Trotz erdrückender Beweise für sexuelle Gewaltverbrechen der Armee haben israelische Frauengruppen den vernichtenden neuen UN-Bericht weitgehend ignoriert oder geleugnet.
Samah Salaime
Letzten Monat wurde in einem Bericht für den UN-Menschenrechtsrat bestätigt, dass Israel seit dem 7. Oktober systematisch sexuelle Gewalt und geschlechtsspezifische Verbrechen gegen palästinensische Frauen, Männer und Kinder verübt hat, was von palästinensischer Seite schon lange beklagt wird.
Die Untersuchung, die zusammen mit erschütternden Aussagen von Überlebenden und Zeugen, Vertretern der Zivilgesellschaft, Akademikern, Anwälten und medizinischen Experten während einer zweitägigen Anhörung in Genf veröffentlicht wurde, kam zu mehreren wichtigen Schlussfolgerungen, die meiner Meinung nach sofortige weltweite Aufmerksamkeit und Maßnahmen erfordern.
Erstens hat die geschlechtsspezifische Gewalt der israelischen Streitkräfte seit dem 7. Oktober in Umfang und Intensität dramatisch zugenommen und ist „systematisch“ geworden. Diese Verbrechen sind zu einem Instrument der kollektiven Unterdrückung geworden, um palästinensische Familien und Gemeinschaften von innen heraus zu zerstören – eine Taktik, die von anderen Schauplätzen von ethnischer Gewalt und Völkermord wie Bosnien, Ruanda, Nigeria und Irak übernommen wurde, wo die Körper von Frauen zum Schlachtfeld wurden.
Zweitens sind israelische Militärgefängnisse zu Epizentren der ungeheuerlichsten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt geworden. Neben den weit verbreiteten Bildern von nackten palästinensischen Gefangenen im Gazastreifen wurden in dem Bericht auch Zeugenaussagen aus Einrichtungen wie Sde Teiman aufgezeichnet, wo die Gefangenen ohne Rechtsbeistand und abseits der Medien Vergewaltigungen, sexueller Erniedrigung und Folter ausgesetzt waren. In einigen Fällen, wie dem des Arztes Adnan Al-Bursh, starben die Gefangenen Berichten zufolge in direkter Folge dieses sexuellen Missbrauchs während ihrer Haft.
Drittens dokumentiert der Bericht die Verbreitung von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Palästinenser:innen im digitalen Sektor. Gefährdete Gruppen, insbesondere Frauen und Jugendliche, werden darin bloßgestellt, gemobbt und unter Ausnutzung ihrer sexuellen Orientierung oder ihres privaten Verhaltens genötigt und eingeschüchtert.
Viertens stellt der Bericht fest, dass geschlechtsspezifische Gewalt nicht nur von Soldaten ausgeübt wird. Auch israelische Siedler, die oft unter dem Schutz der Armee handeln, belästigen palästinensische Frauen im Westjordanland sexuell und nutzen die traditionellen Geschlechterrollen in der palästinensischen Gesellschaft als Methode der Unterdrückung.
Die Ergebnisse des Berichts, der von der UN-Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete erstellt wurde, stützen sich nicht nur auf die Berichte von Überlebenden, sondern auch auf eigene Social-Media-Posts israelischer Soldaten. Die Täter dokumentierten stolz ihre „Heldentaten“ männlicher Rachsucht – sie durchwühlten die Schubladen palästinensischer Frauen, posierten in ihrer Unterwäsche und schmierten frauenfeindliche Graffitis in besetzte Häuser in Gaza. Obwohl viele dieser Inhalte später von den sozialen Plattformen gelöscht wurden, bleiben sie im UN-Bericht für die Nachwelt archiviert.
Auch wenn solche Videos und Bilder zweifellos abstoßend und kriminell sind, verblassen sie im Vergleich zu der extremeren sexuellen Gewalt, die in dem Bericht dokumentiert wird. Erzwungene Entkleidung in der Öffentlichkeit und invasive Durchsuchungen, das gewaltsame Entfernen der Hidschabs von Frauen, das Filmen sexueller Erniedrigung unter Androhung weiterer Gewalt, Drohungen und Vergewaltigungen als eine Form der Folter – all dies bedeutet nicht nur eine Verletzung der Würde, sondern auch einen tiefgreifenden körperlichen und sexuellen Übergriff.
Der Bericht bestätigt, dass sowohl Frauen als auch Männer Opfer dieser Verbrechen waren, und beschuldigt israelische Medien, diese zu banalisieren, indem ihre Kommentatoren und Moderatoren den Einsatz sexueller Gewalt als legitimes Mittel im Krieg diskutieren. So verweist der Bericht beispielsweise auf die Äußerungen von Elijahu Josian vom Misgav-Institut auf dem rechtsextremen Kanal 14: „Die Frau ist ein Feind, das Baby ist ein Feind, und die schwangere Frau ist ein Feind“ (nachdem Kanal 14 den Clip online gestellt hatte, wurde er über 1,6 Millionen Mal aufgerufen).
Den Zeugenaussagen zufolge, die der Kommission vorgelegt wurden, ist es für weibliche Opfer oft äußerst schwierig, ihren Missbrauch anzuzeigen. Ein Beispiel hierfür ist ein israelischer Militärkontrollpunkt in der Nähe von Hebron, an dem sich ein Soldat routinemäßig vor vorbeigehenden palästinensischen Frauen entblößt. Eine Studentin, die auf dem Weg zur Schule den Kontrollpunkt passieren muss, würde wahrscheinlich über den Missbrauch Stillschweigen bewahren, da eine Anzeige mit ziemlicher Sicherheit zur Folge hätte, dass sie ihr Studium abbrechen müsste.
Angriffe auf Einrichtungen für reproduktive Gesundheit in Gaza sind ein weiterer Aspekt der geschlechtsspezifischen Kriegsverbrechen Israels. Dem Bericht zufolge haben die israelischen Streitkräfte systematisch die medizinischen Infrastrukturen für Mütter, Einrichtungen für Fruchtbarkeitsbehandlungen und überhaupt für reproduktive Gesundheit im Gazastreifen angegriffen. Die Ergebnisse umfassen auch Fälle, in denen Scharfschützen auf schwangere und ältere Frauen schossen und Ärzte Kaiserschnitte ohne Desinfektionsmittel oder Anästhesie durchführen mussten.
Die Leiterin der Untersuchungskommission, Navi Pillay, erklärte zu den Ergebnissen des Berichts: „Wir kommen nicht um die Schlussfolgerung herum, dass Israel sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Palästinenser:innen eingesetzt hat, um ihnen Angst einzuflößen und ein System der Unterdrückung aufrechtzuerhalten, das ihr Recht auf Selbstbestimmung untergräbt.“
Im Gegensatz zum parallelen UN-Bericht, der im März 2024 veröffentlicht wurde und die geschlechtsspezifischen Verbrechen untersuchte, die von Hamas-Kämpfern am 7. Oktober gegen israelische Frauen begangen wurden, wurde über den aktuellen Bericht in den etablierten Medien kaum berichtet – weder in Israel noch sonst in der Welt.
Selbst die dramatische Eskalation der geschlechtsspezifischen Verbrechen gegen Frauen und Mädchen während des Krieges und die eindeutige Feststellung, dass Israel diese Methoden systematisch einsetzte und es sich nicht nur um isolierte Taten einzelner Soldaten handelte, reichten offenbar nicht aus, um israelische oder internationale Frauenorganisationen dazu zu bewegen, dagegen zu protestieren, dies zu verurteilen oder gar eine dringende Untersuchung des Themas zu fordern. Selbst dass der Bericht nur wenige Tage vor dem Internationalen Frauentag veröffentlicht wurde, führte nicht dazu, dass Webinare, Symposien oder Konferenzen an Universitäten in aller Welt oder dringliche Diskussionen in parlamentarischen Ausschüssen zur Förderung der Frauenrechte durchgeführt worden wären.
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Hier in Israel reichten die Reaktionen von Schweigen bis hin zu offener Ablehnung. „Die UNO unterstützt die Nuchba-Terroristen und die Hamas“, sagte Hagit Pe‘er, Vorsitzende von Na‘amat, Israels größter Frauenorganisation. „Dies ist ein Bericht, der stark nach Antisemitismus riecht. Es handelt sich um einen Versuch, als Reaktion auf das sexuelle Massaker, das die Hamas an israelischen Frauen und Männern verübt hat – woraufhin internationale Institutionen, einschließlich Frauenorganisationen weltweit, auffallend still blieben –, jetzt falsche Fakten zu verbreiten und die Realität zu verkehren. Es sind die gleichen Organisationen, die jede sexuelle Gewalt verurteilen, es sei denn, die Opfer sind israelische und jüdische Frauen.“
Ich habe die Ergebnisse des Berichts auch Professorin Ruth Halperin-Kaddari und der ehemaligen leitenden Militärstaatsanwältin Scharon Zagagi-Pinhas vom Dina-Projekt vorgelegt, einer Initiative, die die sexuelle Gewalt der Hamas dokumentieren soll. Auch sie taten den Bericht als „einen weiteren Schritt in der Kampagne zur Delegitimierung Israels“ ab.
„Seit ihrer Einsetzung im Jahr 2020 hat die UN-Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete bei der überwiegenden Mehrheit ihrer Handlungen eine einseitige und anti-israelische Haltung eingenommen, was sich im aktuellen Bericht deutlich widerspiegelt“, so Halperin-Kaddari und Zagagi-Pinhas in ihrer Antwort auf meine Anfrage.
„Wie können die Behauptungen in diesem Bericht mit den brutalen Gewaltverbrechen verglichen werden, die von der Hamas am 7. Oktober systematisch und vorsätzlich verübt wurden – schreckliche Vergewaltigungen, Genitalverstümmelungen und sexuelle Gewalt sogar an Leichen“, hieß es weiter. „Es ist zutiefst bedauerlich, dass die Kommission, anstatt die Hamas auf die schwarze Liste der Organisationen zu setzen, die sexuelle Gewalt als Kriegswaffe einsetzen, einen anderen Weg gewählt hat.“
„Was die Anschuldigungen selbst betrifft“, fügten sie hinzu, „sind die israelischen Behörden im Gegensatz zur Hamas, die ihre Verbrechen systematisch leugnet, verpflichtet, diese Anschuldigungen ordnungsgemäß zu untersuchen, falls es dafür eine Grundlage gibt.“
Wie viele Frauen in Israel habe auch ich während dieses Krieges ein böses Erwachen als Feministin erlebt. Ich habe palästinensische Genossinnen verloren, denen meine Verurteilung der Gewalt der Hamas gegen israelische Frauen am 7. Oktober nicht gefiel, und ich habe jüdische Freunde verloren, die Frauen in Gaza als legitime Ziele betrachteten.
Nach einigem schmerzhaften Nachdenken habe ich gelernt, wie stark und mutig wir Frauen sein müssen, um jede Gewalt gegen den Körper einer Frau unmissverständlich als verabscheuungswürdig anzuprangern, egal ob sie Palästinenserin oder Israelin ist. Es sollte selbstverständlich sein, dass keine Mutter – egal ob ihr Kind rote Haare oder dunkle Haut, grüne oder braune Augen hat – getötet werden sollte und dass kein Baby an die unersättliche Kriegsmaschinerie auf Macht und Geld versessener Männer verfüttert werden sollte.
Wir Frauen – junge und alte, Mütter und Töchter, Feministinnen und auch solche, die sich nicht als solche definieren – müssen unsere Stimme erheben und sagen: Genug mit diesem Krieg. Dieses „homeland“ wird nicht auf unseren Körpern befreit werden, und keine Zukunft ist es wert, aus den Trümmern unserer Gebärmütter aufgebaut zu werden.
Aus 972 Magazine vom 17.4.2025 |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2025 (Juli/August 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz