USA

Harris, Trump oder keiner von beiden?

Die Wut der arabischen und muslimischen Wähler:innen wächst

Zu den wichtigsten politischen Entwicklungen bei den Präsidentschaftswahlen 2024 gehört, dass arabische, palästinensische und muslimische Menschen die Partei von Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris wegen ihrer Unterstützung des Völkermords in Gaza, Palästina und dem Libanon ablehnen.

Malik Miah

Arabische Amerikaner:innen erleben, wie ihre Familien bombardiert und abgeschlachtet werden. Während sie in der jüngeren Vergangenheit mehrheitlich die Demokraten gewählt haben, lehnen viele die Argumente progressiver Liberaler (und einiger sozialistischer Linker) ab, dass eine kritische Unterstützung für Harris besser sei, als „Trump gewinnen zu lassen“.

 

Demonstration in New York

Foto: Leonardo Munoz / VIEWpress

Eine aufschlussreiche Umfrage in Michigan zeigt die tiefe Wut von Palästinenser:innen, Araber:innen und Muslims. Der Council on American-Islamic Relations (CAIR) veröffentlichte letzten Monat eine Umfrage, die zeigte, dass die Kandidatin der Grünen, Jill Stein, bei den muslimischen Wählern in drei umkämpften Bundesstaaten – Arizona, Michigan und Wisconsin – vor Harris liegt. (Es ist nicht klar, ob die Umfrage das Gewicht der afrikanisch-amerikanischen Muslime widerspiegelte – Anm. d. Red.)

Auch der Muslim Public Affairs Council unterstützte kürzlich Stein, die im Frühjahr bei einer pro-palästinensischen Kundgebung an der Columbia University in New York verhaftet wurde.

Sie hat Dearborn, Michigan, während ihres Wahlkampfs mehrmals besucht. Dearborn hat eine große arabisch-amerikanische Bevölkerung, hat den ersten arabisch-amerikanischen Bürgermeister des Landes, Abdullah Hammoud, und ist ein Zentrum der pro-palästinensischen Opposition gegen den israelischen Krieg.

Dearborn ist Teil des Bezirks, in dem die einzige palästinensische Amerikanerin im Kongress, Rashida Tlaib, gewählt wurde; dazu gehören auch südasiatische Muslime in einem überwiegend schwarzen Teil von Detroit.

Laut einem Bericht des Michigan Public ergab die CAIR-Umfrage, dass 40 Prozent der muslimisch-amerikanischen Wähler:innen in Michigan Jill Stein unterstützen wollen, während 18 Prozent den Republikaner Donald Trump, 12 Prozent Vizepräsidentin Kamala Harris und 4 Prozent den unabhängigen Kandidaten Cornel West wählen wollen.


Die Macht der „Unentschlossenen“


In Michigan stimmten mehr als 100 000 bei den Vorwahlen der Demokraten im Februar mit „unentschlossen“. Biden gewann 2020 in Michigan mit einem Vorsprung von 154 188 Stimmen gegen Trump.

Die Bewegung der „Unentschlossenen“, die den oder die demokratischen Kandidaten unter Druck setzen wollte, einen dauerhaften Waffenstillstand zu fordern und die Militärhilfe für Israel einzustellen, wuchs auf landesweit etwa 700 000 Wähler:innen an. Aber der Parteitag der Demokraten lehnte die Bitte ab, dass auch nur ein einziger palästinensisch-amerikanischer Delegierter sprechen konnte.

Die CAIR-Zahlen für Michigan waren Teil einer nationalen Umfrage unter 1159 muslimischen Wähler:innen, die vom 25. bis 27. August durchgeführt wurde, nachdem Vizepräsidentin Kamala Harris die Nominierung der Demokraten angenommen hatte. Danach wollten landesweit 29,4 Prozent der amerikanischen Muslime für Harris stimmen, 29,1 Prozent für Stein, 11,2 Prozent für Trump und 4,2 Prozent für Cornel West. Beachtliche 16,5 % waren noch unentschlossen, während 8,8 % nicht wählen wollen.

Nur Stein ist in genügend Bundesstaaten zugelassen, um die 270 Stimmen des Wahlkollegiums gewinnen zu können, um Präsidentin zu werden. (Der Ausschluss von Drittparteien ist ein weiteres Thema, wie das Wahlsystem zugunsten der Demokraten und Republikaner juristisch manipuliert wird.)


Werben um arabische Bevölkerungsgruppen


Während Harris an Bidens Unterstützung für Israel festhielt, hat Cornel West sich bemüht, arabische Wähler:innen in Dearborn durch Runde Tische mit Spendern und führenden muslimischen Persönlichkeiten zu umwerben; ebenso hat er Wahlkampfauftritte genutzt, um die „Katastrophe“ in Gaza anzusprechen, was laut Politico Hunderte von Menschen in Dearborn anzog.

Arabisch-amerikanische Wahlumfrage

Das Arabisch-amerikanische Institut hat eine detaillierte Umfrage zu den Wahlabsichten arabischer Amerikaner:innen für die Präsidentschaftswahlen veröffentlicht, verglichen mit der Aufschlüsselung im Jahr 2020.

Die Umfrage bestätigt den enormen Rückgang der Unterstützung für die Demokraten im Zuge des Völkermords in Gaza und der Komplizenschaft der Biden-Regierung. (Da die Umfrage vor der israelischen Offensive im Libanon durchgeführt wurde, ist der Schaden für die Demokraten jetzt wahrscheinlich noch größer.)

Die Umfrage deutet darauf hin, dass jede pro-palästinensische Geste von Kamala Harris – selbst nur symbolisch einen palästinensisch-amerikanischen Redner oder Rednerin auf dem Parteitag der Demokraten zuzulassen – den Schaden erheblich verringern würde. Dass es im Wahlkampf kein einziges Zeichen dafür gibt, dass sie von der lautstarken Unterstützung für Israels Krieg abrücken könnte, spricht Bände und könnte einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben.

Die Umfrage zeigt, dass die Unterstützung für Drittparteien unter den arabisch-amerikanischen Wähler:innen etwa 12 Prozent nicht übersteigt – deutlich weniger als in den Umfragen von ADC und CAIR, aber im historischen Vergleich immer noch signifikant. Die wichtigen Informationen und Schlussfolgerungen der Umfrage sind es wert, in voller Länge gelesen zu werden.

 

West und Stein sprachen beide auf dem nationalen Kongress des Amerikanisch-Arabischen Antidiskriminierungskomitees (ADC) im September in Dearborn, wo viele nach wie vor frustriert über ihre Wahlmöglichkeiten bei der Präsidentschaftswahl sind, so die Detroit Free Press.

„Es bricht mir mein Herz als Demokrat, weil ich dachte, dass Menschenrechte für alle wichtig sind", sagte Terry Ahwal, Direktorin des ADC-Ortsverbands in Michigan, zu dem Nachrichtenportal. Harris ist „besser als Biden“, sagte sie. „Sie benutzt Worte wie palästinensische Würde, aber das sind nur Worte, während wir weiterhin Waffen schicken.“

„Ich bin immer noch unentschlossen und unglücklich“, sagte Osama Siblani, Herausgeber der in Dearborn erscheinenden Arab American News. Harris‘ „Rede auf dem Parteitag war für mich nicht ausreichend, um eine Entscheidung zu treffen. … Sie ist nicht anders, sie ist Teil der Regierung. Sie hat sehr deutlich gemacht, was sie tun wird, wenn sie Präsidentin wird. … Und deshalb ist Trump im Moment nicht wählbar, ebenso wenig wie Kamala Harris. Aber heute sind es noch 60 Tage, und da haben sie noch viel Zeit.“

Die CAIR-Umfrage ergab, dass 69,1 Prozent der amerikanischen Muslime sagten, dass sie im allgemeinen für die Demokratische Partei stimmen, aber erstaunliche 94 Prozent sagten, dass sie Bidens Arbeitsleistung missbilligen, wobei 98,2 Prozent mit seinem Umgang mit dem Konflikt in Gaza unzufrieden waren.

„Trotz dieser Unzufriedenheit sind die muslimischen Wähler:innen nach wie vor sehr engagiert: 82,1 Prozent geben an, dass sie ‚sehr wahrscheinlich‘ an den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen teilnehmen werden“, berichtet CAIR.

Dass so viele arabische Amerikaner:innen und Muslims – im Gegensatz zur breiteren schwarzen, lateinamerikanischen oder asiatischen Bevölkerung – Harris ablehnen, sollte keine Überraschung sein. Zehntausende palästinensische Araber:innen haben während der Amtszeit von Biden und Harris Familienmitglieder verloren, die vom kriminellen israelischen Regime getötet wurden.

ADC, die größte arabisch-amerikanische Bürgerrechtsgruppe, hält ihre jährliche Tagung namens „ArabCon“ normalerweise in Washington, D.C. oder einer nahegelegenen Stadt ab; in diesem Jahr entschied sie sich aber, „nach Hause zu kommen“, nach Dearborn, das den höchsten Prozentsatz an arabisch-amerikanischen Einwohnern unter den US-Städten hat.

Da Michigan ein Swing state [mit knappen Mehrheitsverhältnissen] ist, versuchen arabisch-amerikanische Aktivist:innen, die bedingungslose Unterstützung Israels durch die beiden großen Parteien zu verringern. Das Scheitern dieser Bemühungen erklärt, warum es so wenig Unterstützung für Harris oder Trump gibt.

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Schwarze Stimmen


Es ist bemerkenswert, dass so viele schwarze Menschen den Kampf des palästinensischen Volkes für Selbstbestimmung unterstützen. Wenn eine Mehrheit Harris wählt, dann ohne große Begeisterung, wenn sie überhaupt zur Wahl gehen.

      
Mehr dazu
Dan La Botz: Warum wir Trump besiegen müssen, die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024). Auch bei intersoz.org.
Ashley Smith: Blockieren, verschwenden, desorganisieren?. Sozialist:innen und die Wahlen 2024, die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024) (Online-Vorabdruck).
Howie Hawkins: Sozialistische Unterstützung der Green Party, die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024) (nur online).
Dan La Botz: Faschismus-Vorwurf – verwirrend für amerikanische Wähler:innen, die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024) (nur online). Auch bei intersoz.org.
Redaktion „Against the Current“: Wahlen und Ausweitung des Krieges, die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024) (nur online).
Manuel Kellner: Trump steht für Bürgerkrieg, intersoz.org (21.10.2024)
Dan La Botz: Pro-Palästinensische Waffenstillstandsbewegung erschüttert die Demokratische Partei, die internationale Nr. 6/2023 (November/Dezember 2023) (nur online).
 

Schwarze Menschen aus der Arbeiterklasse sind mit niedrigen Löhnen, Inflation für Grundnahrungsmittel, Gesundheitskosten und unbezahlbarem Wohnraum konfrontiert. Demokraten und auch Harris haben da wenig anzubieten. Harris sagte, sie sei gegen jegliche Sonderprogramme für Schwarze einschließlich Wiedergutmachungen.

Nichtsdestotrotz wird Harris eine überwältigende Unterstützung von schwarzen Frauen und den meisten schwarzen Männern erhalten. Schwarze Eliten bedienen sich einer nationalistischen Rhetorik, um politische Unterstützung von Schwarzen für die Demokraten zu gewinnen.

Aber es gibt viele junge schwarze Menschen – Männer und Frauen –, die unzufrieden mit der Unterstützung Israels durch Biden und Harris sind. Einige sagen sogar: „Ist Trump wirklich eine größere Gefahr für die Freiheit?“

Die Lehre aller bürgerlichen Wahlen in imperialistischen Ländern ist, dass es keinen fundamentalen Wandel durch Präsidentschaftswahlen gibt. Parteien wie die Grünen erklären dies und nutzen ihre Kandidaturen, um vor den Mächtigen die Wahrheit auszusprechen.

Arabische und muslimische Menschen in Michigan verstehen dies besser als andere unterdrückte Bevölkerungsgruppen.

Quelle: Against the Current, Nr. 233, November/Dezember 2024.

Malik Miah ist a pensionierter Flugzeugmechaniker und gewerkschaftlich und antirassistisch aktiv. Er ist beratender Redakteur von Against the Current.



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 6/2024 (November/Dezember 2024) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz