie fortschrittliche Züge aufweist, handelt es sich um eine von oben herab entworfene Strategie, um eine CO2-Steuer in der Hoffnung einzuführen, dass dadurch die Unternehmen die fälligen technologischen Neuerungen durchführen werden.“ Sie liefert keine Antwort auf „die Systemfrage und den Zwang zur Akkumulation, der den Kapitalismus antreibt“. Foster hält also daran fest, dass eine „wirkliche Lösung einen radikalen Wandel der sozialen Prioritäten erfordert“, „eine viel weitergehende soziale Transformation, die nur durch demokratische Massenmobilisierungen hervorgerufen werden kann, mithin also eine revolutionäre Transformation“.
Einstweilen jedoch lobt Foster nachdrücklich die „fee-and-dividend“, weil sie „der einzige umsetzbare Ansatz“ ist und zudem einen Klassencharakter zeigt: „Hansens Herangehensweise an den Klimawandel ist deswegen so bedeutsam, weil … sie in erster Linie seiner Klassenanalyse, seinem populistischen Gespür, seinem Internationalismus und seinem gnadenlosen Realismus entspringt. Dies hat ihn dazu bewogen, die „fee-and-dividend“ als die einzig realistische Vorgehensweise zu unterstützen, mit der die CO2-Emissionen rasch gesenkt werden können. Ohne einen viel höheren Preis für das CO2, der seine realen Kosten (auch in Bezug auf die Umwelt) widerspiegelt, gibt es angesichts der herrschenden sozioökonomischen Verhältnisse keine Hoffnung, die Katastrophe zu vermeiden.“
Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Einerseits vertritt Foster einen revolutionären Ansatz, der mit seiner marxistischen Analyse übereinstimmt, wonach die Klimaerwärmung Folge der kapitalistischen Akkumulation ist. Insofern verwirft er auch jede „Etappenstrategie“: „Eine schrittweise Lösung kann es nicht geben, dazu bleibt zu wenig Zeit“ schreibt er abschließend in dem Artikel. Andererseits betrachtet er Hansens Plan als einen unerlässlichen Zwischenschritt, „als den ersten entscheidenden Schritt, der getan werden muss, um den irreversiblen Klimawandel zu verhindern, … als einen wohlüberlegten Versuch, das Maximum dessen herauszuholen, was das kapitalistische Regime vernünftigerweise hinnehmen könnte“. Der Widerspruch liegt auf der Hand.
Denn Hansens Vorschlag ist im Grunde nichts anderes als seine populistische Variante der neoliberalen Doktrin, wonach die der Marktwirtschaft geschuldete Zerstörung der Umwelt bekämpft werden kann, ohne erstens die Akkumulation infrage zu stellen, ohne zweitens verbindliche Zielvorgaben zur Schadstoffreduzierung festzulegen, ohne drittens das Alltagshandeln der Bevölkerung dahingehend zu beeinflussen, dass neue kulturelle Normen entstehen, und indem viertens die ausschlaggebenden Mechanismen für die Umweltzerstörung bloß einen Marktpreis erhalten müssen, um die Unternehmer zum Umdenken bei ihren Investitionen und die Konsumenten zum Umschwenken bei ihren Gewohnheiten zu veranlassen.
Um diesen Widerspruch aufzulösen, behauptet Foster, dass Hansens Plan „objektiv revolutionär“ sei und eine antikapitalistische Dynamik entfachen würde, die „für jede langfristige Strategie zur Stabilisierung des Klimas und der Umwelt“ unerlässlich sei. „Was bei Hansens Plan objektiv revolutionär ist, ist dass er sowohl der Dringlichkeit als auch der Krise Rechnung trägt und dem monopolistischen Finanzkapital im Herzen des Systems einfach vermittelt werden kann. Sein großes Potential liegt darin, dass sich seine Folgen in allen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft niederschlagen würden. Im Alltag würde klarer denn je, dass der ökologische Fußabdruck der fossilen Energie und die zunehmende Zerstörung des Planeten Ausdruck der Klassengesellschaft sind“.
Foster beruft sich dabei sogar auf das Manifest der Kommunistischen Partei von Marx und Engels: Dank der „fee-and-dividend“ würde deutlich, dass die erforderlichen radikalen Änderungen in der gesamten Produktions-, Distributions- und Konsumptionssphäre nur umgesetzt werden könnten „durch einen gewaltsamen Eingriff in das Eigentumsrecht und in die bürgerliche Kontrolle über die Produktion, Maßnahmen also, die – wirtschaftlich gesehen – unzureichend und nicht nachhaltig sind, die aber durch die Bewegung überrollt würden und unabdingbare Vorbedingung sind, um die Produktionsverhältnisse als solche umzuwälzen“.
Dass Hansen mit seinem Plan auf eine antikapitalistische Dynamik setzt, wird damit begründet, dass ggf. an alle Haushalte der USA jährlich 2000 Dollar fließen und diese Forderung einen „Klassencharakter“ hätte. Daran zweifeln lässt freilich, wie umstandslos dieser Vorschlag von den genannten acht Vertretern der republikanischen Parteiprominenz aufgegriffen wurde.
Aber lassen wir mal die schönen Worte beiseite! Was ist eine Forderung mit Klassencharakter? Eine die unter den Ausgebeuteten das Verständnis dafür weckt, dass die Gesellschaft in antagonistische Klassen geteilt ist, deren Zugehörigkeit durch die Position in den Produktions- und Eigentumsverhältnissen bestimmt wird. In der kapitalistischen Produktionsweise, die beständig die soziale Ungleichheit erzeugt und reproduziert, enthüllt die bloße Tatsache, an alle Bürger*innen eine identische Summe Geldes zu verteilen, keineswegs das Bestehen der Klassen, sondern verschleiert dies vielmehr. Davon abgesehen steckt hinter dem Vorschlag keine Robin-Hood-Mentalität, denn die Steuer trifft alle, da die Unternehmen sie wenigstens teilweise auf die Endverbraucher umlegen.
Wohl hat die Pro-Kopf-Dividende einen gewissen Umverteilungseffekt, aber das reicht nicht aus, um von einem „Klassencharakter“ zu sprechen. Die ideologische Urheberschaft für diesen Vorschlag muss man auch nicht beim Marxismus suchen, sondern bei der sog. „Theorie der Gerechtigkeit“ von John Rawls, von der die Anhänger der „universellen Allokation“ (Zuordnung und Verteilung der Güter an Alle) beeinflusst sind. Die Ähnlichkeit ist auch kein Zufall, denn die „fee-and-dividend“ ist letztlich eine „grüne“ universelle Allokation, die über eine CO2-Steuer finanziert wird. [6]
Für Foster und seine Epigonen (namentlich Ian Angus, der Betreiber der ausgezeichneten Plattform Climate and Capitalism und Alan Thornett, führendes Mitglied von Socialist Resistance) rechtfertigt die extreme Dringlichkeit, die Klimaerwärmung zu bekämpfen, die Unterstützung für Hansens Vorschlag, weil er unter den obwaltenden Bedingungen der einzig wirksame und umsetzbare ist oder – wie Foster schreibt – das „Maximum, was das kapitalistische Regime vernünftigerweise hinnehmen könnte“.
Alan Thornett geht noch weiter: „Es ließe sich aufzählen, was getan werden müsste. Wir brauchen einen vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien, einen Bruch mit dem Produktivismus, ein umfassendes Energiesparprogramm, eine ganzheitliche Verkehrspolitik mit umfassendem Verzicht auf das Auto, eine Regionalisierung der Nahrungsmittel- und sonstigen Produktion, wo immer möglich, eine Agrarreform, Einsparungen im Wasserverbrauch, Ernährungssouveränität, eine drastische Einschränkung des Fleischkonsums, Schutzmaßnahmen für bedrohte Arten und Lebensräume etc. pp. Das Problem jedoch liegt darin, eine Akzeptanz für diese Maßnahmen unter der Bevölkerung und ihre rechtzeitige Umsetzung zu schaffen. … Um es direkt zu sagen, das Problem bei all dem ist, dass wir ganz offensichtlich nicht kurz vor einer Weltrevolution stehen und wenn sie denn mal kommt, es zu spät sein könnte, um noch viel zu reißen.“ [7]
Aufkommensneutrale CO2-Steuer "Fee and Dividend", Grafik: Felix Jörg Müller |
Die Bedrohung durch den Klimawandel ist in der Tat äußerst schwerwiegend, aber es stimmt nicht, dass die „fee-and-dividend“ „unter den obwaltenden Bedingungen die einzig umsetzbare Lösung“ wäre, noch dass alle anderen Vorschläge den Sieg der „Weltrevolution“ zur Voraussetzung hätten. So könnten bspw. ein Regierungsprogramm aufgelegt werden, wonach die bestehenden Gebäude – angefangen bei den öffentlichen und halböffentlichen – renoviert und isoliert werden, ohne dass damit das kapitalistische System ins Wanken geriete; oder es gibt bereits Städte, in denen der ÖPNV kostenlos ist; oder Bürgerinitiativen bieten Nahrungsmittel aus ökologischem und regionalem Anbau an; oder Kleinbauern- und Landarbeitergewerkschaften, die Via Campesina angehören, leisten konkrete Beiträge zur Ernährungssouveränität und zu einer Anbauweise, die CO2 bindet; oder indigene Völker engagieren sich bei der Verteidigung der Wälder und anderer Naturschätze auf ihren Territorien; oder Teile der Gewerkschaftsbewegung setzen sich für eine „Energiedemokratie“ ein, in der der Energiesektor vergesellschaftet und die Belegschaften umweltschädlicher Unternehmen umgeschult werden; oder Hunderttausende allen Alters protestieren gegen Kohlekraftwerke etc.
Der Unterschied zwischen diesen Forderungen und der „fee-and-dividend“ liegt nicht darin, dass jene im Unterschied zu dieser nicht unmittelbar umzusetzen wären. Vielmehr liegt er darin, dass jene eine Strategie voraussetzen, in der die Kämpfe und Protestformen der Ausgebeuteten und Unterdrückten in Hinblick auf eine ökosozialistische Alternative zusammengeführt werden, während die zweite Variante um einen parteiübergreifenden (d. h. Republikaner und Demokraten) politischen Konsens bemüht ist und dafür eine gesetzliche Regelung herbeiführen will, die angeblich allen Seiten Genüge tut: der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Umwelt, ganz wie es die neoliberale Doktrin der „nachhaltigen Entwicklung“ vorsieht.
Dieser Polarisierung liegt offensichtlich eine kürzlich in Seattle (Bundesstaat Washington) gemachte Erfahrung zugrunde. Die dortige Klimabewegung war dabei, ein Bündnis zwischen Gewerkschaften, Farbigen, Frauenorganisationen, indigenen Völkern und anderen unterdrückten Gruppen zu schmieden. Eine Strömung darunter vertrat die Ansicht, dass angesichts der Dringlichkeit der Klimafrage ein politisches Abkommen zwischen Demokraten und Republikanern notwendig sei, was lediglich entlang einer CO2-Steuer erzielbar wäre. Also hat diese Strömung einen Vorschlag ausgearbeitet, der dann der Bevölkerung des Bundesstaates zum Volksentscheid vorgelegt [und mit 58 % abgelehnt] wurde. Der dortige Entwurf weicht ein wenig von Hansens ab, was aber nichts zur Sache tut. Ausschlaggebend ist, dass sich die beiden Strategien in ihrem Bezug auf die sozialen Bewegungen stark unterscheiden.
David Roberts fasst die Angelegenheit so zusammen: „Die Linke steht unter dem Druck ihres Flügels, der die Frage sozialer Gerechtigkeit mit der Klimafrage verknüpfen und daraus eine breite soziale Bewegung schmieden will. Zugleich macht der gemäßigte Flügel Druck, um die beiden großen Parteien einzubeziehen und dieser Druck wird umso stärker, als immer mehr republikanische Abgeordnete die Klimafrage thematisieren wollen.“ Dabei ist klar, dass mit einer – auch vollumfänglichen – Ausschüttung des CO2-Steueraufkommens in keiner Weise eine sozial gerechte Klimapolitik gewährleistet wäre.
Denn soziale Gerechtigkeit setzt mehr voraus, als ein höheres Einkommen für den Einzelnen (das dann u. U. sogar für Kauf und Unterhalt eines SUV dient): Die Gewerkschaften treten für eine industrielle Konversion der umweltschädlichen Unternehmen und somit für den Erhalt der Arbeitsplätze ein, die farbigen Gemeinden und die sozial schwachen Interessensgruppen wollen billige Wohnungen mit guter Anbindung an den ÖPNV, die indigenen Völker fordern den Schutz ihrer Territorien etc.
Die Energiewende setzt in erster Linie gemeinsame Projekte und Investitionen in großem Stil voraus. „Wenn diese nicht durch eine CO2-Steuer finanziert werden, wie dann?“, fragt D. Roberts. Diese Frage ist umso dringlicher, als alle vorliegenden Vorschläge die „Aufkommensneutralität“ dieser CO2-Steuer als unverhandelbar erklären.
Dabei liegt das Problem gar nicht in der Finanzierung. Es geht vielmehr auch darum, die verschiedenen Lösungsansätze zu einer gemeinsamen Strategie und Programmatik zusammenzufassen und eine gemeinsame Praxis zu entwickeln, die auch zu einem Kulturwandel führen. Dies ist ein wesentlicher Punkt: Wie kann ein sozial gerechter Ausstieg aus dem Klimawandel erzielt werden, ohne dass der soziale und der Umweltaspekt in einer gemeinsamen Praxis angegangen werden, die auf autonomer Organisation, Selbstverwaltung und Kontrolle von unten gründet? Nur über eine solche Praxis können die ausgebeuteten, unterdrückten und entfremdeten Schichten eine Ideologie entwickeln, die der konsumorientierten und produktivistischen bürgerlichen Ideologie alternativ gegenübersteht. „Fee-and-dividend“ hingegen sind dabei nicht hilfreich.
Das andere Argument dieser linken Apologeten der „fee-and-dividend“ ist, dass dies das einzig praktikable Mittel sei, rasch den Ausstoß von Treibhausgasen „unter den obwaltenden Bedingungen“ zu reduzieren. Denn mit der Pro-Kopf-Dividende wäre die Akzeptanz unter der Bevölkerung gewährleistet, so dass der CO2-Preis recht schnell auf eine Größenordnung von 150–200 Dollar pro Tonne angehoben werden könnte. Selbst wenn wir mal davon ausgehen, dass die Unternehmen diesen Preis hinnehmen, heißt dies nicht, dass damit automatisch die Emissionen drastisch reduziert werden. Hansen selbst geht davon aus, dass eine Steuer von 10 $/t, die jährlich um 10 $ steigt, zu einer Reduktion der Emissionen von 30 % binnen 10 Jahren (wo der Preis dann bei 100 $/t läge) führen würde. Dazu lässt sich dreierlei sagen:
Im Ergebnis unterscheidet sich dies nicht qualitativ von den Zielen des Klimaplans, der unter Obama für den COP21 ausgearbeitet worden war (26–28 % Reduktion zwischen 2015 und 2025 mittels regulierender Maßnahmen).
Ebenso wie Obamas Plan geht er kaum über das hinaus, was die USA ohnehin 13 Jahre früher hätten umsetzen müssen, wenn sie denn das Kyoto-Protokoll unterzeichnet hätten.
Hansen liefert ein Beispiel zur Veranschaulichung, das seinen eigenen Prognosen widerspricht: „Nehmen wir mal den Zeitpunkt, wo die Steuer auf 115 $/t steigt. Dann wird diese Steuer den Benzinpreis um 1 $ pro Gallone verteuern, die durchschnittlichen Stromkosten werden bei 8 Cent pro kWh liegen und die Einnahmen bei 670 Milliarden Dollar. Daraus ergibt sich eine jährliche Dividende von 3000 Dollar, monatlich also 250 $ für jeden Erwachsenen. Eine Familie mit zwei oder mehr Kindern erhielte ca. 8–9000 Dollar jährlich.“ Das Problem dabei: Kurz nachdem Hansen seinen Plan erstmals auf den Tisch gelegt hatte, verteuerte sich das Benzin in den USA um 1,20 $ pro Gallone, und zwar binnen zwei und nicht zehn Jahren. Der Verbrauch und damit die Emissionen minderten sich dadurch kaum, nämlich um bloße 3 %.
Generell gibt es theoretisch zwei mögliche Mechanismen zur Reduktion der Emissionen, nämlich die Regulierung mit Kontingentierungen und Quotenvergabe oder die Besteuerung. Hansen präferiert eindeutig die zweite Methode, weil er der ersten Ineffizienz unterstellt. Zudem verweist er auf die unkomplizierte gesetzliche Einführung der Steuer, wohingegen die Regulierung schwierig umzusetzen sei. Hier empfiehlt es sich, genau zu überlegen, bevor man dieser Argumentation folgt. Denn der Unterschied zwischen der Regulierung durch Umweltvorgaben (Quoten) und der Animation über den Preis (Steuer) ist, dass erstere ein garantiertes Ergebnis verlangt, was die zweite Variante nicht bietet, da dies von den Reaktionen des Marktes abhängt.
Mit anderen Worten setzt die Regulierung auf die Einhaltung der Umweltvorgaben (bspw. in Form von Emissionsvolumina oder der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre) und damit auch auf entsprechende soziale Auswirkungen, wohingegen die Besteuerung auf die wirtschaftlichen Vorgaben der Unternehmen setzt, also auf die Vorhersehbarkeit der Kosten und Profite, um ihre Investitionen planen zu können. Theoretisch scheint klar, dass Linke und Umweltschützer die erste Variante bevorzugen sollten.
In der Praxis funktioniert die Regulierung heute über Emissionszertifikate, das sog. „cap-and-trade“. Wie der Name sagt, werden dabei zwei Vorgänge kombiniert: die Deckelung von Emissionen (cap) und der Handel mit Emissionsrechten (trade). Letzteres eröffnet de facto ein Hintertürchen. Insofern machen die Unternehmer Druck, dass das Prinzip durch diverse undurchschaubare Marktmechanismen aufgeweicht wird, einschließlich der Anrechnung kompensatorischer Maßnahmen wie etwa Investitionen in eine „saubere Entwicklung“ in den Ländern des Südens oder die Abscheidung von CO2 durch Wälder. Aus cap-and-trade soll sozusagen immer mehr „trade“ und immer weniger „cap“ werden, die Effizienz also immer mehr sinken. Nebenbei bemerkt ist die von Hansen kritisierte Schwerfälligkeit der Regulierung vorwiegend auf diese Entwicklung zurückzuführen.
Ein schlagendes Beispiel hierfür ist der EU-Emissionshandel (ETS). Seine relative Unwirksamkeit ist nicht der Deckelung der Emissionen geschuldet, sondern liegt daran, dass erstens die Deckelung durch die kostenlose Vergabe überzähliger Zertifikate umgangen wird, zweitens diese Rechte handelbar sind und drittens sie als gleichwertig gelten mit den Emissionsrechten, die sich aus dem „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“ (CDM) ergeben. Kurzum liegt die Wirkungslosigkeit an der politischen Einflussnahme der multinationalen Konzerne und an der Kommerzialisierung des CO2.
Daraus abzuleiten, dass ein strikt marktwirtschaftliches Instrumentarium – die Steuer – besser wäre, wäre ein großer strategischer Irrtum für die Linke. Daneben hat sich die Besteuerung, selbst mit der Rückverteilung der Aufkommen, nicht als wirkungsvoller erwiesen: In British Columbia (Vancouver) hat die kanadische Liberale Partei 2008 eine aufkommensneutrale Steuer auf die Emissionen der Unternehmen und Privathaushalte eingeführt. Angefangen bei 10 kanadischen Dollar pro Tonne CO2 wurde sie bis 2012 auf 30 Dollar erhöht und dann eingefroren. Die Einnahmen wurden an bedürftige Familien und – zu über 50 % – an Unternehmen in Form von Steuerabschlägen rückerstattet. Die hieraus entstandene Abgasreduzierung liegt bei schätzungsweise 5–15 % und damit nicht signifikant unterschiedlich zu dem in Kalifornien mittels cap-and-trade erzielten Resultat. [8]
Die Verfechter der „fee-and-dividend“ werden einwenden, dass sich das in British Columbia eingeführte System von Hansens Vorschlag erheblich unterscheidet. Dies stimmt, da der Steuersatz niedrig ist und die Aufkommen nicht komplett an die Bevölkerung zurückfließen. Aber wenn man, wie Foster, mit dem Argument agiert, dies sei „das Maximum dessen, was das kapitalistische Regime vernünftigerweise hinnehmen könnte“, kann man nicht einfach ein deutlich höheres Steueraufkommen mit Rückverteilung pro Kopf diskutieren, ohne den Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Damit wären wir am letzten Punkt unserer Darlegungen, nämlich der internationalen Dimension der Angelegenheit.
Die Linke ist es sich schuldig, diesen Aspekt, nämlich der globalen Klimagerechtigkeit, bei der Betrachtung der „fee-and-dividend“ in Hinblick auf die unterschiedliche Verantwortung der Länder des Nordens bzw. des Südens für die Klimaänderung zu berücksichtigen.
Erinnern wir uns, dass die UN-Klimarahmenkonvention vorsieht, dass der Kampf gegen die Erwärmung unter der Maßgabe geführt werden muss, dass die einzelnen Länder unterschiedlich starke Verantwortung für den Klimawandel tragen und auch unterschiedliche Kapazitäten aufweisen, um mit den Konsequenzen daraus fertig zu werden. Konkret heißt das, dass die Lasten so verteilt werden müssen, dass der deutlich höheren historischen Verantwortung der Industrieländer für den CO2-Anstieg in der Atmosphäre Rechnung getragen wird, ebenso dass die ärmsten Länder quasi Null Verantwortung dafür tragen.
Dieses Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit zwischen Norden und Süden ist den imperialistischen Ländern seit Jahren ein Dorn im Auge. So ist auch der Kopenhagener Klimagipfel vorwiegend an dieser Frage gescheitert und auf dem Folgetreffen in Cancún wurde die Frage erst mal auf Eis gelegt. Statt sich darüber zu einigen, wie Verantwortung und Verpflichtung aufzuteilen sind, haben sich die Regierungen letztlich darauf verständigt, ein pragmatisches globales Abkommen anzustreben, in dem jedes Land gehalten ist, die Partnerländer über den ihnen möglichen Klimabeitrag (NDC) zu informieren. Demnach ist auch das Pariser Abkommen nach dieser Methode gestrickt und die Folge ist, dass zwischen der offiziellen Zielvorgabe von 1,5–2 °C und den durch die NDC erzielbaren Ergebnissen (2,7–3,7 °C) eine gewaltige Lücke klafft. Diese soll jetzt geschlossen werden und daher sollen die Regierungen in den kommenden Verhandlungen versuchen, die Zielvorgaben „nach oben zu korrigieren“. Insofern ist wahrscheinlich, dass sich die knifflige Frage des Lastenausgleichs zwischen Norden und Süden wieder auf die Tagesordnung drängt.
Hansen ist sich dieser Problematik durchaus bewusst, dass die Industrieländer deutlich mehr historische Verantwortung tragen und die peripheren Länder ein Recht auf Entwicklung haben. Sein Vorschlag hingegen läuft dem zumindest teilweise entgegen. Ihm zufolge sollten sich ein paar Länder, die federführend bei den Emissionen sind, auf die Einführung der „fee-and-dividend“ verständigen, was sich dann über die Marktmechanismen verbreiten würde. Diese Annahme ist jedoch äußerst fraglich, denn warum sollten es die Unternehmer in den betroffenen Ländern hinnehmen, alljährlich höhere Abgassteuern zu zahlen, die dann im Endergebnis einer abgasfreien Wirtschaft in einigen Wirtschaftszweigen bis zu 700 $/t betragen könnte? Bereits 40 $/t würden die Wettbewerbsfähigkeit einschränken und die Unternehmer würden nicht zögern, das Arbeitsplatzargument zu zücken.
Die Antwort auf dieses Problem gibt der Klimaforscher in einem kürzlich veröffentlichten Artikel und sie unterscheidet sich nicht von der, die Baker und Konsorten bald darauf im „Conservative Case“ geliefert haben: „Zölle auf die aus Erdöl stammenden Produkte aus den Ländern, in denen keine Steuer auf CO2 erhoben wird und Steuererstattungen für die heimischen Produzenten, die in diese Staaten exportieren“. Dies würde bedeuten, dass die sog. Entwicklungsländer, die Waren in die USA exportieren, dafür denselben CO2-Aufschlag zahlen müssten wie in die US-Produzenten, der ungleichen Verantwortung für den Klimawandel würde also mitnichten Rechnung getragen.
Wohl weiß Hansen um diesen Widerspruch, argumentiert aber, dass „die fossilen Brennstoffe nicht abgeschafft werden können, wenn manche Länder Produkte exportieren können, die mit unversteuerten fossilen Brennstoffen hergestellt worden sind“. „Die Entwicklungsländer besitzen Rechte, die ihnen durch das Konzept der gemeinsamen, jedoch unterschiedlich ausgeprägten Verantwortung zuerkannt werden, und die Möglichkeit, wirtschaftliche Beihilfen zu erlangen“. Diese sollten jedoch „daran geknüpft sein, dass land- und forstwirtschaftliche Maßnahmen ergriffen werden, durch die die Emissionen begrenzt und mehr CO2 im Boden und in der Biosphäre gespeichert werden können“. Auf diese Weise „können die Befürchtungen, dass die Ausgleichsabgaben (Zölle) an den Grenzen Zwangsmaßnahmen seien, abgeschwächt werden“. Muss man mehr Worte verlieren, um darin einen „aufgeklärten“ Imperialismus zu sehen und mitnichten den internationalistischen Ansatz, der Hansen mitunter zugebilligt wird?
Nicht zum ersten Mal versuchen Klimaforscher eine marktwirtschaftliche Strategie zu entwerfen, die auf einer CO2-Bepreisung basiert und eine Energiewende vollzieht, die zugleich effektiv und sozial gerecht ist.
Schon vor Hansen gab es einen gut gemeinten Vorschlag von Anil Agarwal, dem Leiter des renommierten Zentrums für Umweltstudien in Indien. Dieser hatte vor etwa 10 Jahren ein Szenario mit dem Namen „Kontraktion und Konvergenz“ entworfen. Darin war vorgesehen, dass sich alle Länder auf eine radikale Reduktion der globalen Abgasemissionen verständigen (Kontraktion) und sich die Pro-Kopf-Emissionen annähern (Konvergenz). Zudem sollten die Länder des Südens mittels umweltfreundlicher Technologien in ihrer Entwicklung aufgeschlossen haben. Zu diesem Zweck schlug Agarwal vor, dass an die Entwicklungsländer handelbare Emissionsrechte erteilt werden, solange ihr Pro-Kopf-Ausstoß unterdurchschnittlich ist. Die Länder des Nordens, die ihre Emissionen nicht ausreichend reduzieren, sollten diese Zertifikate erwerben. Mit den Einnahmen daraus könnten sich die Länder des Südens mit entsprechender Technologie ausstatten, die für eine CO2-freie Entwicklung erforderlich ist. Agarwal ging davon aus, dass die Kompensationsmaßnahmen für die Länder des Südens hinnehmbar seien. Aufgegriffen wurde dieser Vorschlag vom Global Commons Institute und auch von namhaften Klimaforschern unterstützt, wie John Houghton und Jean-Pascal van Ypersele, den ehemaligen Spitzenfunktionären des Weltklimarates.
Daraus ist nichts geworden, weil ganz einfach die Marktmechanismen nicht dafür geschaffen sind, die Umwelt zu schützen oder das Wohlergehen der Menschheit zu gewährleisten, sondern um Profite zu machen. Diese Mechanismen sind keine technischen Instrumente, die man für einen beliebigen Zweck einsetzen kann, vielmehr repräsentieren sie eine Produktionsweise, die auf der Konkurrenz bei der Jagd nach dem Profit durch die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der natürlichen Ressourcen beruht. Wie Nicholas Stern in seinem berühmten Bericht schreibt: „Der Klimawandel ist das gewaltigste Scheitern des Marktes“. Und dieses Scheitern ist nicht das Ergebnis des einen oder anderen Versagens des Marktes, sondern seiner Natur an sich.
Marktmechanismen dafür nutzen zu wollen, den durch die Marktwirtschaft verursachten Klimawandel zu bekämpfen, ist genauso sinnlos, wie Panzer fabrizieren zu wollen, um Krankenhäuser oder Schulen zu bauen. Die sogenannte Umweltkrise beruht in erster Linie auf dem kapitalistischen Akkumulationstrieb, der untrennbar mit einer Wirtschaft verbunden ist, die auf der Konkurrenz zur Erzeugung von Mehrwert beruht. Die schrecklichen Gefahren, die sich aus dieser Krise für die Menschheit ergeben, können nur durch radikale antikapitalistische Maßnahmen abgewendet werden, die gewährleisten, dass letztlich weniger und andere Güter auf eine andere Weise erzeugt werden und dass mehr geteilt wird, um besser zu leben. Denn der wahre Reichtum liegt in den Beziehungen zwischen den Menschen.
In diesem Zusammenhang mögen bestimmte Forderungen vom Typ der CO2-Steuer notwendig sein, wie etwa die unerlässliche Kerosinsteuer oder andere konkrete Maßnahmen, aber dies steht nicht im Mittelpunkt. Das Wesentliche besteht darin, den stetigen Zwang zur Akkumulation zu brechen. Und genau dies macht das „fee-and-dividend“ nicht.
Es setzt im Gegenteil auf mehr Markt und weniger Regulierung und damit auf mehr Wachstum, also genau das Gegenteil dessen, was zu erreichen ist. Um Marx zu zitieren, dessen Bedeutung auch John Bellamy Foster nachdrücklich betont hat: „Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln …“ Und Marx‘ Schlussfolgerung nimmt vorweg, was gegenwärtig dringend geboten ist: „Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung [für die menschliche Kraftentwicklung].“ [9] Hansens Vorschlag aber taugt weder als Kristallisationspunkt für eine Alternative noch als „erster Schritt einer sozial gerechten Ausstiegsstrategie aus der Klimakrise“. Dies kann nur gelingen – oder dramatischerweise auch nicht – wenn die konkreten Kämpfe und die darin zum Ausdruck kommenden Forderungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu einer Einheit finden.
Übersetzung: MiWe |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017). | Startseite | Impressum | Datenschutz