Montag, 26. Januar: Alexis Tsipras wurde als Premierminister vereidigt, zum ersten Mal ohne religiöse Formel! Eine unglaubliche Szene, wenn man bedenkt, dass Syriza nach der Niederlage in den Wahlen 2009 (4,6 %) am Rande des Zusammenbruchs stand …
Andreas Sartzekis
Ausschlaggebend war allerdings die Umsetzung des Memorandums durch Papandreous PASOK seit 2010, die die Bevölkerung ins Elend gestürzt hat, dass Syriza sich zum Sprachrohr des Volkszorns machen konnte und von 16,8 % im Mai 2012 auf 26,9 % im Juni kletterte, während die PASOK eine Regierung mit den Rechten unter Samaras bildete.
Allerdings konnte Syriza nicht zugleich ihren Einfluss in den Bereichen, wo die KP Griechenlands (KKE) sehr viel stärker verankert und auch Antarsya oft viel aktiver ist, nennenswert ausbauen. Dennoch ging der Aufwärtstrend weiter und bei den Wahlen vom 25. Januar konnten 36,3 % erzielt werden, fast 600 000 Stimmen mehr als im Jahr 2012, ein historischer Sieg, der aus dem Volkszorn gegen Troika und Armutspolitik resultiert. Die Zahlen belegen: „Der Anhang der PASOK“ ist massenweise zu Syriza übergelaufen, was sich an den sehr guten Ergebnisse in den ärmeren Vierteln zeigt.
PASOK erlebte einen regelrechten Einbruch (nur noch 4,7 %) und auch innerhalb der Rechten wird angesichts des empfindlichen Rückgangs der ND (27,8 %) die strikt neoliberale und autoritäre Ausrichtung immer mehr in Frage gestellt. Aber auch die linken Organisationen kamen nicht über 43 % hinaus – ein Beleg für die politische Orientierungslosigkeit, die durch die schreckliche und dauerhafte Krise ausgelöst wurde.
Dabei darf man nicht das Abschneiden der verschiedenen rechtsradikalen Parteien übersehen, namentlich die 6,3 % für die Nazis von der Goldenen Morgenröte, die zur drittstärksten Partei im Parlament wurden und eine echte Gefahr darstellen könnten, besonders dann, wenn der Regierungswechsel keine wirklichen Veränderungen mit sich bringt. In Zukunft muss gegen die Faschisten unbedingt stärker mobilisiert werden, zumal wohl die Hälfte des Polizeiapparats für diese Mörder gestimmt hat! Eine weitere Schwäche ist die weiterhin sehr hohe Wahlenthaltung - mit 36,1 % ein für Griechenland äußerst hoher Wert -, was ein Zeichen dafür ist, dass weder Syriza noch die KKE noch Antarsya den Teil der Bevölkerung überzeugen konnte, der so am Boden zerstört ist, dass er an gar nichts mehr glaubt. Diesen Teil der Bevölkerung anzusprechen, wird bei den zukünftigen Mobilisierungen unerlässlich sein.
Auf der Linken ist neben Syriza offenbar auch die KKE mit ihrem im Vergleich zum Juni 2012 leicht gestiegenen Ergebnis (5,47 %) zufrieden und scheint ihr absolutes Sektierertum fortsetzen zu wollen; sogar ein von Tsipras vorgeschlagenes Treffen hat sie abgelehnt. Man könnte meinen, dass hinter dieser Fassade die Zweifel wachsen, denn die Partei ist weit hinter ihren 8,5 % vom Mai 2012 zurückgeblieben und hat es nicht geschafft, den erhofften dritten Platz zu gewinnen. Genug Gründe jedenfalls, systematisch an die KKE heranzutreten, um sie für eine Aktionseinheit zu gewinnen.
Antarsya, die ihre Kandidatur als dezidiert antikapitalistisch verstand, bekam 0,64 % der Stimmen, ein ehrenvolles Ergebnis in dieser polarisierten Situation, aber auch angesichts der Meinungsverschiedenheiten über die von ihr vertretene Forderung „Raus aus dem Euro und der EU“. In ihrer ersten Erklärung, ruft sie die kämpferischen Kräfte der Linken zu einer Gegenoffensive der Arbeiterinnen und Arbeiter auf, da Syriza gewillt ist, die Konfrontation mit den Institutionen der Europäischen Union zu vermeiden,
|
|||||||||||||||||
Wir müssen dringend einen Rahmen schaffen, der die Diskussion und eine Aktionseinheit voranbringt, umso mehr, als jetzt die Kräfte der Troika Druck gegen Syriza und die Linke macht. Ganz zu schweigen von den „Judasküssen“ der sozialdemokratischen Führungen, die Freude über die griechischen Ergebnisse heucheln …
An Schlüsselfragen mangelt es nicht: die Haltung zu den Schulden, wo die Führung der Syriza stetig zurückgewichen ist; Umsetzung der versprochenen Sofortmaßnahmen und der allgemein erwarteten symbolischen Entscheidungen (über die sich Tsipras bei seiner ersten Rede am Sonntagabend jedoch ausgeschwiegen hat) wie die Wiedereinstellung der vom Ministerium für Wirtschaft entlassenen Putzfrauen oder die Rechte von Einwanderinnen und Einwanderern … In all diesen Fragen werden die Bourgeoisie und die Rechte zetern und Druck ausüben, was zur Folge haben könnte, dass die Regierung zurückweicht. Was wird beispielsweise aus der Selbstverpflichtung von Syriza, 300 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst neu zu schaffen, angesichts des Protestes der europäischen Technokraten gegen diesen Angriff auf die neoliberalen Dogmen? Eine Mobilisierung von Beschäftigten und Nutzerinnen und Nutzern des öffentlichen Dienstes wird erforderlich sein.
Problematisch ist außerdem, dass SYRIZA, weil ihr zwei Abgeordnete an der absoluten Mehrheit fehlten und die KKE jede Diskussion ablehnte, eine Koalitionsregierung mit der rechtsnationalistischen Partei ANEL eingegangen ist, bloß weil diese gegen das Memorandum ist und dagegen vorgehen will. Sogar ein Ministerium, das Verteidigungsministerium, wurde ihr angeboten … Eine beunruhigende Geste, eine gefährliche Situation und ein offensichtliches Problem, denn schon morgen könnte die Partei mit Erpressungen beginnen, etwa um Maßnahmen zugunsten der Einwanderinnen und Einwanderer zu verhindern.
Was tun, wie in der Geschichte schon häufiger gefragt wurde? Sehr schwere Fragen für Syriza, aber auch für die gesamte Linke einschließlich der KKE und Antarsya …
Athen, 29. Januar 2015 |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 2/2015 (März/April 2015). | Startseite | Impressum | Datenschutz