Neue Weltordnung

Annexion des Westjordanlands

In der Aufregung über Donald Trumps Pläne für Gaza ging eine weitere Bombe unter: Das Weiße Haus wird in Kürze seinen Standpunkt zur Annexion des Westjordanlandes bekannt geben. Die Anzeichen deuten darauf hin, dass es die Ausweitung der israelischen Kontrolle über das besetzte Gebiet voll unterstützen wird.

Michael Arria

Donald Trumps Äußerungen über die Übernahme des Gazastreifens durch die USA und die Vertreibung der dort lebenden Palästinenser:innen haben verständlicherweise viel Aufmerksamkeit und Besorgnis hervorgerufen. Dies war jedoch nicht das einzige Bemerkenswerte, was der Präsident nach seinem Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu geäußert hat. Auf die Frage eines Reporters nach einer möglichen israelischen Annexion des Westjordanlandes antwortete Trump, dass er bald eine Entscheidung zu diesem Thema treffen werde.

 

Gegen die Annexion der Westbank

Demonstration in Tel Aviv (2020, Foto: TalmorYair)

„Den Leuten gefällt diese Idee, aber wir haben noch keine Position dazu“, sagte Trump. „Wir werden uns wahrscheinlich in den nächsten vier Wochen zu diesem sehr speziellen Thema äußern.“ Das war nicht das einzige Mal, dass sich Trump in dieser Woche zu diesem Thema äußerte. „Nun, darüber werde ich nicht sprechen“, sagte er am Montag im Oval Office über die Annexion des Westjordanlandes. „Es [Israel] ist sicherlich ein kleines Land, was seine Fläche betrifft.“

Nach dieser Bemerkung nahm Trump einen Stift in die Hand und verglich ihn mit der Größe seines Schreibtisches. Er sagte, dies sei ein gutes Symbol dafür, wie klein Israel im Vergleich zur umliegenden Region ist. „Ich benutze das als Analogie. Es ist eigentlich ziemlich genau“, sagte er. „Es ist ein ziemlich kleines Stück Land, und es ist erstaunlich, was sie alles erreichen konnten, wenn man darüber nachdenkt. Es gibt eine Menge guter, kluger Köpfe. Aber es ist ein sehr kleines Stück Land, keine Frage.

Ähnlich hat sich Trump bereits im Wahlkampf geäußert: „Wenn man sich die Karte des Nahen Ostens ansieht, ist Israel ein winzigkleiner Fleck im Vergleich zu diesen riesigen Landmassen. Es ist wirklich ein winziger Fleck. Ich habe tatsächlich gesagt: ‚Gibt es eine Möglichkeit, mehr davon zu bekommen?‘“, sagte er bei einer Veranstaltung in New Jersey im August 2024 vor der Menge.

In einem Interview mit Mondoweiss sagte die palästinensisch-kanadische Anwältin Diana Buttu, eine ehemalige Sprecherin der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), dass dieser Schritt zu erwarten gewesen sei, nachdem ein Waffenstillstand erreicht worden war. „Es war klar, dass dies kommen würde, dass [der Waffenstillstand] für Netanjahu nicht umsonst war“, sagte Buttu. „Das wurde an dem Abend deutlich, an dem Netanjahu im israelischen Fernsehen auftrat und sagte, dass wir im Gegenzug einige sehr große Zugeständnisse erhalten würden.“

„Das bedeutet wahrscheinlich die Annexion des Westjordanlandes, aber ich denke, das ist das geringste Problem“, fuhr sie fort. „Ich vertrete seit langem die Auffassung, dass das Westjordanland bereits annektiert wurde. Das Einzige, was noch fehlt, sind ein paar Kleinigkeiten“. „Das eine ist die Existenz der Palästinensischen Autonomiebehörde, und das andere ist, dass sie noch nicht die Gesetze zur vollständigen Vertreibung der Palästinenser:innen verabschiedet haben. Das ist das Einzige, was wirklich noch nicht erledigt wurde. Aber alles andere ist fertig und die Annexion unter Dach und Fach.“


Wiederauflage des „Deal des Jahrhunderts“?


Gegen Ende von Trumps erster Amtszeit veröffentlichte die Regierung einen politischen Plan für Israel und Palästina, der von offiziellen Vertretern des Weißen Hauses als „Deal des Jahrhunderts“ bezeichnet wurde.

Der Vorschlag, der von Trumps Schwiegersohn und politischen Berater Jared Kushner ausgearbeitet wurde, wurde als unhaltbar für die Palästinenser angesehen. Er hätte die Grenzen Israels neu gezogen und illegale Siedlungen einbezogen, von Palästina eine Entmilitarisierung verlangt, palästinensischen Flüchtlingen das Recht auf Rückkehr verweigert und alle rechtlichen Schritte gegen Israel beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) unterbunden.

Dies hätte die Annexion des Westjordanlands bedeutet, ein Schritt, der seit der Enthüllung des Plans anscheinend mehr politische Unterstützung gefunden hat. Im Herbst letzten Jahres verkündete Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich, dass 2025 „das Jahr der israelischen Annexion des Westjordanlandes sein wird“. Auch in den USA haben rechte Abgeordnete diese Idee aufgegriffen.

„So verrückt Trumps Vorschlag für den Gazastreifen zweifellos ist – die offene Befürwortung einer ethnischen Säuberung im großen Stil wird, wie bei der sonstigen Israelpolitik der USA üblich, schließlich auch das Westjordanland betreffen“, sagte Mouin Rabbani, Mitherausgeber von Jadaliyya und Nahost-Experte, gegenüber Mondoweiss. „Man braucht bloß daran zu erinnern, dass Trumps Initiative „From Peace to Prosperity“ aus dem Jahr 2020 Israel dazu ermuntert, einseitig mehr als ein Drittel des Westjordanlandes zu annektieren.“

„Trump hat angedeutet, dass er diese politische Verpflichtung in den nächsten Wochen wahrscheinlich bekräftigen und vielleicht noch darüber hinausgehen wird“, fuhr er fort. „Palästinenser, Araber und Verfechter der Gerechtigkeit weltweit sind in der Lage, eine solche Ankündigung im Vorfeld zu desavouieren, aber nur, wenn sie strategisch handeln und all ihre Ressourcen rechtzeitig mobilisieren.“


Politische Unterstützung der USA für die Annexion


In den letzten Tagen haben republikanische Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senats Gesetzesentwürfe eingebracht, die die Verwendung des Begriffs „Westjordanland“ in Dokumenten verbieten und ihn durch den Ausdruck „Judäa und Samaria“ ersetzen sollen, die biblische Bezeichnung für das Gebiet, die von Israel für die besetzten Gebiete verwendet wird. Republikanische Abgeordnete haben den „Friends of Judea and Samaria Caucus“ gegründet, um die israelischen Annexionsbemühungen zu unterstützen.

      
Mehr dazu
Yvan Lemaitre: Die „neue Weltordnung“ der USA, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Martine Orange: Es wächst zusammen …, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Uraz Aydın: Die Türkei und die kurdische Frage, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Interview mit Berivan Firat: Kurden als Manövrier­masse, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Meron Rapoport: Morgenluft für die Völkermörder, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Interview mit Uri Weltmann: „Ewiger Krieg oder Ende der Besatzung und Frieden“, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Tariq Kenney-Shawa: Waffenruhe vor dem nächsten Sturm, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
 

„Ich bin entschlossen, mit Präsident Trump, Außenminister Rubio und Botschafter Huckabee zusammenzuarbeiten, um die Gemeinden in der Region zu unterstützen und gleichzeitig die Errichtung eines feindlichen Staates abzulehnen, der den Terrorismus in Judäa und Samaria fördert“, sagte die republikanische Abgeordnete Claudia Tenney aus New York, die den Caucus ins Leben gerufen hat. „Ich stehe voll und ganz hinter der Integrität des jüdischen Staates und unterstütze bedingungslos Israels Souveränität über Judäa und Samaria“.

In einer seiner ersten außenpolitischen Maßnahmen hob Trump die Sanktionen gegen gewalttätige Siedlergruppen im besetzten Westjordanland auf. Nur wenige Stunden nach der Aufhebung der Sanktionen griffen israelische Siedler Häuser und Geschäfte in den Städten Jinsafut und Al-Funduq im Westjordanland an. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds wurden zwölf Männer von den Siedlern verprügelt.

Seit Jahren weisen Menschenrechtsgruppen und Beobachter darauf hin, dass Israel seine Kontrolle über das Westjordanland ausgeweitet hat, ohne dass eine offizielle Annexionspolitik proklamiert wurde.

„Während der ersten Amtszeit von Donald Trump hat Israel seine Annexionspolitik weiter vorangetrieben. Benjamin Netanjahu begleitete die rapide Ausdehnung der Siedlungen im Jordantal, dem fruchtbarsten Ackerland im Westjordanland entlang der jordanischen Grenze“, schrieb der palästinensische Mondoweiss-Mitarbeiter Qassam Muaddi im vergangenen November auf der Website. „Am Ende von Trumps Amtszeit hatten die USA Israels Souveränität über das besetzte Jerusalem, die besetzten Golanhöhen und, was besonders kritisch ist, über die Hunderte von illegalen israelischen Siedlungen im Westjordanland anerkannt.“

„Wenn man die Punkte verbindet, wird klar, dass Israels Politik über Jahrzehnte und verschiedene Regierungen hinweg immer auf Annexion gerichtet war, indem sie darauf abzielte, die Palästinenser in ihre wichtigsten Städte einzuschnüren, deren Wachstum zu verhindern und somit ihren Bevölkerungszuwachs gegen sie zu wenden. Zugleich wurde immer mehr Land okkupiert und den Siedlern überlassen“, schloss er.

Aus mondoweiss vom 5.2.2025
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz