Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass ein Konzern Massenentlassungen ankündigt. Doch der IGM-Vorstand orientiert weiter auf Sozialpartnerschaft.
Jakob Schäfer
Allein die angedrohten Entlassungen bei Bosch, ZF, Schaeffler, Mahle, Ford und Thyssen-Krupp betreffen mehr als 20 000 Stellen. Am gravierendsten und politisch folgenreichsten sind die angedrohten Entlassungen bei VW, und zwar aus drei Gründen: Erstens ist dort die Gesamtdimension so groß, dass die an den jeweiligen Standorten betroffenen Kolleg:innen nicht einfach mal woanders eine Stelle finden werden (der VW-Vorstand will 3 von 10 Werken ganz schließen und an anderen Standorten das Personal reduzieren). Zweitens sollen auch die Nicht-Entlassenen einen Beitrag zur Wahrung der Profite leisten, indem man ihnen das Einkommen um 10 Prozent kürzt. Drittens wurde mit der Kündigung des „Tarifvertrags Beschäftigungssicherung“ ein Herzstück der Sozialpartnerschaft bei VW auch formal aufgekündigt.
PKW-Produktion: Geht’s noch billiger? Foto: Marek Slusarczyk |
Das gesamte Industriekapital, vor allem natürlich das der Autoindustrie, schaut nun mit Spannung, wie dieser Frontalangriff bei VW gelingt. Kommt es hier zu einer bedeutsamen Niederlage der Belegschaft(en), dann sind die anderen Kapitalisten ermutigt, ihren Kurs des Stellenabbaus zwecks Wahrung oder Erhöhung der Profite noch zu verschärfen. Am begierigsten wird der Vorstand von Ford schauen: In Köln sollen 2900 Stellen gestrichen werden; im Werk Saarlouis sind 2024 schon 650 Stellen abgebaut worden, im Januar 2025 gehen weitere 400 Beschäftigte und die restlichen 1700 werden im Verlauf des Jahres 2025 entlassen (oder gehen „freiwillig“).
Auf den ersten Blick könnte man meinen, der IGM-Vorstand habe keine Strategie im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze. Betrachtet man allerdings den Gesamtzusammenhang und damit auch den Ablauf der Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie 2024, so wird doch klar, worin die Strategie besteht, nämlich auf Teufel komm raus alles dafür zu tun, damit es nicht zu einer Explosion oder doch wenigstens zu einem Zusammenführen der Kämpfe kommt.
Der Tarifabschluss vom 12. November bedeutet eine Fortsetzung der Reallohnverluste aus den vorangegangenen Tarifrunden. 7 % Tariferhöhung mit einer Laufzeit von 12 Monaten waren gefordert. Heraus kam ein Abschluss mit insgesamt kaum mehr als 5,1 Prozent (mit einigen kleinen Verbesserungen beim T-Zug B usw.) bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Auf das Jahr umgerechnet sind das kaum mehr als 2 Prozent und das bei einer zu erwartenden Steigerung der Lebenshaltungskosten von deutlich mehr als 2 Prozent.
Sieht man von den Einmalzahlungen ab (dieses Mal 600 Euro für die 6 Nullmonate von Oktober bis März und die Inflationsausgleichszahlung von 3000 Euro beim letzten Abschluss), dann sind die Tabellenerhöhungen seit 2018 insgesamt um annähernd 10 Prozent hinter der Preisentwicklung zurückgeblieben. Und von diesem geringeren Niveau aus berechnen sich auch alle künftigen Entgelterhöhungen. [1]
Vor diesem Hintergrund ist die lange Laufzeit ein besonderes Ärgernis. Seit Jahren gibt es wachsenden Unmut über zu lange Laufzeiten, doch die Gewerkschaftsbürokratie hat – im guten Einvernehmen mit der Kapitalseite – kein Interesse, an diesem zentralen Element ihrer Tarifpolitik etwas zu ändern. Beide Verhandlungsseiten profitieren von langen Laufzeiten: a) Sie geben dem Kapital Kalkulations- und Planungssicherheit für eine gewisse Zeit und sorgen gleichzeitig dafür, dass in dieser Zeit die Belegschaft die Füße still halten muss (wegen Friedenspflicht); b) gleichzeitig muss auch der Gewerkschaftsapparat nicht schon im nächsten Jahr wieder die Maschinerie der Vorbereitung auf eine Tarifrunde anwerfen, neues Material erstellen, viel Geld für die Mobilisierung des üblichen Tarifrituals ausgeben usw.; c) vor allem aber – und das ist das Wichtigste – ist die lange Laufzeit eine große Hilfe beim Schönrechnen des Tarifergebnisses. Erleichtert wird dieses Manöver auch durch die regelmäßig neu hinzutretenden Vereinbarungen mit diesen oder jenen kleinen Verbesserungen des Tarifvertrages, die das Kapital zwar kaum (wenn überhaupt) etwas kosten, aber vor allem dazu dienen, das Gesamtergebnis zu verschleiern (etwa die vermehrten Möglichkeiten, für Pflege oder bei Krankheit der Kinder freie Tage zu nehmen, also eine selbst bezahlte Arbeitszeitverkürzung vorzunehmen).
Schon zwei Wochen vor dem Abschluss hatten sich Gesamtmetall und IG Metall darauf verständigt, auf jeden Fall am 11./12. November in Hamburg einen Tarifvertrag abzuschließen. Diese Verabredung war getroffen worden, als die Warnstreiks gerade erst angelaufen waren – sie wurden im üblichen Ritual abgespult – und man nicht behaupten konnte, dass die Kolleg:innen am Ende ihrer Kräfte angelangt waren. Eher war eine andere Tendenz stärker erkennbar als in den früheren Runden: Noch mehr Kolleg:innen als sonst glaubten gar nicht erst, dass die IG Metall wirklich die 7 % auf 1 Jahr durchsetzen will. Zu sehr haben die Kolleg:innen (ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht) in den letzten zehn, zwanzig Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Gewerkschaft deutlich weniger als die Hälfte von dem herausholt, was sie fordert. Und dies, ohne dass eine scharfe Konfrontation (ein harter Kampf) sie zum Einknicken gezwungen hätte.
Der Abschluss vom November 2024 bestärkt die Kolleg:innen natürlich nur noch weiter in dieser Einschätzung und erschwert damit noch mehr künftige Mobilisierungen. Die IGM-Führung braucht diese aber, um weiterhin ernst genommen zu werden. Die Existenzberechtigung des ganzen Apparats steht und fällt mit dieser Mobilisierungsfähigkeit, so sehr sie auch weithin nur als Ritual wahrzunehmen ist. So ist die Gewerkschaftsbürokratie in ihren eigenen Widersprüchen gefangen, was dieses Mal dadurch bestärkt wird, dass jetzt mehr aktive Kolleg:innen das Verhandlungsergebnis kritisieren. Beim letzten Mal hatte vor allem die steuerfreie Einmalzahlung „Inflationsausgleichprämie“ dafür gesorgt, dass das Ergebnis einigermaßen akzeptiert wurde. Dieses Mal hört man Kolleg:innen auch auf Gewerkschaftsversammlungen ihre Kritik äußern, eine Erfahrung, die wir lange nicht mehr hatten. Diesen Unmut gilt es jetzt, nicht sich selbst zu überlassen, sondern in eine organisierte strategische Diskussion einfließen zu lassen, die positive Alternativen für die nächsten Tarifrunden eröffnet.
Das erste und gravierendste Manko in der IGM-Strategie ist das fehlende Zusammenfließen der Kämpfe. Nichts zwang die Gewerkschaftsbürokratie, ganz schnell und vor allem vor Ablauf der Friedenspflicht bei VW den Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie zu tätigen. Für VW gilt ein eigener Tarifvertrag, der am 30. November auslief. Gemeinsame Streikaktionen, gemeinsame Demos usw. hätten eine andere Dynamik entfaltet, vor allem hätten sie der Spaltung und dem Denken nach dem Sankt-Florians-Prinzip entgegengewirkt.
Stattdessen hält die IGM-Führung in trauter Eintracht mit dem Betriebsrat an Verhandlungen fest, die auf ein (scheinbares) Geben und Nehmen abzielen:
Das fängt damit an, dass man die Erklärung der Krise vor allem auf Managementfehler zurückführen möchte. Man will einfach nicht wahrhaben, dass es in erster Linie eine Strukturkrise ist. Diese beruht auf den weltweiten Überkapazitäten und der gleichzeitigen relativen Sättigung des Marktes. Letzteres ergibt sich aus der Beschränkung der kaufkräftigen Nachfrage im Massensegment, aber auch aus der allgemeinen Verkehrssituation (verstopfte Straßen; zunehmender Mangel an Parkplätzen usw.). Hinzu kommt, dass für eine bedeutsame Absatzsteigerung von E-Autos die Ladeinfrastruktur gewaltig ausgebaut werden müsste, was aber die Industrie nicht bezahlen will und der Staat kaum bezahlen kann (siehe Schuldenbremse). Deshalb werden die kostengünstiger produzierten chinesischen E-Autos zwar zunehmend die E-Autos deutscher Produktion verdrängen, aber auch für sie gibt es keinen endlos offenen Markt. (s. Kasten)
Das Konzept der europäischen Autokonzerne zur Überwindung der KriseDie chinesische Autoindustrie hat gegenüber der europäischen mehrere Vorteile. Erstens wirkt sich hier die staatliche Förderung beim Aufbau der primären Infrastruktur vor allem bei den E-Autos massiv aus. Auf diese Weise hat die chinesische Autoindustrie sogar einen technologischen Vorsprung aufbauen können. Zweitens wirkt in China inzwischen die kapitalistische economy of scales, also die Kosteneinsparung aufgrund großer Stückzahlen. Drittens hat der staatlich organisierte Ausbau der Ladeinfrastruktur den Kauf eines E-Autos überhaupt zu einer Alternative gemacht. Bis zu einem gewissen Grad spielen natürlich auch die geringeren Löhne in der chinesischen Autoindustrie eine Rolle, aber dies ist der geringste Grund. „Das liegt einfach daran, dass dort [in China] attraktive Modelle zu einem vernünftigen Preis verfügbar sind. In Europa und den USA kosten E-Autos immer noch einen ordentlichen Aufpreis gegenüber Verbrennern“, schildert der amerikanische Wirtschaftsexperte Hove. Er räumt mit der Verbreitung [der Mär] auf, dass der Erfolg chinesischer Autobauer mit irregulären Subventionen zu tun habe. [2] In der technologischen Entwicklung, in der Infrastruktur und in der Massenproduktion hat die europäische Autoindustrie keine Chance, mit der chinesischen Industrie mitzuhalten. Vor dem Hintergrund eines nicht (bzw. kaum) wachsenden Marktes ist dies mittelfristig für die europäische Autoindustrie ein unlösbares Dilemma, vor allem, weil die Kluft im Bereich der E-Mobilität schon zu groß geworden ist und sich noch weiter ausdehnt. Da nun aber die EU den Ausstieg aus dem Verbrenner beschlossen hat (ab 2035 werden keine neuen Verbrenner mehr zugelassen), orientieren sich die europäischen Autokonzerne, allen voran die deutschen, auf Bemühungen, diesen Ausstieg rückgängig zu machen oder ihn zumindest aufzuweichen. Hier haben die deutschen Konzerne die Unterstützung seitens der Bundesregierung erst recht, wenn sie von der CDU geführt wird, aber auch die uneingeschränkte Unterstützung der EU-Kommission. Bei der EU sind zwei Projekte in der Pipeline. Zum einen wird eifrig an Konzepten zum Aufweichen des Verbrenner-Aus gebastelt. Zum anderen wird intensiv überlegt, wie man den Konzernen finanziell helfen kann, indem man längst beschlossene Strafzahlungen abmildert, die zu zahlen sind, wenn ab 2025 die Klimaziele im Flottenverbrauch nicht erreicht werden. Ein hochrangig besetztes Expertengremium befasst sich zurzeit auch mit folgenden zentralen Fragen: Sollen die CO₂-Flottengrenzwerte 2030 und 2035 angepasst werden? Oder auch die Frage: Soll am Verbrenner-Aus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge 2035 festgehalten werden? Parallel dazu hat sich von der Leyen Anfang November in Straßburg mit den Vorstandsvorsitzenden der deutschen Autobauer in Einzelgesprächen getroffen: Oliver Blume von VW, Ola Källenius von Mercedes und Oliver Zipse von BMW. Derartige Treffen hatte es in ihrer ersten Amtszeit nicht gegeben. VW fordert die Aussetzung der Strafzahlungen der CO₂-Flottengesetzgebung. Weiterhin fordert VW eine E-Autoprämie von 4000 Euro bis zu einem Kaufpreis von 65 000 Euro, eine Prämie für gebrauchte E-Autos von 2500 Euro sowie für zwei Jahre einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf E-Fahrzeuge. Solche Maßnahmen greifen in die Tasche der Steuerzahler und zementieren nur weiter die Autogesellschaft, gegen alle Bestrebungen für eine Verkehrswende. |
Übertroffen wird das kurzsichtige kapitalistische Denken von IGM-Führung und Betriebsratsmehrheit bei VW noch durch zwei weitere Irrläufe. Der Betriebsbrat von VW möchte gern von der strukturellen Krise der Autoindustrie ablenken, indem er z. B. auf die Unterschiede bei den rückläufigen Umsatzrenditen der einzelnen Konzernteile verweist. Bei Porsche sei die Umsatzrendite schließlich um 4 Prozentpunkte zurückgegangen (gegenüber nur 1,5 Prozentpunkten im Gesamtkonzern). Betriebsratsvorsitzende Cavallo: „Der Rückgang liegt vor allem an Audi, Porsche und den Finanzdienstleistungen.“
Solche Schuldzuweisungen sind Ausdruck von Konkurrenzdenken sogar innerhalb des Konzerns und untergraben die Anstrengungen zur Herstellung einer gemeinsamen Abwehrfront. Gleichzeitig akzeptieren IGM-Vorstand und Betriebsrat das vom Konzern vorgegebene Ziel, dass nämlich die Nettoumsatzrendite nicht unter 2,3 % sinken dürfe. Was bedeutet diese Größenordnung denn konkret in Euro etwa für das Jahr 2024?
In den ersten 9 Monaten des Jahres 2024 setzte der VW-Konzern 237 Mrd. Mrd. € um und machte 12,9 Mrd. Mrd. € Gewinn. Das ist eine Umsatzrendite von 5,44 %, ein Rückgang von 1,5 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Bei der Kernmarke von VW lieg die Umsatzrendite bei 2,1 %. Das nennt der Vorstand „hart an der Verlustgrenze“. Schaut man auf das gesamte Massensegment (Core), so liegt die Umsatzrendite bei 4,4 %, beim Segment „Progressive“ (Audi) bei 4,5 %, bei Porsche trotz des Rückgangs um 4 Prozentpunkte bei 14,6 %.
Schaut man allein auf die eingefahrenen Profite von 2022 (12,477 Mrd. Mrd. € €), von 2023 (6,243 Mrd. € € und auf die Profite allein in den Monaten Januar bis September 2024 (12,9 Mrd. €, nach Steuern 1,58 Milliarden €), dann sieht man, dass im Prinzip gewaltige Summen für eine Umrüstung dieser Industrie zur Verfügung stünden. Doch das wird von der IG Metall in keiner Weise thematisiert.
Der zweite Irrweg, den die IGM beschritten hat, ist das Vorlegen eines „Verhandlungsangebots“, das von vornherein akzeptiert, dass die Belegschaft Opfer bringen soll, um das von VW vorgegebene Ziel einer angestrebten „Umsatzrendite von mehr als 2,3 % für alle Unternehmensteile“ zu erzielen. Die Betriebsratsvorsitzende erklärte auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg am 4.12.: „Entweder raufen wir uns zusammen und fangen an, ernsthaft Kompromisse in Angriff zu nehmen. Und zwar auf beiden Seiten. Oder aber der Vorstand beharrt auf seinem Standpunkt, und es eskaliert.“
Warum eigentlich soll die Belegschaft das vom Vorstand festgelegte Ziel der Mindestumsatzrendite akzeptieren und dafür die anstehende (bzw. erst noch durchzusetzende) Tariferhöhung verschieben lassen? Bezeichnend ist die Bedingung, die der IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger (Bezirksleiter Niedersachsen) gestellt hat: Auch der Vorstand und das Management sollen ihren „Beitrag zur Überwindung der Krise leisten“. Dem verschließt sich der Vorstand nicht grundsätzlich, hilft dies doch – im Einklang mit Betriebsrat und IG Metall – von dem tatsächlichen Gegenüber abzulenken, nämlich von den Aktionären, für die der Vorstand letztlich nur das ausführende Organ ist. Die Dividenden der Aktionäre (zu denen ja auch der Vorstand gehört) werden gar nicht infrage gestellt.
Wer sind denn diese Aktionäre? Ende 2023 sah die Aktionärsstruktur bei VW folgendermaßen aus: Porsche Automobilholding SE: 31,9 %; institutionelle Anleger Ausland: 20 %; Qatar Holding LLC: 10 %; Land Niedersachsen 11,8 % (mit einem laut VW-Statut festgelegten Stimmenanteil von 20 %); Privataktionäre/Weitere: 24,1 %; institutionelle Anleger Inland: 2,2 %. Die tatsächlichen Großaktionäre, die Porsches, Piëchs usw., machen jährlich ihren Reibach, aber sie sind auf keiner dieser Verhandlungen und Kundgebungen ein Thema.
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Vor diesem Hintergrund, vor allem angesichts der Strukturkrise der Autoindustrie, führt kein Weg daran vorbei, dass die Belegschaft überbetrieblich und mit Unterstützung von gewerkschaftlich Aktiven aus anderen Bereichen und der breiten Öffentlichkeit jeweils vor Ort sowie der bundesweiten Klimabewegung den Kampf für einen durchgreifenden Strategiewechsel aufnimmt. Sie muss sich durch drei zentrale Achsen auszeichnen:
A. Eigenständig kämpfen, statt weiter die Illusion der Sozialpartnerschaft verfolgen. Es gibt keinen Sinn, dem Gegner in den Arsch kriechen zu wollen, wenn der ihn schon längst zugemacht hat. Gerade bei VW ist so viel Geld vorhanden, dass ein Umbau möglich ist, ohne die Beschäftigten dafür bluten zu lassen. Gelingt dem Kapital mit seinem aktuellen Angriff ein bedeutender Sieg, dann hat das weiterreichende Folgen, auch über die Autoindustrie samt Zulieferer hinaus.
B. Glaubwürdig ist eine Gewerkschaft nur dann, wenn sie nicht versucht, die strukturelle Krise kleinzureden. Sie muss eine auf mittlere und lange Sicht glaubwürdige und in sich schlüssige Perspektive bieten. Die kann im gegebenen Fall nur darin bestehen, den Kampf für eine weitreichende Konversion aufzunehmen, also für den Umbau der Produktion auf ökologische und gesellschaftlich nützliche Produkte: Fahrzeuge für den ÖPV (Busse und Bahnen) Fahrräder, Klimatechnik usw. Die Beschäftigten müssen diese Umstellung kontrollieren. Aber es versteht sich, dass die Planung einer alternativen Produktion dann am konkretesten entwickelt werden kann, wenn dies in enger Kooperation mit engagierten Kräften von außerhalb, etwa aus der Klimabewegung, angegangen wird. Eine solche Kooperation würde dem Kampf für eine wirkliche Verkehrswende (kostenlose Nutzung und massiver Ausbau des ÖPNV besonders im Umland der Städte) enormen Auftrieb geben. Wird auf diese Weise eine breite Bewegung aufgebaut, dann ist sie prinzipiell auch in der Lage, den Kampf für die entschädigungslose Vergesellschaftung dieser Betriebe aufzunehmen, mit dem Ziel, die Betriebe dauerhaft im Verbund mit der breiten Öffentlichkeit (v. a. der Klimaschutzbewegung) zu kontrollieren. Wir brauchen keine Piëchs, Porsches oder sonstige Aktionäre.
C. Solange der Kampf für die Umstellung der Produktion noch nicht aufgenommen ist oder sich entwickelt hat, muss die wesentliche Achse des Kampfs in der Autoindustrie und darüber hinaus darin bestehen, eine massive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgeltausgleich zu fordern. Außerdem gilt es, Umqualifizierungen unter Fortzahlung des bisherigen Entgelts sicherzustellen. Diesen konkreten Kampf einzufordern, muss innerhalb der IG Metall und in den Belegschaften mindestens der Autoindustrie oberste Priorität haben.
Heute hilft kein Klein-Klein und es helfen keine isolierten Maßnahmen, erst recht nicht das Fixieren auf die Sackgasse Sozialpartnerschaft. Machen wir uns also stark für eine kämpferische Strömung in der IGM. Die VKG leistet dazu einen bescheidenen Beitrag.
Vorabdruck aus die internationale Nr. 1/2025 (Januar/Februar 2025) (Online-Vorabdruck). | Startseite | Impressum | Datenschutz