Das strategische Ziel eines Vereinigten sozialistischen Europas ist weder durch Unterwerfung unter die neoliberale Führerschaft der EU (Griechenland) noch durch den defätistischen Rückzug in die reaktionäre Nationalstaatlichkeit (Brexit) zu erreichen. Die Linken in Europa stehen vor großen Herausforderungen.
Catherine Samary
Seit dem griechischen Trauma – das neokoloniale Diktat der Euro-Gruppe sowie Tsipras’ Unterwerfung trotz des massenhaften „OXI“ – hat die europäische radikale Linke mehrere „Pläne B“ ohne einen strategischen oder taktischen Konsens debattiert. Das Referendum in Großbritannien illustriert dies auf bittere Weise, ohne dass die antirassistische und Anti-EU-Linke in der Lage war, eine glaubwürdige Alternative zu den herrschenden nationalen, europäischen und internationalen Institutionen und ihrer Politik auszudrücken. Mit einer geringeren Medienpräsenz als der Brexit illustriert das Referendum vom 6. April 2016 in den Niederlanden mit der Ablehnung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU auf beschämende Weise dieselbe Falle für die internationalistische Linke.
Ist es nicht Zeit für ein „Europa, auf!“, vielfältig ja, aber gegen die herrschende Politik und die herrschenden Institutionen, das einen alternativen europäischen politischen Raum innerhalb der EU/außerhalb der EU/gegen die EU aufbaut? Die alternative Linke in den dominierenden Ländern der EU – besonders in Frankreich und Deutschland – trägt eine große Verantwortung für die Möglichkeit der Blockade und Herausforderung der schädlichen Kräfte der EU in einer Optik, die nicht nur eine „Abwendung“ (von der EU), sondern auch „konstituierend“ für ein anderes europäisches Projekt ist, das organisch verbunden ist, von unten, mit den Mobilisierungen der am meisten ihrer Rechte Beraubten und in Europas Osten, Süden und Mitte an den Rand Gedrängten. Die Infragestellung von Verträgen und Politik auf europäischer Ebene ist eine strategische Frage, die sich auf die geopolitischen, ökologischen und soziopolitischen Kämpfe auf nationaler und internationaler Ebene auswirkt.
Das „OXI“ der griechischen Bevölkerung war ein Mandat zur Opposition gegen den mit der Eurogruppe ausgehandelten neuen Austeritätsplan. Es drückte nicht die Entscheidung für einen Austritt aus dem Euro aus und schon gar nicht für einen Austritt aus der EU. Aber es ist nicht wahr, dass die Kapitulation der Syriza-Führung beweist, dass die einzige Alternative zur Unterwerfung ein Austritt aus der Europäischen Währungsunion (EWU) oder gar der EU gewesen ist. Die Ablehnung eines solchen Austritts war weder auf die Unterstützung für die Logik der EWU und der EU zu reduzieren, noch auf Illusionen in eine „gute EU“, die demokratisch reformiert werden könnte, ohne Krise und ohne Infragestellung dieser Verträge. Mehrere Vorschläge, die vor und nach dem „OXI“ gemacht wurden, enthielten Opposition und Ungehorsam gegenüber der herrschenden Politik sowie Akte des einseitigen Bruchs mit der Troika, ohne einen Austritt aus dem Euro als Vorbedingung oder als Hauptachse der Mobilisierung: die Suspendierung der Schuldenzahlungen und die Unterstützung eines Bürgeraudits, das die Ursachen der Verschuldung analysiert, mit einer Weigerung, die untragbaren und illegitimen – tatsächlich illegalen – Schulden zu bezahlen; die Verstaatlichung der Banken und die Kontrolle der Kapitalbewegungen; die Schaffung einer „Steuerwährung“, die es erlaubt, insbesondere den öffentlichen Dienst und die Unterstützung für die Grundnahrungsmittelproduktion zu finanzieren, usw.
Die Furcht vor einer absoluten Peripherisierung infolge der Nichtmitgliedschaft in der Eurozone ist kein Trugbild oder eine irrationale Furcht, die durch eine „gute Pädagogik“ überwunden werden kann. Sie kann gegen die laufenden Verträge gewendet werden.
Das „OXI“ drückte auf seine Weise diese Hoffnung aus, ohne zu wissen, wie sie zu verwirklichen ist. Es stand nicht nur in einem radikalen Gegensatz zu den die EU beherrschenden Kräften, sondern auch zur griechischen Oligarchie, den Mächten der Repression, der faschistischen extremen Rechten, die auch ein großes Gewicht im griechischen Staatsapparat darstellt. Der strategische Einsatz war zunächst eine Klassenfrage, national wie europäisch, mit oder ohne Euro. Wenn wir die Lehren aus der Fragilität des Kräfteverhältnisses im Sommer 2015 ziehen, so sind diese sowohl auf europäischer (in der Verantwortung aller Bestandteile der Antiausteritäts- und antirassistischen Linken) als auch auf nationaler Ebene angesiedelt. Auf all diesen Ebenen hingen die möglichen Szenarien ab von der Kombination politisch-ideologischer Kämpfe (gegen alle Dominanzverhältnisse in der EU wie auch in Griechenland) mit der Ausdehnung der Selbstorganisation der Massen auf der Grundlage von Solidarität, die die internationalen Warenbeziehungen und die Abhängigkeit vom Euro minimiert: Die Erfahrung der selbstverwalteten Gesundheitszentren in Griechenland – mit ihrer Unterstützung in Frankreich – legten eine Logik nahe, die eine Syriza-Regierung hätte unterstützen können. Öffentliche Fonds und eine Steuerwährung könnten die Beschäftigung und den öffentlichen Dienst wiederbeleben und die zum Überleben wichtige Landwirtschaft unterstützen.
In Wirklichkeit ist die positive Hauptlehre aus der griechischen Erfahrung, dass das „OXI“ für die Eurogruppe „untragbar“ war, weil es gefährlich für die EU war – die also … zerbrechlich ist. Yanis Varoufakis hat betont, dass Frankreich mit seinen gesetzlichen Schutzbestimmungen die Zielscheibe war. Und das ist wahr. Das „Nuit Debout“ gegen das Beschäftigungsgesetz hat gezeigt, dass es dort noch immer Widerstand gibt, und die Zukunft ist ungewiss.
Aber vor allem kann nie gesagt werden, wie sehr ein Sieg des griechischen „OXI“ in Deutschland selbst gefährlich wäre, wie in der gesamten EU, wenn es zu den Bevölkerungen und nicht zur Führung der EU (Hollande und Merkel) spräche.
Die Erfahrung von Syriza bleibt die der ersten (und nicht der letzten) Schlacht, die sowohl national als auch europäisch ist, in der EU/gegen die EU und gegen ihre Rolle im globalisierten sozialen Krieg. Sich den Führern der EU zu unterwerfen und ihrem Wunsch, mehr denn je die Opposition gegen ihre Projekte zu blockieren, ist so selbstmörderisch wie der Verzicht auf den Kampf in der EU/gegen die EU nach der ersten verlorenen Schlacht. Die Geschichte des „OXI“ ist noch nicht vorbei, weder in Griechenland noch in Europa.
Der Euroskeptizismus kann nur provisorisch (konjunkturell) und an die reale Schwierigkeit der europäischen Kämpfe und ein ungünstiges Kräfteverhältnis gebunden sein: Es gibt große Unterschiede in der Fähigkeit zur Initiative von „jenen an der Spitze“ und „jenen unten“ und der europäischen Gewerkschafts- und soziopolitischen Bewegungen. Der Pessimismus und die von ihm angebotene Entscheidung zwischen Austritt oder Unterwerfung kann offensichtlich gestärkt werden durch die doppelte Feststellung der realen Unterwerfungen unter die Eurogruppe wie in Griechenland und die „ordoliberalen“ Orientierungen der EU-Führung, die bestrebt ist, in die Verfassungen ihre eigenen Entscheidungen festzuschreiben, während sie jede Opposition knebelt.
Doch derselbe soziale Widerstand gegen dieselbe Politik existiert de facto in der Atomisierung und der Ungleichheit der EU-Staaten; und die Schwierigkeit, eine europäische Bewegung aufzubauen, macht ihre dringende Notwendigkeit nicht ungültig. Wir sollten weder nationale Kämpfe ablehnen, während wir auf einen unmöglichen Konsens warten, noch die Suche nach kollektiven Szenarien als „Unterwerfung unter die EU“ abwerten, um auf das Kräfteverhältnis einzuwirken, den verwundbarsten Ländern zu helfen und die politisch wie sozial untragbare Politik zu delegitimieren, die von der Eurogruppe und der EZB aufgezwungen wird. Die alternative Linke in den Ländern des „Zentrums“, in Frankreich, Deutschland – oder in Großbritannien –, trägt auf dieser Ebene eine besondere Verantwortung.
Aber es ist dann nötig, über Theoretisierungen hinauszugehen, die das griechische Beispiel für ihre eigene Ablehnung einer europäischen Strategie heranziehen. Es handelt sich einerseits um das Argument, das das Fehlen eines „europäischen Volkes“ betrifft. Wir können dies gegen jede Idee eines etatistischen und einheitlichen europäischen Föderalismus zugeben, der bekämpft werden kann und muss, wie auch gegen die Vorstellung, dass jeder supranationale Föderalismus notwendigerweise progressiver sei als ein Nationalstaat, ohne irgendeine konkrete Analyse des einen wie des anderen. Aber solche abstrakten föderalistischen Sichtweisen können sehr wohl in der Optik eines „anderen Europa“ bekämpft werden, in welchem verschiedene institutionelle Varianten vollständig die freie Bestimmung und unterschiedliche Entwicklung von Völkern anerkennen können, die selbst nicht im Widerspruch steht mit dem Ausdruck von subjektiven Gefühlen vielfacher Zugehörigkeit, einschließlich einer „europäischen“.
Das Fehlen eines europäischen Volkes bedeutet nicht, dass es für die internationalistische Linke keine europäische Strategie geben kann und Europa „in Klammern“ gesetzt werden sollte. Dies ist jedoch die Auffassung, die besonders von Stathis Kouvelakis, Cédric Durand und Razmig Keucheyan zur Verteidigung eines neuen Typs von Internationalismus ausgedrückt worden ist, der über die europäische Frage hinausweisen würde, indem er von der Eroberung der Nationalstaaten ausgeht. Im Wesentlichen ist ihr Ausgangspunkt die Denunziation (offensichtlich geteilt von der gesamten radikalen Linken, ungeachtet ihrer Position zu Europa) des Internationalismus der multinationalen Firmen und Märkte – oder derjenigen, die sich ihren Gesetzen unterwerfen, verkörpert besonders durch eine EU, die die EU dieser Oligarchien ist. Auf dieser Ebene gibt es keine Meinungsverschiedenheit. Die Debatte beginnt danach.
Sie wird konkretisiert (über die oben aufgeworfene Frage des „europäischen Volkes“ hinaus) mit zwei unbewiesenen Behauptungen: erstens die Idee, dass jede Ablehnung des Austritts aus der EU eine Unterwerfung unter diese sei, die einen „internationalistischen“ Diskurs verwendet, um durch den Anschluss an einen „Internationalismus des Kapitals“ einen Verrat am „realen Internationalismus“ zu verbergen, der in den nationalen Kämpfen verankert ist. Diese erste Behauptung wird in der Praxis „illustriert“ durch die Abkehr der Tsipras-Führung vom griechischen „OXI“, als sie zustimmte, das mit der EU-Führung ausgehandelte „schlechte Abkommen“ selbst umzusetzen. Es ist richtig, dass dies eine Entscheidung von Tsipras war und nicht bloß ein „Coup“ der EU. Und die Entscheidung für dieses angebliche „kleinere Übel“ ist immer noch ein ernsthaftes Trauma in Griechenland und in Europa. Das Risiko der „Pasokisierung“ linker Formationen besteht weiterhin überall in der EU und in der Welt im Kontext ungünstiger Kräfteverhältnisse.
Aber auch bei der Annahme, dass der Austritt aus der Eurozone damals ungünstig gewesen wäre, war die Entscheidung nicht unvermeidlich, in eine Regierung zu gehen oder dort zu bleiben, um eine Politik zu verfolgen, die zuvor abgelehnt worden war. Es war auch nicht unvermeidlich, dass die radikale Linke nicht dafür gekämpft hat, dass der Audit über die griechischen Schulden zu einer zentralen Frage – in Griechenland und in der EU – gegen die herrschende Politik und ihre Lügen und die Annullierung von Grundrechten wird. Keine der realen „Möglichkeiten“, die zwischen den Extremen Unterwerfung und Austritt liegen, sind umgesetzt worden. All diese Optionen werden notwendigerweise durch einen Standpunkt verborgen, der bestrebt ist, aus der Debatte jede europäische Strategie und jede Möglichkeit des Widerstands in der EU/gegen die EU auszuschließen. Diese Ablehnungen werden durch eine weitere „theoretische“ Tendenz „gefestigt“, die leugnet, dass die EU ein „Schlachtfeld“ sein kann, indem sie sie als „Gefängnis“ charakterisiert – aus dem man um jeden Preis physisch entfliehen muss.
Doch das griechische Beispiel kann das Gegenteil illustrieren: Nicht nur war die „europäische Konstruktion“ durchlässig für soziale Kämpfe, wir können auch den Beweis für eine spezifische soziale und politische Verwundbarkeit der EU in der Heftigkeit sehen, die sich gegen das tatsächlich recht moderate Programm von Syriza richtete.
Im weiteren Sinne und bei weitem nicht reduzierbar auf die EU und den Euro als wichtigstes Werkzeug ist der soziale Krieg, der effektiv von der EU geführt wird, seit den 1980er Jahren mit Margaret Thatchers „TINA“-Losung auf der Tagesordnung, und im Zentrum und in den Peripherien durch alle Freihandelsabkommen mit oder ohne Euro geführt worden ist. Dies gilt umso mehr seit der Krise dieser Politik 2007/2008 im Kontext der „neoliberalen Nacht“, wie Dardot und Laval betonen.
Aber die ist keine Logik ohne Widersprüche und Widerstand. Die Situation der Krise und Instabilität wird begleitet von Polarisierungen, auch in der EU. Die Instabilität und Schwierigkeit des „Regierens“ der EU zeugt davon. Aber bei dem Fehlen einer europäischen progressiven und glaubwürdigen Alternative ist es der fremdenfeindliche Nationalismus, der einen reaktionären Zerfall begünstigt. Nicht auf eine europäische Strategie hinzuarbeiten als eine notwendige Stütze für sowohl nationale wie internationalistische Kämpfe ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.
Der Brexit ist dafür ein deutliches Beispiel.
Gewiss ist keine „Wahlentscheidung“ „rein“ oder unzweideutig. Diese war notwendigerweise gemischt: Der Brexit dominierte in England und Wales, aber Schottland und Nordirland stimmten für das „Remain“, den Verbleib in der EU; der Brexit erhielt eine Mehrheit unter den älteren Menschen, aber nicht unter den jungen Leuten (bei denen auch die Wahlenthaltung größer war als bei den Älteren); der Brexit hatte massiven Zuspruch bei den Arbeitenden „englischer Abkunft“, aber wurde noch massiver abgelehnt von denen, die als „Invasoren“ oder „rassisch andersartig“ abgestempelt werden. Keine soziologische, „nationale“ oder politische Übersimplifizierung kann daraus ein „Plus“ für progressive Kämpfe herleiten. Im besten Fall war er ein „Tritt in den Hintern“ für die EU und eine „Ohrfeige für das britische Establishment“, wie es Tariq Ali formuliert hat.
Zweifellos war er auch eine Ohrfeige für die Politik der EU-Erweiterung und ihre Prätentionen, aber er war keine internationalistische, auf Solidarität basierende und progressive Geste: Auf dieser Ebene steht er in Einklang mit der Abstimmung in den Niederlanden beim am 6. April 2016 abgehaltenen Referendum (bei einer Beteiligung von 30 %), bei dem die von der EU vorgeschlagene Assoziierung mit der Ukraine von mehr als 60 % der Abstimmenden abgelehnt wurde. Aber in welchem Sinne? Worum ging es dabei? Es ging darum, dass die EU ihre Freihandelsverträge (ohne die Perspektive eines Beitritts) ihren Nachbarn als spezifische „Partnerschaften“ präsentiert, in dem Bestreben, einige in Osteuropa zwischen Russland und der EU liegende Länder zu zwingen, eine Orientierung auf letztere „zu wählen“. Wie sollte man abstimmen, wenn man sowohl der EU und diesen verheerenden Freihandelsabkommen gegenüber radikal kritisch eingestellt ist, als auch jede Logik der Entscheidung für Putins Russland gegen die EU (oder umgekehrt) ablehnt? Wie antworten auf die Hoffnungen der ukrainischen Bevölkerung – besonders ihrer Jugend – auf eine Annäherung an die EU? Wie auch immer abgestimmt wird, es gibt keine progressive Option in dem falschen Dilemma dieses Referendums, das Alona Ljaschewa gut analysiert hat: Die wirklichen Lösungen zu Fragen der geografischen Spaltung ergeben sich, wenn statt der Alternative „EU oder Russland?“ gefragt wird: „Die EU, die ukrainischen und russischen Eliten oder die Bevölkerungen Europas, der Ukraine und Russlands?“ Dies geht jedoch nur, wenn Netzwerke der Solidarität zwischen den Unterdrückten geschaffen werden, die in diesen Gebieten leben.
Ebenso wie die Herstellung europäischer Verbindungen „von unten“ mit der griechischen Bevölkerung zur Verteidigung ihres „OXI“ wesentlich war und bleibt, können wir hoffen, dass in der Ukraine gegen die von der EU vorgeschlagenen „Partnerschaften“ Koalitionen von Verbänden der Zivilgesellschaft entstehen, die wie in Tunesien oder in einigen schwarzafrikanischen Ländern die „Partnerschaftsabkommen“ ablehnen, mit denen die EU diesen Ländern angeblich „helfen“ will, so wie sie behauptet, der Ukraine vor allem gegenüber Russland zu helfen. In all diesen Fällen entgehen diese verschiedenen Formen von Freihandelsabkommen der Kontrolle der Gesellschaft und führen zum Abbau von Schutzbestimmungen und sozialen Rechten. Aber von der Ukraine aus gesehen können sie als eine mögliche Etappe zu einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft erscheinen, die von einem Teil der Bevölkerung als ein Mittel wahrgenommen wird, der absoluten Peripherisierung und der Herrschaft der Oligarchen zu entgehen. Dieser Standpunkt sollte verstanden werden. Er ist auch in den internen (Semi-)Peripherien der EU vorhanden.
Die Demystifizierung von Illusionen kann nicht mit einer Logik des „Vetos“ seitens des Europas der Reichen, gepaart mit rassistischen Zurückweisungen, erfolgen. Eine euphorische Betrachtung dieser „Ohrfeigen“ der EU läuft Gefahr, auch gegenüber der Tatsache die Augen zu verschließen, dass sie das Risiko der Konsolidierung eines harten Kerns der EU oder der Eurogruppe nicht verringern, die de facto ihre Normen verschiedenen „Kreisen“ von Mitgliedern und Nichtmitgliedern der EU aufzwingen würden. Der Brexit ist weit davon entfernt, diese Bedrohung abzuschwächen, auch wenn wir noch nicht alle Auswirkungen ermessen können – Großbritannien ist eine große Finanzmacht, die kein Gründungsmitglied der EWG war, nicht Teil des Euro ist und in der Lage ist – gestern wie morgen, nach dem Brexit –, viele Arrangements mit den Organen der EU zu treffen. Seine Regierungen sind, innerhalb der EU, ein wesentliches Hindernis zu jedweder Politik gewesen, die darauf abzielte, das soziale und Steuerdumping zu beschränken. Weit davon entfernt, sich gegen die vom Euro erzwungenen europäischen Austeritätspläne zu wenden, ist die britische herrschende Klasse vielmehr jahrzehntelang, unter Margaret Thatcher oder Tony Blair, beispielhaft für sie gewesen – auch ohne den Euro.
Die von extrem rechten Kräften dominierte britische (faktisch englische) Bekräftigung der „Souveränität“ gegenüber der EU zielt nicht auf die Wirtschaftspolitik ab (die auf dramatische Weise entsprechend der TINA-Ideologie fatalistisch verinnerlicht wird), sondern auf den von der EU erzwungenen „freien Verkehr von Arbeitskräften“. Von daher die ekelerregende Kampagne gegen unterdrückte Bevölkerungen, entsprechend danach, ob sie als „einheimisch“ betrachtet oder als „Invasoren“ stigmatisiert werden, die Arbeitsplätze und Einkommen annehmen, die besonders prekär und elend sind. Der Brexit wird der Zerstörung sozialer Rechte sowie den Jobs ohne sozialen Schutz kein Ende bereiten, welche sich unter Verwendung des Drucks der aus Osteuropa kommenden Armut verbreitet haben; die wird weitergehen, aber gemäß einer Logik, die aus jedem Holz Feuer macht, innerhalb wie außerhalb der EU.
Das britische Referendum ermöglichte keine Opposition gegen diese Logik. Bei Abwesenheit einer konkreten und progressiven europäischen Alternative haben die britischen subalternen Bevölkerungen sich für die eine oder andere mögliche Stimmabgabe entschieden, indem sie verschiedene Herrschaftsverhältnisse ohne eine glaubwürdige progressive Orientierung abgelehnt haben: Die Bestandteile der internationalistischen radikalen Linken, die den Brexit unterstützten – also einen linken Exit/Lexit –, betonten die Verantwortung der EU und nicht die der britischen herrschenden Klasse (innerhalb und außerhalb der EU) für den jahrzehntelang erlittenen sozialen Schaden, und die Logik der Abstimmung führte sie dazu, alle Verfechter des Remain zu „Verteidigern“ der EU zu erklären. In symmetrischer Weise verwischte ein Teil der Linken, die für das Remain kämpften, die Kritik an der EU, indem er für das Remain auf der Grundlage der „in Europa verteidigten Rechte“ eintrat – insbesondere des freien Verkehrs von Arbeitskräften – und jede Stimme für den Brexit als rassistische Stimme wertete. Diese „Lagerlogik“ – bei der alles, was „Argumente“ für eine alternative Stimmabgabe liefern könnte, ausgeblendet wird – dominierte dieses verminte Referendum, indem es Mauern errichtete zwischen den internationalistischen Strömungen des Lexit und jenen innerhalb der Befürworter des Remain, die ihre Kampagne nicht zur Unterstützung der EU führten, sondern für deren Bekämpfung mit der Perspektive des „Another Europe Is Possible“ (AEIP – Ein anderes Europa ist möglich).
In einem solchen Kontext konnten die gemeinsamen Punkte (Antirassismus und Ablehnung des Sozialdumpings) der beiden Seiten nicht zusammengebracht werden; es war nicht möglich in den verschiedenen Strömungen der alternativen Linken gemeinsam die herrschende Politik sowohl Großbritanniens als auch der EU und die reaktionären politischen Kräfte auf beiden Seiten zu bekämpfen; dieser Kontext erlaubte keine Klärung der semantischen Unschärfen oder der realen zu debattierenden Divergenzen, die hinter der Verschiedenheit der politischen Sensibilitäten standen und sich sowohl innerhalb des Lexit als auch in der radikalen Linken des Remain manifestierten.
Solche Sackgassen zu verlassen ist dringend erforderlich. Dies bedeutet von Anfang an die Diskurse und Analyse von „Europa“ zu klären – das, was wir „verlassen“ wollen (von links), und das, was wir aufbauen wollen (von links).
Die semantische Schlacht ist Teil der demokratischen und Klassenkämpfe. Wir müssen den Herrschenden das Privileg der „Worte“ und Interpretationen entreißen, die sie konstruiert haben, um ihre spezifischen Interessen zu verteidigen, während sie sie als vorgeblich europäische „Werte“ legitimieren, die notwendigerweise progressiv, sogar universell seien. Die EWG, zur EU geworden, explizit mit ihrem Namen zu bezeichnen bedeutet, sie als eine soziopolitische, institutionelle „historische Konstruktion“ zu behandeln, die überwunden werden kann, und es damit abzulehnen, die anderen geopolitischen Realitäten zu verbergen, die den Kontinent geformt und gespalten haben. Es bedeutet die Genese und den Kontext eines sich entwickelnden Projekts zu betonen, seine Betreiber zu bezeichnen, die Krisen zu analysieren, die zu den unvorhergesehenen institutionellen Veränderungen geführt haben, und die Widersprüche offenzulegen. Aber auch mit den betroffenen Bevölkerungen die Illusionen und Hoffnungen zu analysieren, die mit diesen Projekten verbunden und hier und dort oder in verschiedenen vergangenen Phasen nicht dieselben sind. Es bedeutet, die Unschärfe der politischen Debatten zu betonen, die der Bezeichnung „Europa“ zugrunde liegen, apologetisch oder, schlimmer, arrogant und dominierend – wie die USA, wenn sie sich „Amerika“ nennen.
Die Ablehnung der naiven und apologetischen Positionen zur EU bedeutet nicht, dass wir stattdessen Analysen akzeptieren, die die konfliktträchtige Diversität der „bürgerlichen“ Projekte und ihrer Widersprüche verdunkeln.
Errichtet während des Kalten Krieges ist die EWG das Objekt unterschiedlicher Standpunkte seitens der führenden Kräfte der betreffenden Länder gewesen, und im Konflikt mit anderen, ebenso kapitalistischen Projekten (wie der von den USA unterstützten Europäischen Freihandelsassoziation EFTA). Ein Verständnis dieser „Konstruktion“, mit ihren Kontinuitäten und Diskontinuitäten, ergibt sich nicht einfach aus einer Lektüre der Verträge. Der Freihandel wurde in den Römischen Verträgen als ein Ziel bezeichnet (und die USA, die dominierende industrielle Macht, drängten in diese Richtung). Doch während des Nachkriegsbooms wurde die EWG von einer Politik dominiert, die der Staatsintervention und der Bankenfinanzierung eine vorherrschende Rolle zuwies (besonders in Frankreich und Westdeutschland). Aber sie stabilisierte sich nie als ein einmütiges Projekt zwischen verschiedenen nationalen Bourgeoisien: Es konsolidierte sich kein Konsens bezüglich der Rolle der nationalen Regierungen, Märkte und supranationalen Institutionen oder bezüglich der Beziehungen zu den USA, zur UdSSR und später zum postsowjetischen Russland. Sie ist nie (auch nicht, als sie die EU wurde) ein bloßes Freihandelsabkommen gewesen wie das NAFTA (das weder ein „Budget“ noch ein Parlament, noch politische Prätentionen hat). Der freie Kapitalverkehr wurde durch Austauschkontrollen verboten – bis zur Einheitsakte von 1986, die diese Kontrollen abbaute (nach der neoliberalen Wende der Sozialistischen Partei in Frankreich). Der freie Kapitalverkehr in der EWG, in Kraft seit 1990, war eine wesentliche institutionelle und ökonomische Wende, die das Europäische Währungssystem schwächte, das auf dem Ecu und den nationalen Währungen basierte, und den „großen Markt“ von Kapital, Waren und Arbeitskräften errichtete, der die EU kennzeichnet. Letztere war damit vollständig Teil der neoliberalen Globalisierung.
Nachdem die meisten EFTA-Länder (mit unterschiedlichen Profilen einige der reichsten Länder Europas) der EWG beitraten und diese sich den ärmeren südlichen Ländern öffnete, die aus den Diktaturen in der Endphase des Kalten Krieges hervorgingen, wurde die EWG das Schwerkraftzentrum des „europäischen Aufbaus“ in der kapitalistischen und imperialistischen Welt, ohne ein bloßes Instrument der USA in Europa zu sein. Auch beinhaltete sie keine Übereinstimmung der Mitgliedstaaten bezüglich der NATO (insbesondere innerhalb eines der Gründungsmitglieder).
Um für eine wachsende Anzahl von mit einer starken historischen Realität versehenen Ländern für ihr institutionelles System attraktiv zu sein, sah sie sich gezwungen, „föderale“ Dimensionen und eine sehr starke zwischenstaatliche Realität zu kombinieren. Auf dieselbe Weise bildete die Einführung von Haushaltsmitteln zur Umverteilung und eines Parlaments mit beschränkten Vollmachten (aber gewählt durch allgemeines Wahlrecht) seit 1979 einen Teil der Argumente, die den Bevölkerungen vorgelegt wurden, die per Referenden über den Beitritt ihrer Länder zu entscheiden hatten. Es war nicht ein „deutsches Europa“. Es war der französisch-deutsche Kern, der eine politische Schlüsselrolle in seinen verschiedenen Phasen, von der Nachkriegszeit bis zur Zeit nach der deutschen Vereinigung, mittels der Einheitsakte und der Maastricht-Verhandlungen spielte.
Nichts von alldem macht dies zu einem egalitären demokratischen System, das nahe bei den Menschen ist: Es handelt stets noch als ein Projekt der herrschenden Kräfte und Klassen. Aber im Kontext des Kalten Krieges stellten die anerkannten Rechte und Prinzipien – die als „Nebelbomben“ bezeichnet werden könnten, um die Erweiterungen zu legitimieren und zu ermöglichen – nichtsdestoweniger auch eine „politische“ Dimension und die Quelle mancher Schwierigkeiten dar. Für die Finanzlobbys und alle Kräfte des Neoliberalismus wurden diese Züge zunehmend umgangen und/oder in Frage gestellt, sodass das System zunehmend auf „ordoliberaler“ Basis organisiert wird, die den Rahmen für eine Freihandelszone bildet, die die Regierungen der Union unter allen Labeln unterstützt haben.
Die Kluft zwischen den Prinzipien oder Diskursen (egalitär und demokratisch) und der Realität bildet einen Teil dessen, was allen parlamentarischen „repräsentativen“ Systemen gemeinsam ist, die auf der kapitalistischen Marktwirtschaft beruhen – was ihre gegenwärtige Legitimitätskrise erklärt, in einem Kontext, in dem ihre antisoziale und somit antidemokratische Tendenz überall als Tatsache anerkannt wird. Dies ist damit auch nicht nur eine EU-Realität. Und es ist auch nicht offensichtlich, dass diese Tendenz im französischen Nationalstaat weniger stark ist als in den europäischen Institutionen oder dass die französische Regierung nur unter dem Druck der europäischen Vorschriften handelt. Jeder progressive Kampf muss an zwei Fronten geführt werden, an der nationalen und an der europäischen Front.
Es waren „große Krisen“ und nicht ein vorweg etabliertes unzweideutiges Projekt, die die bedeutendsten Veränderungen des europäischen Aufbaus angeschoben haben – offensichtlich alle beschlossen von den dominierenden sozialen und politischen Kräften und „von oben“, aber ohne eine vereinheitlichte „bürgerliche“ Vision.
Es waren somit internationale Währungskrisen, die 1979 zu der Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS) um den Ecu, dann zur Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) um den Euro nach den Maastricht-Abkommen 1992 führten. Auf einer anderen Ebene war es die Jugoslawien-Krise der 90er Jahre parallel zum Auseinanderfallen der UdSSR, die die Errichtung eines euro-atlantischen „Managements“ des Balkans begünstigte, was die Bewahrung und Neuformierung der NATO in Europa nach der Auflösung des Warschauer Pakts und dem Ende des Kalten Krieges erlaubte.
Die „Systemkrise“ der Transformation der osteuropäischen Systeme entfaltete sich unter dem Druck der Mitgliedsstandards und -kriterien, die von der EU den Ländern auferlegt wurden, die sich in ihrem Orbit befanden. Die soziale Verheerung, die für die große Mehrheit der Menschen in diesen Ländern katastrophal war, wurde begleitet von einer finanziellen, monetären und Handelsintegration in die EU, die vollständig spezifisch war – mehrere Länder waren dabei obendrein Nachschubbasen für deutsche Industrie- und Exportstrategien. Beim Fehlen eines Kapitalmarkts und ohne eine vorherige kapitalistische Akkumulation wurde die Privatisierung der Banken, im Kontext der globalen Finanzliberalisierung, einer radikalen „peripherischen“ Integration in die westeuropäischen Großbanken unterworfen – angeblich ein stabilisierender Einfluss bis zur Krise von 2008/2009, die Osteuropa ernster traf als das alte Europa.
Die Bevölkerungen Osteuropas wurden ausgebeutet, um eine radikale Politik des sozialen und Steuerdumpings in kontinentalem Maßstab zu etablieren: Die „Konvergenz“ zwischen dem alten und dem neuen Europa fand auf den Grundlagen statt, bei denen die einzigen Gewinner die Minderheiten an der Spitze all dieser Länder, ohne demokratische Legitimierung, waren, die die EU-Mitgliedschaft als ein Ersatz„programm“ anstrebten, weil die EU doch eine gewisse, wenngleich illusorische, Anziehungskraft hatte.
Die Union wurde jedenfalls auf der Grundlage eines Diskurses erweitert, der die Stabilisierung und Befriedung des Kontinents behauptete. Aber die neoliberale Wende war bei jedem sozialen und politischen Zusammenhalt organisch widersprüchlich, auf interner wie auf internationaler Ebene. Die EU wurde (ohne Abstimmung in ihren Parlamenten) in den ersten NATO-Krieg auf dem Kontinent (1999 im Kosovo) hineingezogen und war unfähig, positiv auf die Wurzeln der Kriege, an denen sie unter verschiedenen Formen beteiligt war, einzuwirken. Sie war gleichermaßen unfähig, zur sozialen Wohlfahrt der großen Masse der Bevölkerung beizutragen, als sie für die Zerstörung der alten sozialen Netze und die wachsende Ungleichheit mitverantwortlich war. Und sie war auch unfähig, den Flüchtlingen und der Arbeitsmigration ein Willkommen zu bieten, als der „freie Verkehr von Arbeitskräften“ (im Osten) als eine Antwort auf die große Armut und (im Westen) als „Raub“ von Jobs und Ressourcen, die zunehmend prekär geworden sind, erfahren wurde.
Eine soziologische Analyse der Brexit-Stimmen illustriert diese Realitäten. Die EU propagiert einen „egalitären“ Diskurs, der in der Ideologie und den Mechanismen des „Freihandels“ verankert ist: Unter dem Vorwand der Geschlechtergleichheit oder des Rechts polnischer Lohnabhängiger auf einen Arbeitsplatz in Großbritannien sind viele Schutzbestimmungen und Rechte abgeschafft worden. Der Wettbewerb erlaubt, jede und jeden auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu reduzieren. Gleichzeitig wird die EU von extrem rechten atheistischen oder religiösen Kräften als „dekadent“ stigmatisiert wegen der Rechte, die sie effektiv anerkennt. Aus der Perspektive der Länder, in denen sich die herrschenden Kräfte nicht um soziale Rechte scheren, kann die EU auch als eine „Beschützerin“ erscheinen. Auf dieselbe Weise wurden die französischen Behörden von den europäischen Gerichtshöfen zu Recht wegen ihrer Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten und die skandalösen Verhältnisse in den französischen Gefängnissen verurteilt.
Kurz, je nach der unmittelbaren Frage oder dem Land, aus dessen Perspektive die EU betrachtet wird, kann sie als ein Rahmen für den Kampf gegen den ungezügelten Kapitalismus gesehen werden oder als ein Werkzeug der Zerstörung prekärer sozialer Netze; sie kann unterstützt werden als Trägerin feministischer, antirassistischer und antihomophober Werte, während zunehmend prekäre Beschäftigung beträchtlich auf Frauen und ethnischen Minderheiten lastet: Die Gleichheit der Rechte, die die EU verteidigt, ist die des Fuchses und der Hühner, wenn der Hühnerstall abgerissen wird.
In anderen Worten, es ist gleichermaßen falsch, eine apologetische und unehrliche Version der „Werte“ der EU zu präsentieren oder ihre Widersprüche zu unterschätzen. Und weit davon entfernt, die „proeuropäischen“ Hoffnungen von Bevölkerungen in Vergangenheit und Gegenwart abzuwerten und zu verbergen, ist es erforderlich, sie gegen die Realität der EU zugunsten von progressiven alternativen Projekten in Stellung zu bringen.
Der unpassende Gebrauch des Wortes „Europa“ behindert auch den Kampf gegen das, was die EU wirklich ist, sowie die Klärung dessen, wofür wir kämpfen.
Das Motto „für ein anderes Europa“ kann auf verschiedene Logiken hinauslaufen, die es abzuklären gilt. Es kann sich dabei zum einen um kleinere Veränderungen handeln, ohne dass die wesentlichen antisozialen und antidemokratischen Dimensionen der EU in Frage gestellt werden; zum anderen um ein Set von nationalistischen und fremdenfeindlichen reaktionären Maßnahmen oder aber drittens um fortschrittliche Zielsetzungen, die sich im Gegensatz zu den gegenwärtigen Verträgen und Institutionen der EU befinden und die gegen die Vermarktung und Privatisierung der Gemeingüter die egalitären Rechte und die Umwelt verteidigen.
Wir müssen jedes Bündnis auf der oberflächlichen „Anti-EU“-Ebene mit fremdenfeindlichen und rassistischen Strömungen ablehnen; es stünde in organischem Widerspruch zu jeder fortschrittlichen Kohärenz in den nationalen Kämpfen selbst: Wir müssen uns von den Strömungen der extremen Rechten sowohl hinsichtlich der Bedeutung der „Nation“ wie vor allem im Hinblick auf die Zielsetzung eines solidarischen und egalitären „anderen Europas“ abheben. Dabei ist es wichtig, die falschen Alternativen zwischen nationalen und europäischen Kämpfen zurückzuweisen und die Verteidigung nationaler Rechte (vor allem in einer freien Union) vom fremdenfeindlichen Nationalismus zu unterscheiden. Diese Diskussion ist nötig, denn in der Debatte über einen „Plan B“ sind auch radikale Linien eines „Exit“ um jeden Preis aufgetaucht. Eine rote Linie der Annäherung an den Front National wurde von Jacques Sapir [2] oder Jacques Nikonoff [3] überschritten. Dabei gibt es hier keine Zwangsläufigkeit. [4] Wir müssen die Diskussion auch darauf lenken, was der Inhalt einer „Souveränität des einfachen Volkes“ sein könnte: Die Verteidigung und Errichtung einer Kontrolle der Entscheidungen durch die verschiedenen Völker der Union auf demokratischer und egalitärer Basis kann nicht mit einem etatistischen und rassistischen Souveränismus in Übereinstimmung gebracht werden; Verteidigung und Kontrolle könnten auf den verschiedenen Ebene umgesetzt werden (nicht nur der „nationalen“).
Natürlich müssen wir die dritte Variante eines „anderen Europas“ gegenüber den Verträgen der EU verteidigen – die sich von der ersten Variante unterscheidet, ja gegen sie steht, die ja nur zweitrangige Änderungen vornehmen möchte, um zu einer „guten EU“ zu gelangen. Doch man kann die Kräfte, die bewusst an einer Politik des Sozialabbaus arbeiten, nicht mit jenen Strömungen und Menschen in einen Topf werfen, die die vorherrschende Politik kritisieren und dabei die Hoffnung haben, dass grundlegende „Reformen“ der EU möglich sind. Man muss also genauer bestimmen, worüber die Diskussion wirklich geht.
Die Behauptung, die „EU ist unreformierbar“, ist einerseits richtig und zugleich Quelle von vielen falschen und schlechten Debatten. Sie ist richtig, als die Missetaten der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) – also die Entscheidungen, die bei der Errichtung der EU getroffen worden sind – keinen Zufall darstellen (und nicht auf einfachen Irrtümern beruhen). Daraus lässt sich aber nicht die Schlussfolgerung ableiten, es gäbe kein Interesse an Kämpfen für „Reformen“ im Sinne von konkreten Zielen oder beschränkten Maßnahmen, die im Rahmen der EU selbst vorgetragen werden und verschiedenen Logiken folgen können. Menschen und politische Kräfte, Vereinigungen, Gewerkschaften usw. können sich mit unterschiedlichen Vorstellungen im Hinblick auf die Möglichkeit, die bestehenden Institutionen oder Systeme zu „reformieren“ (oder sogar in Hoffnungen, sie gegen vermeintlich Schlechteres „retten“ zu wollen) in Kämpfen gegen die vorherrschende Politik engagieren. Noch nie wurden Revolutionen mit der Forderung nach „Revolution“ gemacht, sondern auf der Grundlage konkreter Forderungen und Kämpfe im „System“ gegen seine Mechanismen und Auswirkungen. Man weiß niemals im vornherein, durch welches Szenario (und mit wem) ein Kampf im System sich in einen gegen das System verwandelt (was man bisweilen als „Übergangslogik“ bezeichnet, wodurch die Brücke zwischen Reformen und Systemveränderung geschaffen wird). Wenn ein legitimer Kampf durch die herrschenden Institutionen und Kräfte im Namen dieses „Systems“ blockiert und unterdrückt wird, dann kann man kapitulieren oder aber die Auseinandersetzung weiter treiben. Nichts ist von vornherein festgelegt.
Diese Aussagen bedeuten natürlich nicht, dass die „antikapitalistischen (oder gegen die EU gerichteten) Analysen und Propaganda nichts nützen. Sie sind sehr wichtig. Doch sie gehören niemandem auf exklusive Weise, und die Menschen, die sie entwickeln, müssen ihre Fähigkeit zeigen, zu überzeugen und/oder sich der demokratischen Diskussion stellen, wobei sie ggf. von anderen lernen können. Es ist nicht notwendig, eine „klare“ Vorstellung von der EU und von einem „anderen Europa“ zu haben, um sich in fortschrittliche und egalitäre Kämpfe einzubringen und zu sehen, dass sie sich auf allen Ebenen im Konflikt mit der herrschenden Politik und den Institutionen, auch und gerade der EU, befinden.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, einen alternativen und pluralistischen europäischen Hegemonie-Block aufzubauen, eine Art aufrechtes Europa (Europe Debout), wie es auf embryonale Weise in den Treffen von „Nuit Debout!“ (auf der Place de La République in Paris und in anderen Städten, Anm. d. Übers.) in Frankreich mit zahlreichen Beziehungen in die Provinz und thematischen Netzwerken aufgetaucht ist. Konferenzen und das Internet können beim Aufbau helfen. Ein solcher Raum und die gesellschaftspolitische Bewegung müssten, wie die Treffen von „Nuit Debout!“, gleichzeitig für fremdenfeindliche Strömungen oder für die Verteidiger des „Arbeitsgesetzes“ verschlossen, aber auf der Grundlage wesentlich egalitärer und demokratischer Prinzipien und Zielsetzungen pluralistisch und für alle Übrigen zugänglich sein. Dort wurden „Misstrauenserklärungen“ gegen die in der EU auf sozialer Ebene wie bei den Geflüchteten vorherrschende Politik abgegeben. Der offene Charakter der Diskussionen, über „welches andere Europa“ und wie man dorthin gelangt, muss sich auf das Prinzip stützen, dass eine neue Union aus einem demokratischen, konstitutiven Prozess hervorgehen müsste.
Die Krisenszenarios und die kommenden Mobilisierungen, die es ermöglichen werden, zu einem anderen Europa zu kommen, können nicht vorhergesehen werden. Sie werden mit Krisen in einem oder mehreren Ländern und/oder der EU verbunden sein. Sie werden umso fortschrittlicher und egalitärer sein, sofern sie von einem „Europe Debout“ von unten vorbereitet werden und das aufnehmen, was bereits existiert. Die Debatten müssen das falsche Dilemma überwinden: Nationalismus oder europäischer Föderalismus – zugunsten der Suche nach einem Weg, der sowohl nationale wie europäische Rechte umfasst, wobei auf allen Ebenen eine egalitäre und ökologische Politik verteidigt werden muss; dabei muss man je nach Thema dem demokratischen Prinzip der Subsidiarität folgen. [5]
Dabei muss man eine strategische Debatte führen: Ist ein Austritt aus dem Euro die Vorbedingung für fortschrittliche Kämpfe?
Seit langem wird von vielen WirtschaftswissenschaftlerInnen gesagt, dass die WWU wegen ihrer Heterogenität keine „optimale Währungszone“ darstellt und eine Einheitswährung, wenn sie nicht von einem großen Haushalt ergänzt wird, im Rahmen einer kapitalistischen Marktwirtschaft die Unterschiede vergrößert. Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der radikalen Linken betreffen nicht diesen Punkt. Und die Idee, dass man ein anderes System bräuchte (also aus dem bestehenden „austreten“ müsste), findet weitgehend Zustimmung. Doch dies sagt nichts über das wie noch das wohin eines Austritts.
Die Meinungsverschiedenheiten betreffen auch nicht die in sozialer und ökologischer Hinsicht desaströse Bilanz der EU, noch die Tatsache, dass die Währungspolitik und die Einheitswährung die Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedsstaaten vergrößert haben, ohne sie vor Spekulation zu schützen – weil die Märkte sich in einem unsolidarischen System zwar nicht der Wechselkurse (denn solche gibt es im Eurosystem nicht mehr), aber der Budget- und Handelsdefizite der schwächsten Länder bemächtigt haben.
Die wirklichen Debatten beziehen sich auf eine Reihe von Entscheidungen im Hinblick auf mögliche Wege und Optionen, die man wie folgt zusammenfassen kann:
Das erste Diskussionsfeld bezieht sich natürlich auf die Frage einer Rückkehr zu nationalen Währungen im Rahmen der WWU. Ist sie eine Vorbedingung, um wirksame fortschrittliche soziale, demokratische und ökologische Kämpfe führen zu können? Die Analysen, die dies bestreiten, tun dies entweder, weil sie die erstrangige Bedeutung der Währung bestreiten – und damit die Idee, dass eine Änderung der Währung mobilisieren und Vorbedingung für Kämpfe sein kann –, oder aber weil ihnen eine Rückkehr zu nationalen Währungen im gegenwärtigen europäischen Kontext als problematisch erscheint. Man muss also über ein anderes europäisches Währungssystem nachdenken, das eines „anderen Europas“. Hinzu treten die Diskussionen über die Funktionsweise dieses anderen Systems, teilweise wegen des Scheiterns des vorherigen Systems (EWS), das auf der gemeinsamen Verrechnungseinheit ECU und den nationalen Währungen beruhte, aber auch wegen der unterschiedlichen Sichtweisen, was die gemeinsamen europäischen konföderativen oder föderativen Institutionen sein sollten.
Das zweite Diskussionsfeld betrifft die Strategie, wie man von der WWU und EU zum angestrebten Ziel gelangt. Offensichtlich ist es so, dass, wenn man glaubt, eine europäische Vergemeinschaftung in Klammern setzen zu müssen, um den heilsamen Charakter einer Rückkehr zu nationalen Währungen zu würdigen, ja zu behaupten, dies sei eine Vorbedingung für jeden fortschrittlichen Kampf, man eine Parole der Strategie eines Austritts um jeden Preis und überall aus WWU und EU verkünden muss – wobei sich dann möglicherweise Divergenzen hinsichtlich der „Bündnisse“ ergeben.
Wenn man aber glaubt, dass man ein „anderes Europa“ anstreben sollte, das mit einem ad-hoc-Währungssystem ausgestattet wäre, das eine europäische Währung mit einem Konzept des Einsatzes von nationalen Währungen verbände, dann wäre die Notwendigkeit einer gemeinsamen Strategie unabdingbar. Natürlich würde die Diskrepanz zwischen den Kämpfen in den verschiedenen Ländern eher in Richtung eines einseitigen Austritts aus dem gegenwärtigen System als zu einem Verbleib in der WWU drängen (diese Frage stellt sich besonders für Griechenland). Aber im Rahmen einer kollektiven Strategie sind die Optionen Austritt oder Verbleib ohne Unterwerfung Varianten einer Logik, die in jedem Fall die nationalen Kämpfe (so weitreichend wie möglich bei der Befriedigung eines gegen die Austerität gerichteten Programms und der eingeforderten Rechte) mit dem Ziel, das kollektive Gewicht in die Krise oder in eine Blockade der EU einzubringen, verbinden muss. Dies führt uns zur Suche nach gemeinsamen Kämpfen in so vielen Ländern wie möglich, sowie zu bedeutenden Umgruppierungen. Alle Debatten über die Taktik sind natürlich legitim und müssen in den Bedingungen der Kämpfe im jeweiligen Land verankert sein, die sich natürlich von Land zu Land unterscheiden und die von den Beteiligten im jeweiligen Land mit all den Besonderheiten artikuliert werden.
Jedenfalls stellt die Isolierung der Währung (des Euro) vom ihn umgebenden System einen theoretischen und praktischen Irrtum dar. Nicht weil die Währung „neutral“ wäre – das ist sie ganz und gar nicht. In ihr kondensieren sich zahlreiche gesellschaftliche und Machtbeziehungen. Doch genau diese muss man herausarbeiten. Und es ist keineswegs klar, dass im Rahmen der gegenwärtigen gesellschaftlichen Instabilität und der Unruhen die wichtigsten und mobilisierenden Themen die der Währung sein werden. Im Rahmen der gesellschaftlichen, ökologischen und systemischen Krise und einer sehr starken Ungleichheit müssen die Reflexionen über andere, grundlegende gesellschaftliche Veränderungen auch die Debatten erweitern, die zu sehr auf den Bereich der kapitalistischen Marktwirtschaft beschränkt sind.
Müssten europäische „Strukturfonds“ (der Planung) für Investitionen nicht am produktiven Abbau von Ungleichheiten arbeiten, wobei beispielsweise gesellschaftliche Zielsetzungen, neue öffentliche Dienstleistungen und ein „ökologischer Übergang“ etwa im Bereich der Transporte angestrebt würden? Müssten ein soziales und egalitäres (also sozialistisches) Europa oder ein „Europe Debout“ nicht auf demokratische Weise Regeln erarbeiten, um den Abstand bei den Einkommen zu begrenzen und die Verteidigung und Ausweitung der nicht über den Markt laufenden öffentlichen Dienstleistungen zu organisieren, die auf solidarische Weise in ganz Europa voranzutreiben wären?
Die Debatte über eine Kontrolle der Steuerparadiese und der freien Bewegung des Kapitals, oder die über die Vergesellschaftung „systemischer“ Banken, die Entwicklung von vergesellschafteten Bankpolen, der Schutz der Einlagen der Haushalte und die Rückkehr zu einer öffentlichen Finanzierung der öffentlichen Ausgaben (über Steuern) – sind sie auf europäischer Ebene nicht prioritär? [6]
Und ist es nicht dringend geboten, die Reflexionen, die während der griechischen Krise über die „Eurodrachme“ als „Sauerstoffballon gegen den Euro“ ohne Verlassen der WWU entstanden sind, allgemein zugänglich zu machen? [7] Man muss sie weiterführen und damit die Privatisierungen von öffentlichem Eigentum in der EU kritisieren, indem man auf die „Fiskalgelder“ zurückkommt, die den Inhalt der öffentlichen Schulden verändern könnten. [8]
Diese dringenden und ernsthaften Diskussionen (neben anderen) haben erhebliche Konsequenzen hinsichtlich der Art und Weise, wie man ein Verlassen des „Euro-Systems“ (und nicht des Euro) sich vorstellen kann – also einen anderen Gebrauch des Euro, was die Funktionen und das Statut der EZB in Frage stellt, aber auch die Fiskal- und Haushaltspolitik in der EU. Es handelt sich dabei nicht um die gleiche Debatte wie wir sie angesichts der einheitlichen Akte 1985 über eine gemeinsame oder Einheitswährung hatten (damals im Rahmen des EWS, das seit 1979 existierte, und das auf nationalen Währungen, der Kontrolle des Kapitalverkehrs und dem ECU beruhte). [9] Seitdem hat es die Krise des EWS nach der deutschen Vereinigung und die Flucht nach vorne in den Euro, die Erweiterung der EU auf Osteuropa, die Krise von 2007/08, die sich bis 2009 hinzog, gegeben. Und weitere Krisen zeichnen sich ab, die eine scheinbar beendete Debatte neuerlich eröffnen könnten.
Die Bankenkrise von 2008/09 hat den Diskurs und das „Paradigma“ der Finanzinstitutionen hinsichtlich einer „Tugend“ der Integration der Banken der neuen peripheren Mitgliedsstaaten verändert: Die dortigen Aktiva der Banken stammen vor allem von westeuropäischen Banken, was vor der Krise als „Sicherheit“ und Bedingung für eine nachholende Entwicklung hingestellt wurde. Und dies zählt (weit mehr als der Euro) hinsichtlich des Kreditangebots und der -nachfrage, was vor 2008 zu einem starken Wachstum geführt hatte. Seit der Krise spricht man nicht mehr vom Aufholen: Nun wird die Austeritätspolitik umgesetzt und in aller Eile musste man die „Wiener Initiative“ als Sicherheitsvorgabe errichten, die Vorgaben für alle europäischen und weltweit agierenden Großbanken macht. Damit sollte eine desaströse Kapitalflucht der jeweiligen Filialen aus mehreren Ländern Ost- und Südosteuropas verhindert werden. Diese „Initiative“ sollte als einmalig gelten, doch sie musste 2012 angesichts der Instabilität und den fortwirkenden Gefahren wieder aufgegriffen werden und wird bis heute angewandt. [10] In der ganzen Union sind neue Bank- und Finanzkrisen möglich, so fragil wie die Banken sind, wobei überall die Aktiva der Banken und die jeweiligen staatlichen und europäischen Politiken ineinandergreifen.
Es wäre verrückt, würde die europäische radikale Linke eine Geld- und Bankenpolitik nach der Logik „jeder für sich“ vertreten, statt nach fortschrittlichen und solidarischen Mitteln zu suchen, um mögliche Krisen zu bekämpfen. Dies ist angesichts der falschen Politik und den „Hilfs“-mechanismen sowie der Kontrolle der Banken in Vergangenheit und Gegenwart durch IWF und die Institutionen der EU dringend. Denn sie sind Instrumente, die neue soziale Opfer, verheerende Reformen und eine Politik von „Strukturanpassungen“ durchsetzen möchten, so wie dies der IWF überall im Gegenzug für seine „Hilfen“ getan hat.
Wir können heute wiederholen, was für Griechenland 2015 schon galt: Die Weigerung, der Troika zu gehorchen und eine illegitime Schuld zu bezahlen „bedeutet, sich gegen die Erpressungen durch die Eurogruppe mit Hilfe von unilateralen Maßnahmen zu schützen, wie dies in Griechenland auch vorgeschlagen, aber nicht in die Tat umgesetzt wurde (oder zu spät und unter schwierigsten Bedingungen): Kontrolle der Banken und des Kapitalverkehrs, Vorbereitung einer Parallelwährung, und vor allem Beendigung der Schuldenrückzahlung. Die Vorschläge für eine ‚Fiskalwährung‘, die die Abhängigkeit vom Euro und dem Weltmarkt begrenzte, können zu einer alternativen Konzeption eines europäischen Währungssystems, in dem die Funktionen des Euro umgestellt würden, führen, sie können aber auch vorläufige Formen des Widerstandes sein.“ [11]
Wir möchten in diesem Geist auf die Vorschläge von Frédéric Lordon [12] von 2013 verweisen, die er im Hinblick auf „Fiskalwährungen“ in der Art der oben erwähnten Eurodrachme gemacht hat (ohne dass er diesen Begriff gebraucht hat). [13] Noch weit entfernt von seinen späteren Polemiken gegen den „guten Euro“, schlug er einen radikal in seinen Funktionen umgebauten Euro vor, der eine gemeinsame Währung werden sollte – ohne wieder nationale Währungen einzuführen und unter Beibehaltung der Zentralbank EZB, deren Statut natürlich verändert würde.
Wir machen uns die Mühe, ihn zu zitieren:
„Zwischen der unmöglichen Einheitswährung und den nationalen Währungen im EWS erneuert die gemeinsame Währung die Möglichkeit einer Anpassung der Wechselkurse (die durch den Aufbau der Einheitswährung ausgeschlossen wird). Sie vermeidet dadurch die Instabilität eines Systems getrennter nationaler Währungen. Aber eben nicht in irgendeiner Konfiguration. Denn die gemeinsame Währung bewirkt all ihre Vorteile in einer Architektur, die eine europäische Währung einführt (den Euro), aber nationale Benennungen bestehen lässt – so würde es einen €-FR, eine €-Lira, ja wohl sogar eine €-DM usw. geben (…) Der strategische Punkt ist folgender: 1. Die nationalen Benennungen sind natürlich untereinander konvertibel, aber nur an den Schaltern der Europäischen Zentralbank (…), die als eine Art Wechselbüro funktionierte. Folglich ist der direkte Tausch zwischen Privateigentümern untersagt und innerhalb Europas gibt es keine Geldwechselmärkte; 2. Die fixen Paritäten der nationalen Benennungen im Verhältnis zum Euro (somit die Wechselkurse der nationalen Benennungen untereinander) können angepasst werden, jedoch in politischen Prozessen, die den (destabilisierenden) Einflüssen der Geldmärkte völlig entzogen sind, denn diese sind ja aus dem Innern der Zone verbannt.
Diese komplementären Vorgaben führen gewissermaßen zum Besten aus beiden Welten. Die gemeinsame Währung hat dieselbe Funktion wie die Einheitswährung, nämlich das Verhältnis zwischen dem Innen und dem Außen der Zone abzubilden und dabei die nationalen Benennungen vor den internationalen (außereuropäischen) Geldmärkten zu schützen. Die Konvertibilität ‚am Bankschalter‘ (der EZB zu einem festgelegten Kurs) der nationalen Benennungen geht mit der Beseitigung der innereuropäischen Geldmärkte einher, woraus sich eine interne Stabilisierung der Währung ergibt, die der der Einheitswährung entspricht. Doch im großen Unterschied zur Einheitswährung bietet das System der gemeinsamen Währung mit nationalen Benennungen Möglichkeiten der Änderung der innereuropäischen Wechselkurse, die durch die Konstruktion des gegenwärtigen Euro ausgeschlossen sind, … und dies im Unterschied zu einem erneuerten EWS, bei einem im Innern gänzlich stabilen Währungsumfeld.“
War also Frédéric Lordon damals Anhänger eines „anderen Europas“? Diese Diskussion muss im Rahmen der europäischen strategischen Diskussionen nach dem Brexit wieder aufgenommen, seriös weiterentwickelt und mit den Beiträgen zu nationalen Fiskalwährungen verbunden werden.
Im zitierten Artikel sieht Frédéric Lordon im deutschen Trauma der Hyperinflation nach den beiden Weltkriegen den wichtigsten Grund für die Rigidität und Ungleichgewichte des Euro-Systems. Und er glaubt, dass Deutschland aus einem System wie gerade beschrieben aussteigen würde.
Er hat Recht und Unrecht zugleich. Unrecht in seinem Pessimismus, Deutschland betreffend. Recht, diese konkrete und historische Frage aufzuwerfen, die sicherlich in den Verhandlungen von Maastricht und den angenommenen Kriterien eine große Rolle spielte, wie ich im Übrigen ebenfalls betont habe. Warum sollte man aber nicht annehmen, dass die gegenwärtige Instabilität der WWU und der EU auch und gerade in Deutschland zu Diskussionen führen kann, die nur scheinbar unmöglich sind, weil dort die Verankerung in Europa als strategisch angesehen wird (auch über die vorherrschenden Positionen hinaus).
Doch die Vorstellungen von Frédéric Lordon würden besser auf die Ängste um eine instabile Währung (wie sie gerade auch die Bundesbank äußert) antworten als das gegenwärtige System, wenn sie auf kooperative und egalitäre Weise umgesetzt würden: Sie ermöglichten auch einen Schutz des europäischen Währungssystems gegen die Spekulationen der internationalen Finanzmärkte, der besser wäre als der des früheren EWS.
Andererseits haben die Maastricht-Kriterien bezüglich der (erlaubten) Budget-Defizite nichts „Wissenschaftliches“. Sie drücken das Misstrauen der deutschen Unterhändler gegen die „laxe Budget-Politik“ des „Club Med“, also der südlichen Länder aus. Doch einerseits war dies mit einer expliziten Klausel in den europäischen Verträgen verbunden, die die kolossalen Transfers von Steuergeldern wegen der deutschen Vereinigung als Ausnahme genehmigte. Unter dem Vorzeichen eines „anderen Europa“ der Kritik der EU kann uns nichts an einer Kritik dieser Kriterien hindern, die Deutschland (wie Frankreich) im Übrigen selbst nicht eingehalten hat; ohne dass wir die Bedeutung gemeinsamer Regeln abstreiten. Doch diese können nicht respektiert werden, wenn sie von Fall zu Fall gebrochen werden, also nicht für alle gleich und nicht wirklich „gemeinsam“ sind – insbesondere, wenn ihre Wirksamkeit nicht bewiesen werden kann. Eine Abschaffung dieser Regeln, aber auch der europäischen Mechanismen, die die öffentliche Verschuldung ausgeweitet haben, wäre im Rahmen neuer Krisen jedenfalls wirksamer. Eine alternative europäische Linke müsste in diesem Sinn tätig werden.
Von größter Wichtigkeit ist jedoch die Debatte über eine andere Logik in den wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen in Europa. Sie bezieht sich auch, wenn nicht sogar zuvörderst, auf die sozialen Bedingungen und den Transfer von Eigentum, die die deutsche Einheit und die Transformation der Systeme in Osteuropa mit sich gebracht haben. Diese Bilanz kann zusammen mit der betroffenen Bevölkerung gezogen werden. Es waren die durch die (soziale und fiskale) Konkurrenz auf dem Rücken der Bevölkerung durchgesetzten Spaltungen, die verhindern, dass die gemeinsamen Interessen gesehen werden. Dies wird durch das Fehlen von „sozialen Bewegungen“ und eines europäischen politischen Raumes verstärkt, in dem man problemlos diverse Streiks zusammenführen könnte, die sonst scheitern, weil sie vereinzelt bleiben.
Die große Masse der lohnabhängigen Bevölkerung gehörte zu den Verlierern, sowohl in Deutschland wie auch der neuen Peripherie, auch wenn die durchschnittlichen Abstände zwischen den Ländern groß bleiben. Es ist nicht der Euro, der zunächst in Frage steht. Es geht um den sozialen Krieg und die Abschaffung aller früheren Schutzbestimmungen in allen europäischen Ländern, wobei man sich auf die Konkurrenz zwischen den am wenigsten geschützten Menschen (im Osten) und den anderen verlässt – ob mit oder ohne Euro.
Die Hoffnung, ins „Europa der Reichen“ und wenn möglich ins Zentrum (die Eurozone, wo die großen Entscheidungen getroffen werden) zu gelangen, stellt ein grundlegend legitimes Verlangen dar, das man gegen die Institutionen sowie die herrschenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Mechanismen wenden muss, bevor man sie gegen den Euro wenden kann.
Wir können noch hinzufügen, dass wir die Bewegungsfreiheit der Arbeitenden und der Studierenden genauso verteidigen wie das Recht, im Heimatland ein Leben, eine Arbeit und gute Studien- und Forschungsbedingungen zu haben. Von dem sollten wir ausgehen und von der Art und Weise, wie ein „anderes“ – kooperative und solidarisches Europa alle diese Rechte schützen könnte.
Aus dem Brexit kann man unterschiedliche Orientierungen ableiten und behaupten oder bezweifeln, dass es sich um einen „historischen Schock“ handle; [14] man kann jedoch sicher sein, dass seine Zukunft von den Lehren abhängen wird, die von der alternativen Linken in Europa daraus gezogen werden.
Wenn die Orientierung auf einen „Lexit“ (einen Austritt von links) meint, dass man „überall für Volksabstimmungen wie in Großbritannien“ eintreten sollte, ohne dass der Inhalt dieses Lexit durch den Aufbau einer linken europäischen Alternative konkretisiert würde, dann verbliebe man in der Sackgasse und der Spaltung. Dann wäre man „unter sich“. Doch wir können auch die schlecht geführten fruchtlosen Debatten hinter uns lassen und von einer gemeinsamen Basis ausgehen, die sagt, dass alle fortschrittlichen und solidarischen Kämpfe die gegenwärtigen Verträge der EU in Frage stellen sollten.
In einem Beitrag auf einer Versammlung der griechischen Volkseinheit hat Stathis Kouvelakis aus dem Brexit eine erste Lehre gezogen, wonach „die Gegnerschaft zur EU sehr klar die strategische Frage des Kampfes für eine politische und ideologische Hegemonie im heutigen Europa aufwirft. Doch dann macht er weiter und sagt, „die Wahl steht heute nicht zwischen einer ,guten‘ und einer ,schlechten‘ EU, der einen oder anderen Version des Euro, wie die gescheiterte europäische Ideologie behauptet, sondern es geht um einen Konflikt der Linken und der Rechten mit der EU.
Doch diese Ausführungen sind alles andere als klar. Man kann mit Stathis Kouvelakis übereinstimmen, dass die „Gegnerschaft zur EU“ ein Schlüsselelement der strategischen Positionierung (in Verbindung mit dem Kampf um ideologische Hegemonie) sein muss, doch das Argument, alle Volksabstimmungen über die EU hätten diese und damit jede „europäische Ideologie“ abgelehnt, ist falsch. Einerseits behandelt er nicht die großen Unterschiede in den in diesen Referenden zum Ausdruck gebrachten Fragestellungen: Das OXI (in Griechenland) kritisierte die Politik der EU, lehnte sie jedoch nicht ab; unser linkes Nein (in Frankreich) gegen den Verfassungsvertrag der EU 2005 war von Prinzipien für ein anderes Europa begleitet; hingegen haben wir oben die armselige und problematische Fragestellung der Referenden in Großbritannien und den Niederlanden betont. Außerdem sollte man auch den Umfang der Enthaltungen betrachten, vor allem aber die Tatsache, dass das Misstrauen und die Ablehnung der gegenwärtigen Macht von Brüssel ganz und gar mit der Forderung nach einem „anderen Europa“ kompatibel sind, ein Europa der Völker und der Rechte, das gegen den autoritären Föderalismus stünde. Der Fall Schottland zeigt, das „das Zugehörigkeitsgefühl zu Europa“ (wenn man diesen Begriff offen interpretiert und ihn nicht auf Projekte der Finanzoligarchie reduziert) überhaupt nicht im Widerspruch zu einem starken Gefühl für die „Nation“ und deren Unabhängigkeit stehen muss.
Schließlich haben wir oben gezeigt, als wir den Text von F. Lordon zitiert haben, dass eine radikale Kritik der EU durchaus mit dem Ansatz eines anderen Gebrauchs des Euro und der EZB vereinbar ist – in neuen Verträgen würden die konkreten Bedingungen festgehalten. Es würde sich nicht um eine „gute EU“ handeln, sondern um eine andere Union, eine andere EZB, einen anderen Euro. Daher sollte dieses andere Europa auch einen anderen Namen annehmen als EU.
Wir möchten betonen, dass Frédéric Lordon, Stathis Kouvelakis und andere Mitglieder der radikalen Linken, die ihre Meinung teilen, voll und ganz akzeptieren, in eine gemeinsame Front mit dieser Opposition für ein anderes Europa gegen die EU einzutreten.
Das neue europäische Netzwerk, das sich um den Lexit-Aufruf geschart hat, scheint vom Brexit peinlich berührt zu sein und hat eine wirkliche Debatte eröffnet. [15] Die Hoffnung auf einen „paradoxen Effekt“ des Brexit, die in radikalem Gegensatz zur Hypothese vom Ende der „Europabegeisterung“ steht, zeigt sich in mehreren vor kurzem erschienenen Beiträgen. Bernard Cassen meint, dass eine Lektion des Brexit „sowohl für die Anhänger der einen oder anderen Form des Leave oder der Neugründung der EU“ gilt. Nachdem er auf die Boomerang-Effekte und Sackgasse des Brexit verwiesen hat, sagt er: „Eine Mehrheit der Wähler missbilligt die Politik (und einige von ihnen sogar die Existenz) der EU und des Euro, aber eine andere Mehrheit missbilligt diejenigen, die sie bekämpfen, ohne aber glaubhafte Alternativen formulieren zu können!“ „Der Weg ist also sehr eng“, fährt er fort, „für diejenigen, die glauben, dass ein anderes – solidarisches und fortschrittliches – Europa nicht unmöglich ist. Daher kann die Umsetzung eines Planes B – auch wenn sie von einer souveränen nationalen Entscheidung ausgelöst wurde – kaum der Frage von Bündnissen mit einer kritischen Masse von Kräften aus anderen europäischen Ländern, die die gleichen Zielsetzungen teilen“, ausweichen.
Dies erforderte einen Entwicklungssprung in der europäischen alternativen Linken und die Überwindung der Entweder-Oder-Ansätze (Bewegungen für nationale oder europäische Rechte; Unterordnung unter die EU/WWU oder Austritt) und der Charakterisierung der Austrittsoption als einziger „Opposition zur EU“. Die Klärungen der Streitpunkte in der Debatte könnten der Formel des „Lexit“ die breite Bedeutung der „Gegnerschaft zur Logik und den Verträgen der EU“ geben, ohne die verbindliche Linie eines Austritts. Aus dem Brexit ließe sich die Lehre ziehen, dass dringend auf europäischer Ebene eine Alternative aufgebaut werden muss. Sie müsste als fortschrittlicher Gegenblock Kraft gewinnen und einen europäischen „alternativen politischen Raum“ anstoßen, eine Art „Europe Debout!“ (Aufstehen, Europa!), das sich mit allen egalitären und ökologischen Widerstandsbewegungen gegen die herrschenden Politiken und Institutionen verbinden müsste.
Jede linke Opposition gegen die EU in einem Land könnte organisch in das Netzwerk von diesem Europe Debout in anderen Ländern eingebunden werden. Statt einzeln und ungeordnet die Frage der Schulden mit der EZB und der Eurogruppe zu verhandeln, könnte ein in einem ähnlichen Kampf wie Syriza sich befindendes Volk nach einem Bürgeraudit ein Moratorium der Rückzahlung der Schulden beschließen und sich gleichzeitig mit Europe Debout für eine europäische Konferenz über die öffentlichen Schulden einsetzen, auf der dann gemeinsame Regeln ausgearbeitet würden. Alle Verhandlungen und Forderungen von Seiten der europäischen Regierungen würden überall in der EU öffentlich gemacht und mit anderen interessanten Positionen, die alle Völker der Union betreffen, verglichen, um zu einem Prozess der demokratischen kollektiven Rebellion zu kommen, der die Forderung nach einer Konstituante erhebt, oder aber sich für gemeinsame Projekte zusammenzuschließen.
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Ein „Europe Debout“ würde von unten sein Gewicht in mögliche Alternativen einbringen, mit den eigenen Zeitplänen der Kämpfe und Debatten, es würde alle fortschrittlichen Kampagnen und Rebellionen gegen die herrschenden „Regeln“ unterstützen und die grundlegenden Rechte und Bedürfnisse verteidigen. Es könnte die heute noch vereinzelten Kämpfe oder sich abzeichnenden Brüche, die ohne günstiges Kräfteverhältnis und Glaubwürdigkeit sind, europäisieren und damit Verbindungen ermöglichen, also eine Aneignung der Kämpfe und Revolutionen des 20. Jahrhunderts von unten und auf pluralistische Weise ermöglichen, nicht als nostalgische Betrachtung der Vergangenheit, sondern als Gegengift gegen die Kriminalisierung des Widerstandes gestern und heute.
Aber Europe Debout müsste (wie Nuit Debout) in den jungen Generationen verankert sein und Räume anbieten, die es ermöglichen, Erfahrungen und Meinungen zu verbinden. Die Popularität des freien Reiseverkehrs bei den jungen Menschen muss ein Pluspunkt für eine Studentenbewegung für ein anderes Europa werden, die in ihren Unterschieden recht farbig ausfällt, die jedoch dieselben „Gemeingüter“ verteidigt, die Initiativen ergreift und Plena abhält, die der Zivilgesellschaft und den Kämpfen offen stehen, wie dies in Kroatien geschehen ist. Gleichermaßen kann man die Erfahrungen mit der Rekommunalisierung des Wassers in Frankreich und Italien auf europäischer Ebene sichtbar machen, oder gegen die Banken und ihre toxischen Kredite das Recht, ein Dach über dem Kopf zu haben und sich gegen Vertreibungen aus den Wohnungen wehren, wie dies im spanischen Staat geschehen ist. Gegen das Verschwinden der Gewerkschaften in den nationalen und europäischen Institutionen muss man die transnationalen Streikerfahrungen, sowie die Kämpfe, die Arbeitende und Kunden gegen multinationale Firmen zusammengebracht haben, weitergeben.
Des Weiteren muss man die gemeinsamen Projekte, die es zwischen rebellischen Städten gibt, zeitlich strecken und auf möglichst viele Länder ausdehnen, in denen gleiche soziale Rechte und ökologische Ziele, sowie eine aktive Solidaritätsarbeit mit MigrantInnen und Geflüchteten in Gegnerschaft zu jeder Form des Rassismus verteidigt werden. Nach dem Vorbild der Aktionen und Kampagnen der Blockade gegen TTIP müsste man die Pläne für neue Verträge in der EU öffentlich machen (etwa die der „fünf Präsidenten“) und ihre antisozialen und antidemokratischen Zielsetzungen und Vorgehensweisen herausarbeiten. Statt den fremdenfeindlichen und nationalistischen Kräften die Möglichkeit zu überlassen, diese Kritik zu verbreiten, muss man ihnen solidarischen, egalitären, europäischen, also auch antirassistischen Widerstand entgegensetzen und die Forderung aufstellen, dass ein demokratischer Prozess begonnen wird, um solche Verträge zu verhindern. Reziproke Solidaritätsaktionen müssen verallgemeinert werden nach dem Vorbild von Blockupy international, das Nuit Debout und den Widerstand gegen das Arbeitsgesetz in Frankreich unterstützt hat. [16] Die Initiativen des Altersummit [17] müssen debattiert und verbreitert werden; ebenso die Projekte des Netzwerkes Diem25 [18] oder des europäischen Netzes für den „Lexit“ [19], das gerade gestartet wurde.
Auf der Basis von bereits vor allem auf dem Altersummit erarbeiteten und diskutierten Projekten könnte eine Web-Site Europe Debout alle diese Initiativen und Reflexionen sichtbar machen und bei der Aktualisierung eines Manifestes zur Verteidigung der Gemeingüter und der europäischen Rechte helfen, was auch eine gemeinsame Basis gegen die herrschende Politik auf nationaler und europäischer Ebene bei kommenden Wahlen sein könnte. Man müsste sich in eine solche Dynamik einbringen können, gleich ob man Mitglied von Syriza ist oder nicht, Mitglied des linken Flügels, AnhängerIn oder nicht der Volkseinheit, Anhänger oder nicht des Brexit oder der Kampagne „ein anderes Europa ist möglich“ im Rahmen des „Remain“ (Drinbleiben) – unter der Bedingung, die demokratische Diskussion zu respektieren und somit jede auf Hegemonie bedachte Verhaltensweise zu unterlassen; aber auch durch praktisches Engagement zugunsten der Mobilisierungen von unten als wesentliche Bedingung für die Entwicklung einer Haltung, die sich einem Verstecken und Misserfolgen widersetzt. Eine solche Front entstünde in Gegnerschaft zu den „Zivilisationskriegen“ und gegen jede Politik, die die subalterne Bevölkerung zueinander in Konkurrenz setzt und egalitäre Rechte abbaut (im Bereich des Sozialen, des Geschlechts oder der „Rassen“). Dabei müssen Gemeingüter verteidigt werden (von der Natur zu den gemeinsam verwalteten Gütern und Dienstleistungen). Der Aufbau von Europe Debout wäre auch eine wichtige Unterstützung der nationalen und internationalistischen Kämpfe zugunsten anderer Kontinente.
23.8.2016 |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 6/2016 (November/Dezember 2016). | Startseite | Impressum | Datenschutz